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Wissen: Gute Ideen, kein Geld

Zum Lehrer wird man erst gemacht. Doch Berlin streicht offenbar Mittel für neues Praxissemester

„Zu wenig Praxis“ lautet eine weit verbreitete Kritik am Lehrerstudium. Berlin will das ändern. Ab 2013 soll es zumindest für angehende Grundschullehrer und Lehrer mit zwei Fächern im Master ein ganzes „Praxissemester“ in der Schule geben. Dabei sollen die Lehrerstudierenden nicht einfach in der Schule abgeworfen werden, sondern den Beruf auch jenseits der Unterrichtsaufgaben kennenlernen. „Mit kritischem Abstand“ und angeleitet durch dafür an der FU geschulte erfahrene Lehrer sollen die Studierenden mit „forschendem Blick“ die Schule „reflektieren“, wie Daniela Caspari, an der FU Professorin für die Didaktik der Romanischen Sprachen und Literaturen, am Donnerstag vor der Presse sagte.

Das klingt gut – ist es aber nicht. Denn Berlin will sich das dafür in Aussicht gestellte Kontingent von Lehrerstunden im Umfang von 15 Lehrerstellen nun offenbar doch sparen. So wird an der FU jedenfalls ein Brief der Staatssekretärin in der Bildungsverwaltung interpretiert. Die in das neue Projekt involvierten Wissenschaftler am „Zentrum für Lehrerbildung“ sind empört: „Wir sind bereit, wir haben gute Ideen, aber wir brauchen die 16 Stellen“, sagte Felicitas Thiel, Professorin der Erziehungswissenschaft. Aus der Senatsverwaltung heißt es auf Anfrage, die Expertenkommission zur Planung des Praxissemesters solle weitere Anreize für Lehrer vorschlagen. Man befinde sich in einem Diskussionsprozess.

Miriam Pech, die angesehene Schulleiterin der angesehenen HeinzBrandt-Schule in Berlin-Weißensee, hält es für „nicht denkbar“, dass das die Betreuung der Studierenden im Praxissemester von den Mentoren einfach zusätzlich übernommen wird. So sieht es auch Jörg Kayser, Leiter eines Schulpraktischen Seminars in Berlin-Reinickendorf: „Das Praxissemester ist der richtige Weg, aber es steht und fällt mit der Betreuung.“ Die Studierenden sollten nicht nach dem „Prinzip Meisterlehre“ ausgebildet werden, wonach der Unterricht nachzuahmen sei, den der erfahrene Lehrer mache.

Die Schulexperten nutzten das fünfjährige Jubiläum des „Zentrums für Lehrerbildung“ der FU, um auf Stärken und Schwächen der Lehrerausbildung in Berlin aufmerksam zu machen. Schließlich liefen in Berlin ja gerade die Koalitionsverhandlungen. Der nächste Schulsenator oder die nächste Schulsenatorin müsse sich viel mehr um die Lehrerbildung kümmern, als es Senator Jürgen Zöllner gemacht habe, sagte Thiel. Dass Zöllner als „Supersenator“ sowohl die Schul- als auch die Wissenschaftsverwaltung unter sich gehabt habe, die beide an der Lehrerbildung beteiligt sind, habe sich ihrem Gefühl nach nicht positiv ausgewirkt.

Lehrerinnen und Lehrern kommt in der Gesellschaft eine herausragende Bedeutung zu. Wie Ärzte auch, müssen sie sich fortbilden und dabei neue Erkenntnisse der Wissenschaft aufnehmen. Der erfreulich verbreitete Wille dazu stößt jedoch an finanzielle Grenzen: „Die rennen mir die Bude ein“, sagte Pech. Nehmen zu viele Lehrer an Fortbildungen teil, fällt Unterricht aus. Und für die FU ist der Andrang auf ihr Angebot nicht zu bewältigen. Nicht zu bezahlen ist auch eine kontinuierliche Weiterbildung jenseits von Tagesseminaren. Schwierige neue Unterrichtsformen wie die „Binnendifferenzierung“ sind für die Lehrer so nur schwer zu lernen.

Apropos lernen: Sollte man in einem Eignungstest schon vor dem Studium feststellen, wer lieber nicht Lehrer werden sollte, so wie Brandenburg es plant? Alle Experten erteilten dem eine Absage. Es sei eine krasse Unterschätzung dieses anspruchsvollen Berufs, zu glauben, man werde einfach zum Lehrer geboren: „Erfolgreiche Lehrer brauchen ein großes Repertoire an Kompetenzen, die auch noch miteinander verknüpft werden müssen“, sagte Ophardt. Anja Kühne

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