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Hochschullehrer: Habilitation mit Krücke

"Schwerwiegend“ nennt der Dekan der Charité, Martin Paul, den begründeten Anfangsverdacht gegen einen Privatdozenten, seine Qualifikationsschrift im Rahmen der Hochschullehrerprüfung mit Hilfe eines bezahlten Ghostwriters verfasst zu haben.

Die Sache liegt acht Jahre zurück. Jedoch will der mutmaßliche Verfasser erst jetzt entdeckt haben, dass sein Text 2001 in einem Habilitationsverfahren verwertet wurde.

Der angebliche Fremdautor, ein diplomierter Biologe, hatte bei einem medizintechnischen Beratungsunternehmen ein knappes Jahr lang „stets zur vollen Zufriedenheit“ des Arbeitgebers an der „Fertigstellung wissenschaftlicher Manuskripte, unter anderem einer Monographie zur Bypasschirurgie“ gearbeitet. So heißt es in einem gerichtlichen Vergleich, mit dem das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Darin wurde ferner vereinbart, dass dem Biologen „keine Autorenrechte“ gegenüber seinem früheren Brötchengeber zustehen. Eine solche Vereinbarung, so der Copyright-Experte und Bochumer Rechtsprofessor Dieter Leuze, kann sich natürlich immer nur auf „Urhebervermögensrechte“ beziehen, aber nicht auf die unabdingbare geistige Urheberschaft.

Der Biologe bestreitet nicht, dass der heutige Hochschullehrer die „praktischen medizinischen und naturwissenschaftlichen“ Forschungsleistungen erbracht hat, die der Monographie zugrunde liegen. Nichtsdestoweniger sei er und nicht der frühere Habilitand der Hauptautor. „Auf Grund seiner vielen Korrekturen“ könne er dem Facharzt nicht mehr als „ein Viertel der Formulierungen zugestehen“. Dieser behauptet umgekehrt, die Prüfungsschrift hauptsächlich selbst verfasst und den Biologen im Wesentlichen zum Korrekturlesen eingesetzt zu haben.

Die „Ehrenkommission“ der Humboldt-Universität hat die Vorwürfe nach einer ersten Prüfung für triftig erklärt und ihr Ergebnis der Charité weitergegeben. Wie schließlich deren Ombudsmann und die Kommission gegen wissenschaftliches Fehlverhalten entscheidet, erscheint vor allem wegen eines bis heute maßgeblichen Urteils des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1980 (I ZR 106/ 78) spannend: Danach geht es bei der Verletzung geistigen Eigentums allein um die „eigenschöpferische Leistung“ am wissenschaftlichen Sprachwerk – und nicht darum, von wem die zugrunde liegenden Erkenntnisse stammen.

Hermann Horstkotte

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