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Lust auf Technik. Frauen ist der gesellschaftliche Nutzen wichtig.

© dpa/dpaweb

Studiengang für Frauen: Informatik ohne Computernerds

Studentinnen meiden technische Fächer meist. Eine Berliner Hochschule will das mit einem Studiengang nur für Frauen ändern.

Seitdem die Wirtschaft zusehends unter Fachkräftemangel leidet, wünscht sie sich mehr Frauen in technischen Studiengängen. Bisher bewegt sich ihr Anteil zwischen zehn Prozent in Elektrotechnik und 28 Prozent im Bauingenieurwesen. Was ist zu tun?

Viele Unternehmen und die meisten Hochschulen mit den „Mint“-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik haben sich der Initiative „Komm, mach Mint“ des Bundesforschungsministeriums angeschlossen. In verschiedenen Projekten wird versucht, jungen Frauen technische Berufe schmackhaft zu machen. Die Initiative enthält auch eine Selbstverpflichtung der Hochschulen, die Zahl der Studienanfängerinnen innerhalb von drei Jahren um durchschnittlich fünf Prozent zu erhöhen. Doch niemand kontrolliert, ob die Hochschulen es bei Lippenbekenntnissen belassen.

Experten versprechen sich aber gerade von einer Veränderung der Studiengänge mehr Studienanfängerinnen. So sagt die ehemalige langjährige Frauenbeauftragte der TU Berlin, Heidi Degethoff: „Das Problem sind nicht die Frauen, sondern die Hochschulen.“ Würde man die Studiengänge verändern, könne man sehr schnell mehr Frauen gewinnen. „Frauen entscheiden sich eher für technische Studiengänge, wenn klar ist, dass sie einen gesellschaftlichen Nutzen haben“, sagt auch die Projektkoordinatorin der Mint-Initiative, Eva Viehoff.

Diesen Weg hat im vergangenen Herbst Berlins Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) mit ihrem neuen Bachelor-Studiengang Informatik und Wirtschaft eingeschlagen, der nur für Frauen gemacht ist. In den technischen Fächern ist es üblich, mit trockenen Lehrveranstaltungen etwa in Informatik oder Mathematik zu Beginn des Studiums, Studierende auszusieben. „Doch Untersuchungen haben gezeigt, dass die guten Männer diese Hürden überschreiten, die guten Frauen nicht unbedingt“, sagt die Informatikerin Debora Weber-Wulff, die als Prodekanin an der HTW den Frauenstudiengang koordiniert.

Darum verbindet das neue Curriculum die technischen Aspekte mit ihrer Anwendung in der Wirtschaft. Die Studentinnen lernen, wie man Arbeitsprozesse mit Softwarelösungen verbessert oder Datenbanksysteme entwickelt. Daneben gibt es Kurse in BWL, Führungskompetenz, Präsentation oder Englisch. Die Berufsaussichten sind den ersten Erfahrungen der HTW nach hervorragend, die Einstiegsgehälter ansehnlich.

Ohnehin seien theoretische Hürden im Studium nicht sinnvoll, da sie nicht die Art von Fachkräften produzierten, die in der Wirtschaft benötigt werden, sagt Weber-Wulff: „Wir brauchen nicht den einsamen Kämpfer am Rechner, sondern Menschen, die Probleme verstehen und in Teamarbeit lösen können.“ Ein so gestaltetes Studium würde sich auch positiv auf die männlichen Studierenden auswirken, da sind sich die Experten einig. Im neuen Informatik-Studiengang an der HTW wird darüber hinaus versucht, moderne Lehrmethoden aufzugreifen. „Frauen reagieren noch viel empfindlicher auf schlechte Lehrmethoden als Männer“, sagt Weber-Wulff. Zudem sind die Präsenzzeiten familienfreundlich verkürzt und an die Öffnungszeiten von Kindertagesstätten angepasst, Klausuren liegen nicht in den Schulferien. Tatsächlich sind ein Viertel der Studentinnen Mütter statt wie in den anderen Studiengängen der Hochschule nur zehn Prozent.

Tina Polke, Studentin des HTW-Studiengangs im zweiten Semester, fühlt sich in einer reinen Frauengruppe auch wohler als unter männlichen Computernerds. Leider gebe es nun einmal das Klischee, dass Frauen in technischen Fächern weniger begabt seien, und das würde in gemischten Kursen manchmal eine Rolle spielen. So wie im Physikkurs in der Schule: „Da bin ich trotz meiner guten Noten teilweise respektlos behandelt worden“, sagt Polke. Auch Weber-Wulff berichtet, dass „höhnische Sprüche“ gegenüber Frauen in technischen Fächern auch an den Hochschulen keine Seltenheit seien.

Die große Nachfrage für den neuen Studiengang zeigt, dass das Konzept aufgeht. Für das vergangene Wintersemester bewarben sich 140 Kandidatinnen auf 40 Plätze. Während andere Studiengänge zu wenig Bewerberinnen haben, kann die HTW sie sich hier aussuchen.

Karin Schädler

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