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Gaiaist James Lovelock sieht die Erde und ihre Biosphäre als Organismus.

© Jeff Spicer/Getty Images

Gaiaist James Lovelock: Ein Name für die Geschichtsbücher

James Lovelock, Erfinder und Begründer der Gaia-Hypothese, feiert seinen Hundertsten. Eine Gratulation.

James Lovelock ist schon lange in die Geschichtsbücher eingegangen. Die Gaia-Hypothese hat ihn in den 1960er Jahren berühmt gemacht. Er war Mediziner und Chemiker, dazu auch Philosoph und Geräteerfinder.

Doch das mit Abstand wirkungsmächtigste Konzept war eben die Gaia-Hypothese, nach welcher der Planet Erde als eine Art riesiger Super-Organismus begriffen werden kann.

Bakterien, die die Welt verändern

So ein Konzept verdient den Namen Philosophie. Dieser „Organismus“ hat die Sauerstoff-Atmosphäre geschaffen, die es vor etwa 800 Millionen Jahren noch nicht gab. Die biologischen Erzeuger von gasförmigem Sauerstoff waren nach der Hypothese Cyanobakterien, fälschlich auch Blaualgen genannt (es sind eben Bakterien ohne Zellkern und keine Algen). Diese Überlegung kam vor allem von der Mikrobiologin Lynn Margulis, die zusammen mit Lovelock als die Erfinderin der Gaia-Hypothese gefeiert wird.

Über hunderte von Millionen Jahre pusteten die Cyanobakterien Sauerstoffgas aus. Dieses vereinigte sich aber als aggressives Gas rasch mit Metallen, Methan oder Kohlenstoff, und es dauerte weitere hunderte von Millionen Jahren, bis diese Potenziale der Sauerstoffbindung halbwegs erschöpft waren und sich gasförmiger Sauerstoff in der Atmosphäre anreichern konnte. Das war ein geochemisches Groß-Ereignis. Entscheidend für Lovelock: Es wurde nicht durch Vulkane oder Wind , Wasser oder dergleichen verursacht, sondern durch Lebewesen.

Lovelock wurde von Menschen gefeiert, die eine mystische oder animistische Beweisführung in seiner Idee vom Organismus Erde sahen. Er verneinte aber all diese Formulierungen. Es war ihm und Lynn Margulis genug, dass die heutige Atmosphäre organischen Ursprung hat.

Streitbare Forderung nach mehr Atomenergienutzung

Lovelock sah mit Genugtuung, dass der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre wiederum über hunderte von Millionen Jahren weitgehend konstant bei 20 Prozent blieb. Er wurde zeitweilig einer der aufgeregtesten Warner vor der globalen Erwärmung, von der er auch befürchtete, dass nicht nur die Temperatur, sondern auch das delikate chemische Gleichgewicht verheerend gestört würde.

Das war auch sein Motiv, sich gegen den Ausstieg aus der Atomenergie auszusprechen. Allerdings war sein diesbezügliches Denken noch von den vorausgehenden Jahrzehnten geprägt, in denen stets ein riesiger Energiebedarf angenommen und Kernenergie als die einzige Alternative zum Verbrennen von Kohle angesehen wurde. Dass in Wirklichkeit die Effizienz der Energienutzung gewaltig gesteigert werden konnte und dass die von Deutschland ausgehende revolutionäre Verbreitung und Verbilligung von erneuerbaren Energien zum Fortschrittsthema der Energiepolitik würden, kam Lovelock nicht in den Sinn.

Schon in jungen Jahren war Lovelock ein hochbegabter Wissenschaftler. Er war Quäker und verweigerte den Kriegsdienst, tat aber Dienst im nationalen Medizinforschungsinstitut. Dort untersuchte er die Übertragung von Infektionen sorgfältig, was zu einer spürbaren Verbesserung der Hygienevorschriften beitrug.

Der erste, der FCKW in der Atmosphäre maß

Ausgehend von der damals neuen Gaschromatographie erfand er allerlei raffinierte Analysegeräte. Am berühmtesten wurde der Elektroneneinfang-Detektor (ECD), der es möglich machte, chlorierte Umweltgifte in kleinsten Konzentrationen nachzuweisen – etwa die FCKW, die der Ozonschicht schaden. Lovelock war 1971 der erste, der diese Stoffe in der Atmosphäre maß.

Der Umweltwissenschaftler Ernst-Ulrich von Weizsäcker (80) hat sich als SPD-Politiker und Bundestagsabgeordneter (bis 2004) für Umwelt- und Naturschutz engagiert. Zuletzt war er Ko-Präsident des Club of Rome.
Der Umweltwissenschaftler Ernst-Ulrich von Weizsäcker (80) hat sich als SPD-Politiker und Bundestagsabgeordneter (bis 2004) für Umwelt- und Naturschutz engagiert. Zuletzt war er Ko-Präsident des Club of Rome.

© Britta Pedersen/dpa

Lovelocks Lebensleistungen sind Meilensteine. Die Gaia-Hypothese wird höchstwahrscheinlich in den kommenden Jahrzehnten durch neue Techniken der Geologie verfeinert oder auch deutlich modifiziert werden.

Die Messtechnik wird – in Verbindung mit der rasanten Entwicklung der Datenverarbeitung sowie der Sensortechnik zweifellos neue Erfolge feiern. Aber in den entsprechenden Geschichtsbüchern wird der Name James Lovelock immer als Meilenstein stehen bleiben.

Wir wünschen ihm weiterhin gesegnete Gesundheit und frohe Rückblicke auf sein außergewöhnliches Forscherleben.

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