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Braun um jeden Preis. Intensive Sonnenstrahlung ist ungesund: Die Haut altert schneller und ist anfälliger für Krebs. Trotzdem versuchen viele Menschen, gerade im Urlaub, dem schützenden Schatten zu entfliehen. Foto: picture-alliance/dpa-tmn

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Wissen: Gefährliche Bräune

Sonnenstrahlen erhöhen das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken. Ob Cremes davor schützen können, ist fraglich

Der Erfolg eines Badeurlaubs wird oft daran gemessen, ob die Haut schön braun ist. Dafür legen sich viele Urlauber täglich an den Strand, nicht wenige auch während der Mittagszeit. Natürlich gut eingeschmiert, denn so erreicht man eine gesunde Bräune ohne Sonnenbrand, meinen sie. Diese Annahme ist nach wie vor weit verbreitet – aber falsch.

„Bräunung ist kein gesunder Vorgang, im Gegenteil. Es ist der verzweifelte Versuch des Körpers, schädigende Strahlung abzuhalten“, sagt Eckhard Breitbart, Chef des Dermatologischen Zentrums in Buxtehude. Vermutlich ist auch die Ansicht falsch, dass zuerst ein Sonnenbrand entstehen muss, damit sich an dieser Stelle später möglicherweise Hautkrebs entwickelt. Krebs entsteht auch ohne. Damit ist ebenfalls fraglich, ob das Eincremen zuverlässig schützt. „Es ist nicht beweisbar, dass Sonnencreme überhaupt gegen den Schwarzen Hautkrebs schützt“, sagt Erhard Hölzle von der Deutschen Gesellschaft für Photodermatologie.

Es kann sogar zum gegenteiligen Effekt kommen, dass Menschen, die sich konsequent eincremen, eher Krebs bekommen. Allerdings nicht durch die Sonnencreme selbst, sondern durch ihr Verhalten. In Australien beispielsweise hatten Ärzte massiv für Sonnencremes geworben. Mit der überraschenden Folge, dass die Häufigkeit des Schwarzen Hautkrebses nicht abnahm sondern anstieg, bis zur höchsten Rate weltweit. Wahrscheinlich fühlten sich die Menschen, nachdem sie sich eingecremt hatten, sicher und blieben noch länger in der Sonne.

Der Sonnenbrand jedenfalls blieb aus. Dabei hat er einen unbestreitbaren Vorteil: Er ist eine Warnung des Körpers, dass es eindeutig zu viel ist. Allerdings kommt die Warnung selbst ohne Sonnencreme sehr spät. Bereits bei etwa einem Drittel der sogenannten Erythemdosis, also jener Strahlendosis, die zur Rötung führt, ist das Reparatursystem der Zellen überfordert, und es können Mutationen im Erbgut auftreten.

„Wir haben zwar nur eine sehr lückenhafte Statistik – klar ist aber, dass die Anzahl der Hauttumore seit 20 Jahren kontinuierlich steigt“, sagt Hölzle. Weltweit sterben jährlich rund 60 000 Menschen an den drei verschiedenen Formen von Hautkrebs, die durch zu viel Sonne ausgelöst werden, schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die meisten Todesopfer fordert dabei das Maligne Melanom, der berüchtigte Schwarze Hautkrebs. Mehr als drei Viertel gehen auf sein Konto. Beunruhigend ist vor allem, dass sich die Entwicklung zu beschleunigen scheint: In Großbritannien hat die Zahl der Malignen Melanome innerhalb von zehn Jahren um 43 Prozent zugenommen. Auch die absoluten Zahlen steigen. In Deutschland beispielsweise gibt es mittlerweile pro Jahr etwa 195 000 Hautkrebsneuerkrankungen. Ein größtenteils vermeidbarer Preis für bronzene Haut, sagen Dermatologen.

Was also tun? Sonnenschutzmittel sind in Wahrheit nur ein Notbehelf. Sie seien eigentlich für Menschen entwickelt worden, die in der Sonne arbeiten müssen, sagt der Dermatologe Eckhard Breitbart. „Jetzt werden sie von Menschen benutzt, die freiwillig möglichst lange in der Sonne bleiben wollen. Ein fatales Missverständnis.“ Er rät: Grundsätzlich sollte man sich so verhalten wie die Leute vor Ort. Im Süden braucht man zwischen elf und vier Uhr eben einen kompletten Sonnenschutz. Keine Creme, sondern sonnendichte Kleidung und eine Kopfbedeckung.

Diese Regel gilt vor allem für Kinder und Jugendliche. Denn es deutet vieles darauf hin, dass der Schwarze Hautkrebs sehr früh angelegt wird, auch wenn er erst Jahrzehnte später ausbricht. Untersuchungen zeigten, dass englische Einwanderer, die vor ihrem 18. Lebensjahr nach Australien auswanderten, ein stark erhöhtes Melanomrisiko besaßen. Solche, die dagegen in höherem Lebensalter einreisten, hatten nur das Risiko, als wären sie im sonnenarmen England geblieben.

„Wir vermuten, dass das Immunsystem in Kindheit und Jugend durch übermäßige UV-Strahlung für einige Wochen geschwächt wird“, sagt Breitbart. „Später toleriert es dann Stoffe, die von Hauttumoren abgesondert werden; es geht gegen den Krebs nicht mehr vor, wie es eigentlich sollte.“ Dieses Phänomen habe man auch bei Allergikern beobachtet, berichtet der Dermatologe. Bei Patienten, die einmal länger in der Sonne waren, könne man 14 Tage lang keinen Allergietest machen, so massiv sei das Immunsystem geschwächt.

Dagegen sind das zumindest im Vergleich harmlosere Basalzellkarzinom und das Spinozelluläre Karzinom eher eine Folge der gesammelten Sonneneinwirkung über die gesamte Lebensdauer hinweg. „Es wird empfohlen, die Anzahl der UV-Bestrahlungen pro Jahr auf maximal 50 Sonnenbäder – Sonne und Solarium zusammengenommen – zu beschränken“, sagt Cornelia Baldermann, Fachreferentin beim Bundesamt für Strahlenschutz. Der Tumor jedenfalls entsteht sehr, sehr viel später: „Bis Hautkrebs ausbricht, können 20 oder 30 Jahre vergehen“, sagt Baldermann. Deshalb müsse man davon ausgehen, dass die Fälle vorerst weiter zunehmen, selbst dann, wenn sich ab sofort jeder optimal schützen würde.

Aber auch der Schwarze Hautkrebs muss nicht tödlich sei, vor allem dann nicht, wenn er früh erkannt wird. Die Zahl der Verstorbenen nahm nicht in gleichem Maße zu wie die der Neuerkrankungen. Die Gesundheitspolitik hat das erkannt. Vom 35. Lebensjahr an kann sich jeder Deutsche alle zwei Jahre vom Haus- oder Hautarzt auf Hautkrebs untersuchen lassen. Bei wenigen Krebsarten ist der Erfolg so eindeutig wie beim Malignen Melanom. Der Tumor lässt sich meist problemlos, ohne entstellende Narbenbildung herausschneiden.

Wer die Sonne meidet, senkt aber nicht nur das Krebsrisiko. Die ultraviolette Strahlung zerstört auch die Kollagenfasern der Haut, also den Teil, der sie elastisch macht. Je mehr von dieser Strahlung auf die Haut gelangt, umso schneller altert sie.

Magnus Heier

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