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Heimunterricht: EU bestätigt: In Deutschland herrscht Schulpflicht

Eine Bremer Familie, die ihr Kind zu Hause unterrichten wollte, scheitert mit ihrem Anliegen vor der EU-Kommission

Die bundesweit bekannt gewordene Schulverweigererfamilie Neubronner aus Bremen ist endgültig mit ihrem Versuch gescheitert, die deutsche Schulbesuchspflicht zu kippen und ihren eigenen Heimunterricht legalisieren zu lassen. Nach drei deutschen Gerichten hat inzwischen auch die EU-Kommission die Pflicht zum Schulbesuch als rechtmäßig eingestuft, wie jetzt bekannt wurde.

Die heute 13- und 15-jährigen Neubronner-Söhne hatten zunächst Grundschulen besucht, klagten aber über Albträume, Bauch- und Kopfschmerzen. Deshalb unterrichten die freiberuflichen Eltern die Kinder seit 2005 zu Hause und lassen sie auch alleine lernen. Die Bremer Schulbehörde lehnte jedoch die nötige Befreiung von der Schulpflicht ab und verhängte Zwangsgelder. Als die Eltern zudem den Entzug des Sorgerechts befürchteten, zog der Vater mit den Söhnen nach Frankreich, wo Heimunterricht erlaubt ist. Der 58-Jährige ist Diplom-Sozialpädagoge und studierter Berufsfachschullehrer. Die Mutter blieb zunächst in Bremen, um hier ihren esoterisch ausgerichteten Buchverlag weiterzuführen.

Trotz der Flucht nach Frankreich versuchte die Familie, doch eine Genehmigung für das „Homeschooling“ in Bremen einzuklagen, scheiterte damit aber in allen Verwaltungsgerichtsinstanzen. Denn Heimunterricht sei nur bei besonderen Ausnahmen erlaubt, etwa bei Diplomaten, Schaustellern oder Schwerkranken.

Daraufhin versuchte die Familie ihr Glück in Brüssel. Sie beantragte, dass die EU-Kommission ein „Vertragsverletzungsverfahren“ gegen die Bundesrepublik Deutschland einleiten solle. Nach Ansicht der Familie verstößt die deutsche Schulbesuchspflicht gegen das Recht auf Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit für EU-Bürger, das in europäischen Verträgen verankert ist. In anderen Staaten gelte kein Schulzwang. Die Anwesenheitspflicht des deutschen Schulrechts sei geeignet, Unionsbürger von einem Umzug nach Deutschland abzuhalten – konkret auch Vater Tilman Neubronner, der gerne mit seinen Kindern nach Bremen zurückgekehrt wäre.

Doch die EU-Kommission entschied, dass die Gestaltung des Bildungssystems in die Zuständigkeit der Staaten falle. „Zurückkehrende Unionsbürger können nicht unter Berufung auf das Freizügigkeitsrecht verlangen, dass die Organisation des nationalen Bildungssystems an das System eines Mitgliedsstaates angepasst wird, in dem sie sich vorübergehend aufgehalten haben“, heißt es.

Ihren juristischen Kampf gibt die Familie jetzt auf, wie die Mutter Dagmar Neubronner auf Nachfrage sagte. Allerdings hofft die Familie noch auf das Europäische Parlament, bei dem sie eine Petition eingereicht hat. Einmal wurde die Eingabe bereits abgelehnt, aber nach einer Beschwerde ihres Anwalts will der Petitionsausschuss den Fall erneut prüfen.

Die Söhne lernen unterdessen weiter zu Hause. Mittlerweile haben Mutter und Kinder ihren Hauptwohnsitz nach Lothringen in Frankreich verlegt, verbringen einen Teil ihrer Zeit aber auch in Bremen, wo der Vater wieder lebt. Der älteste Sohn absolviert in diesen Tagen eine externe Hauptschulprüfung in Baden-Württemberg. Später soll eine Realschulprüfung folgen. Familie Neubronner gehört zu den Symbolfiguren der deutschen „Homeschooling“-Bewegung. Nach deren Ansicht wird häuslicher Unterricht nirgendwo so „kriminalisiert“ wie in Deutschland. Im November findet in Berlin die erste weltweite Konferenz von Schulverweigerern statt. Stellvertretende Vorsitzende des Organisationskomitees ist Dagmar Neubronner.

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