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Venter

© ddp

Genforschung: Genetisches Selbstporträt

Der erste Mensch, dessen Erbgut komplett entziffert wurde, ist Craig Venter. Wissen wir jetzt alles über ihn?

Erstmals ist das komplette Genom eines einzelnen Menschen entziffert worden. Es handelt sich um das Erbgut des amerikanischen Genforschers Craig Venter, der sich gewissermaßen selbst porträtierte. Denn der leitende Wissenschaftler bei diesem „privaten“ Genom-Projekt war Venter selbst, der mit einem amerikanisch-kanadischen Forscherteam die Ergebnisse heute im Online-Fachblatt „Plos Biology“ veröffentlicht. Wichtigste Aussage der Studie: Die genetischen Unterschiede zwischen den Menschen sind offenbar größer als gedacht.

Venters Genom umfasst 2,8 Milliarden „Buchstaben“. Insgesamt entzifferten die Forscher rund 32 Millionen DNS-Abschnitte („Erbgutschnipsel“) mit 20 Milliarden biochemischen Buchstaben, aus denen sie das Erbgut Venters zusammensetzten. Sein Genom wurde also etwa 7,5 Mal abgedeckt, um auf diese Weise die Genauigkeit zu erhöhen. Entziffert wurden sowohl die vom Vater als auch die von der Mutter stammenden Chromosomen (Erbträger), jeweils 23 an der Zahl.

Bislang gibt es zwei Versionen des menschlichen Erbguts, nämlich die des öffentlich geförderten Genom-Projekts und die von Venters Firma Celera. Beide wurden 2001 vorgestellt. Sie enthalten jeweils genetische Informationen mehrerer Menschen, wobei das Celera-Genom bereits zu 60 Prozent mit dem von Venter identisch ist, wie sich später herausstellte.

„In dieser Studie konnten wir zeigen, dass die Unterschiede von Mensch zu Mensch mehr als sieben Mal größer sind als bisher gedacht“, fasst Venter die Ergebnisse zusammen. „Das beweist, dass wir auf der Ebene der Gene tatsächlich einzigartige Individuen sind.“

Im Vergleich mit dem genetischen „Mustermenschen“ des öffentlichen Genom-Projekts fand Venters Team 4,1 Millionen Unterschiede, die insgesamt 12,3 Millionen biochemische Buchstaben (Nukleotide) der genetischen Sequenz umfassen. Von diesen Unterschieden im Erbgut betreffen 3,1 Millionen nur einzelne Buchstaben, im Fachjargon SNPs genannt (singuläre Nukleotid-Polymorphismen, sprich: „Snips“). Der Rest entfällt auf etwa eine Million größerer Veränderungen, etwa Verdopplungen, ausgetauschte Abschnitte und Verluste oder Einfügungen im Erbgut – und genau diese Unterschiede sind es, die Venter zu der Schlussfolgerung führen, dass die genetische Einzigartigkeit des Menschen bisher unterschätzt wurde. „Die Übereinstimmung zwischen zwei Chromosomen beträgt danach nicht mehr 99,9, sondern eher 99,5 Prozent“, sagt der Genomforscher Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin. Lehrach hält die Studie für sehr interessant. Auch sein Kollege Peter Lichter vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg spendet Beifall für den ansonsten auch in Fachkreisen umstrittenen Venter: „Die Studie ist ein wichtiger Entwicklungsschritt.“

Neben der reinen Quantität haben Venter und sein Team auch die Qualität seiner genetischen Information begutachtet und sind dabei auf 300 „Krankheitsgene“ gestoßen. Also auf genetische Varianten, die das Risiko für bestimmte Leiden erhöhen. In einer Tabelle hat der Wissenschaftler einige aufgeführt. Venters Vater starb mit 59 Jahren am Herzinfarkt, und auch der Forscher selbst hat einige Erbanlagen, die ein erhöhtes Infarktrisiko voraussagen. Nach eigenem Bekunden nimmt der Wissenschaftler nun cholesterinsenkende Medikamente. Die sollen ihn zudem vor der Alzheimer-Krankheit bewahren, für die er ebenfalls disponiert ist.

Venter wäre nicht Venter, wenn er nicht eine Spur Sarkasmus eingestreut hätte. Denn laut Gen-Orakel ist er auch anfällig für Tabaksucht, Alkoholismus, antisoziales Verhalten und – Neugier.

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