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Wer im Internet unterwegs ist, hinterlässt zwangsläufig Spuren.

© Colourbox.de

Humboldt-Universität zu Berlin: Chancen und Risiken im Netz

Das Weizenbaum-Institut möchte die Selbstbestimmung der Nutzer stärken.

Joseph Weizenbaum war Professor für Computerwissenschaften am Massachusetts Institute of Technology und hat nicht nur die künstliche Intelligenz vorangebracht, sondern auch vor den negativen Folgen eines bedenkenlosen Computereinsatzes gewarnt. In dieser Tradition sieht sich auch das Deutsche Internet-Institut, das sich nach dem bereits verstorbenen amerikanischen Wissenschaftler mit deutschen Wurzeln benannt hat.

Das „Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft“, das kürzlich feierlich eröffnet wurde, wird die Wechselwirkungen von Digitalisierung und Gesellschaft erforschen. Beteiligt sind sechs Institutionen aus Berlin und Brandenburg. „Bei zunehmender Digitalisierung und Automatisierung geht es uns vor allem darum, die demokratische Selbstbestimmung von Individuen und der Gesellschaft zu sichern und zu stärken“, erklärt Axel Metzger, einer von drei Gründungsdirektoren und Professor an der Juristischen Fakultät der HU. „Selbstbestimmung heißt, Handlungsspielräume zu erkennen, zu nutzen und zu gestalten.“

Etwa 20 interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppen – jeweils zwei, drei Nachwuchswissenschaftler und ein Principal Investigator –, werden in den kommenden fünf Jahren zu sechs Kernthemen forschen. Nicht nur virtuell vernetzt, sondern auch in physischer Nähe im ehemaligen Gebäude der Berliner Bank am Bahnhof Zoo. Finanziert wird die Immobilie vom Land Berlin.

Die Fülle der erhobenen Daten kann Gefahren bergen

Der Jurist Axel Metzger und die Informatikprofessoren Björn Scheuermann und Niels Pinkwart sind von der HU am Institut beteiligt. Metzger forscht unter anderem im Forschungsbereich 2: „Vertrag und Verantwortung auf digitalen Märkten“. Das Thema seiner Arbeitsgruppe lautet „Daten als Zahlungsmittel“. „Wenn wir Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder E-Maildienste nutzen, sind diese nur scheinbar kostenlos, denn wir liefern auch bewusst oder unbewusst eine Reihe von Daten ab.“ Meist bedenkenlos und an jemand, den wir nicht einmal kennen. Ein Paradox, denn bei Befragungen spielt der Datenschutz für viele Menschen eine wichtige Rolle. Die Vorteile für die meisten „Datensammler“ sind bekannt: Informationen über Alter, Geschlecht oder Musikgeschmack sind Grundlage für personalisierte Werbung, aus der Unternehmen beachtliche Gewinne generieren. Das mag nicht störend sein, aber die Fülle der erhobenen Daten kann auch Gefahren bergen. Man denke nur an Gesundheitsdaten, die über Fitness-Apps und -Armbänder gesammelt werden, an Dritte verkauft und bei Krankenkassen und Versicherungen zu negativen Einschätzungen und finanziellen Folgen führen können.

„Es ist nicht unser Ziel, das zu untersagen, aber die Informiertheit der Nutzer zu stärken und technische und rechtliche Grundlagen zu liefern, damit der Umgang für den Verbraucher transparenter wird“, verdeutlicht Metzger. „Während die juristische Diskussion zur Preisgabe von Daten in den vergangenen zehn Jahren vor allem unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes geführt wurde, soll unser Schwerpunkt im Vertragsrecht liegen.“ Vertragsfreiheit setze allerdings voraus, dass sich Nutzer wirklich entscheiden können, weil sie über die Datenverarbeitung ausreichend informiert sind, sich zwischen verschiedenen Angeboten entscheiden können, also Wettbewerb existiert, und sie die Einwilligung auch widerrufen können.

Welche Regelungskompetenzen sind zukünftig erforderlich?

Erschwerend komme hinzu, dass Gesetze, etwa in Bezug auf Urheberrechte oder Datenschutz, immer mehr europäischer Gesetzgebung oder internationalen Verträgen unterliegen. „Was in der World Trade Organisation oder der Europäischen Union festgezurrt wird, muss von den nationalen Parlamenten umgesetzt werden“, sagt Metzger. Was bedeutet der Wandel von Governance im Hinblick auf die individuelle und gesellschaftliche Selbstbestimmung? Welche Regelungskompetenzen sind zukünftig erforderlich? Auf diese Fragen möchten die Forscher im Bereich „Gouvernance und Normsetzung“ Antworten finden.

Dort forscht auch Björn Scheuermann. Er leitet die Arbeitsgruppe „Vertrauen in verteilten Umgebungen“. Hier soll untersucht werden, wieviel und welche juristischen und technischen Regulierungskompetenzen erforderlich sind, damit beispielsweise Systeme wie Blockchains im Sinne des Nutzers funktionieren. Ein Beispiel: „Vielen ist DAO ein Begriff, ein Blockchain-Fond ohne zentrale Bank, Chef und Management, praktisch basisdemokratisch organisiert. Investoren kaufen sich in solche Fonds ein und erhalten Anteile in Form einer Internetwährung, die ihnen Stimmrechte verschaffen. Die Anleger entscheiden gemeinsam, in welche Firmen und Projekte investiert werden soll“, erklärt der Informatiker. Bei DAO war der Traum über Nacht ausgeträumt. Hacker haben Sicherheitslücken im Konzept entdeckt und sich viel fremdes Geld überwiesen, ohne gegen die programmierten Verträge, ebenfalls auf Blockchain basierend und Smart Contracts genannt, zu verstoßen. „Gesellschaftlich, rechtlich und technisch sind in diesen autonom, dezentralisiert funktionierenden Systemen noch viele Fragen offen“, sagt Scheuermann, der an Algorithmen arbeitet, die diese virtuellen Technologien steuern.

Das Institut wird vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert, das für die ersten fünf Jahre 50 Millionen Euro bereitstellt. Neben den Forschungsgruppen werden fünf W3-Professuren eingerichtet, eine davon an der Humboldt-Universität, verbunden mit einer Direktorenposition am Institut. Der vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung koordinierte Verbund umfasst neben dem WZB die vier Berliner Universitäten sowie die Universität Potsdam und das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme.

Mehr im Internet: vernetzung-und-gesellschaft.de

Der Artikel ist am 14.Oktober 2017 in einer Beilage der Humboldt-Universität zum Start des Wintersemesters 2017/2018 erschienen.

Ljiljana Nikolic

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