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Hochschulen: Zulassung auf wackligen Beinen

Jahrelang haben die Politiker es verschlafen, die Zulassung der Studienbewerber unter den Bedingungen des ausufernden Numerus clausus neu zu regeln. Jetzt muss es schnell gehen, weil ein Studentenansturm bevorsteht.

Jahrelang haben die Politiker es verschlafen, die Zulassung der Studienbewerber unter den Bedingungen des ausufernden Numerus clausus neu zu regeln. Jetzt muss es schnell gehen, weil ein Studentenansturm bevorsteht. Wenn die doppelten Abiturientenjahrgänge die Schulen verlassen und einen Studienplatz begehren, müssten jährlich etwa 300 000 Bewerbern Plätze vermittelt werden. Denn über die Hälfte aller neuen Studiengänge mit dem Bachelorabschluss und über die Hälfte der herkömmlichen Studiengänge mit dem Diplom und Staatsexamen leiden unter Zulassungsbeschränkungen.

Anfang des Monats hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan nach einem Treffen mit Vertretern der Hochschulen, der Kultusministerkonferenz und der ZVS angekündigt, dass es – nach einer zweijährigen Übergangsphase – ab dem Wintersemester 2011 ein neues umfassendes Zulassungssystem geben soll. Auf die Anforderungen für eine entsprechende Software hätten sich Hochschulen und Politik geeinigt.

Doch bei einer Anhörung des Bundestages wurde jetzt deutlich, dass auf dem Weg zu dem neuen Zulassungssystem noch zahlreiche Hürden zu überwinden sind – und dass sich womöglich trotz der Absichtserklärungen die Einführung weiter verzögern könnten.

Vertreter aller Parteien erklärten, die Millioneninvestitionen in ein neues computergesteuertes Zulassungsverfahren seien tatsächlich nur dann sinnvoll, wenn sich alle Hochschulen beteiligen. Noch gibt es allerdings nur eine Absichtserklärung, in der es heißt, die Kultusministerkonferenz (KMK) und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) „werden sich nachdrücklich dafür einsetzen, dass sich alle Hochschulen“ dem neuen Verfahren anschließen. Bei der Anhörung ließ sich HRK-Präsidentin Margret Wintermantel nicht festlegen. Sie äußerte lediglich, Studienplätze seien ein teures Gut. Es sei nicht hinnehmbar, wenn freie Studienplätze nicht besetzt würden.

Diese vage Erklärung reichte den Sozialdemokraten nicht: Als Mindestbedingung solle die HRK eine schriftliche Absichtserklärung abgeben, dass sich alle Hochschulen beteiligen. Wintermantel verwies auf die Jahresversammlung im April. Dort könne man überlegen, ob die HRK einen „Letter of Intent“ formuliere.

Verbindlichkeit für alle Hochschulen würde ein Hochschulzulassungsgesetz des Bundes erreichen. Anders als die SPD wünscht die Bundeswissenschaftsministerin das nicht, obwohl der Bund dazu die Kompetenz hat und die Länder nur in Grenzen abweichen dürfen. Staatssekretär Andreas Storm erklärte, ein Gesetz werde mehr Probleme schaffen als gedacht. Um das neue Zulassungsverfahren zum Wintersemester 2011 zu starten, müsste ein Bundeszulassungsgesetz 2010 verabschiedet werden. Das sei wegen der bevorstehenden Bundestagswahlen nicht mehr zu schaffen.

Eine verbindliche Zusage der Hochschulen ist auch wichtig, weil der Haushaltsausschuss des Bundestages die bisher gesperrten Bundesmittel in Höhe von 15 Millionen Euro für die Entwicklung einer neuen Software noch nicht freigegeben hat. Das müsste noch vor der Sommerpause geschehen. Wenn nicht, könne das neue Verfahren erst zum Winter 2012 eingeführt werden, warnte Storm.

Nach den Erfahrungen mit anspruchsvoller Software ohne Vorbild in Europa treibt die Politiker allerdings schon jetzt eine Sorge um: Bleibt genügend Spielraum, um die neue Software mit so vielen Beteiligten und so ausgeprägten Dialogwünschen zu erproben? Bei der computergesteuerten Mauterhebung auf den Autobahnen erinnern sich Abgeordnete an das anfängliche Desaster mit Toll Collect. Solche Pannen dürfen sich bei der Zulassung von Studienbewerbern in den Zeiten des Studentenbergs nicht ereignen. Uwe Schlicht

Uwe Schlicht

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