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Steinbach

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Interview: "Ich werde auf alle zugehen"

Der designierte TU-Präsident Jörg Steinbach erklärt, wie er Gräben überwinden und das Geld aus der Einstein-Stiftung umwidmen will

Herr Steinbach, die meisten der Professoren haben Sie vermutlich nicht gewählt, die TU ist zerstritten. Professoren haben angekündigt, sie wollten sich nicht mehr an großen Projekten beteiligen. Was können Sie tun, um Ihre Gegner wieder mit ins Boot zu holen?



Meine Wahrnehmung ist eine andere: Gestern hat mich die Mehrheit der Professoren wohl nicht gewählt, aber ich bin so gewählt worden, wie ich es mir gewünscht habe: von allen Statusgruppen. Und wenn Sie heute in meinen E-Mail-Eingang gucken könnten, würden Sie sehen, dass das Abstimmungsverhalten der Professoren im Wahlgremium auch nicht repräsentativ für die gesamte TU ist. Es stimmt natürlich, dass es im Vorfeld einen intensiven Richtungsdiskurs gegeben hat. Das kann die TU aber vorwärts bringen. Ich werde Herrn Grötschels Team bald einladen und auch auf seine Unterstützer zugehen. Denn auch sie hatten gute Ideen. Ich werde deutlich machen, dass wir diese integrieren wollen – zum Nutzen der TU. Außerdem setze ich auf die junge Generation, die völlig unbelastet von unserer hochschulpolitischen Vergangenheit ist.

Sehr stark haben Sie betont, dass auch Uni-Angehörige, die nicht Professor sind, Respekt verdienen und mit eingebunden werden müssen. Inwiefern ist das in der Vergangenheit auf der Strecke geblieben?

Da kommen drei Dinge zusammen. Das eine ist, dass unsere Verwaltung durch Einsparungsrunden vom Personalabbau überproportional hart getroffen wurde. In manchen Bereichen wollte man durch EDV-basierte Systeme Handarbeit ersetzen und die Arbeit erleichtern. Das hat aus technischen Gründen aber oft gar nicht geklappt. Hinzu kommt der Berliner Anwendungstarifvertrag mit seinen jahrelangen Lohnkürzungen. So haben die Beschäftigten den Eindruck, alles würde auf dem Rücken der kleinen Leute ausgetragen. Das nehme ich ernst.

Welche Rolle hat es bei der Wahl gespielt, dass Sie auf Wunsch des Wissenschaftssenators das Disziplinarverfahren gegen die Kanzlerin Ulrike Gutheil einleiten mussten?

Ich nehme das nicht als Riesenthema wahr. Ich habe oft gehört, dass keiner mit mir hätte tauschen wollen. Das ist die überwiegende Meinung.

Bleibt Frau Gutheil Kanzlerin an der TU?

Frau Gutheils Vertrag läuft noch weitere fünf Jahre und wir werden so professionell wie vorher zusammenarbeiten.

Wo wollen Sie andere Akzente als Ihr Vorgänger setzen?

Jedenfalls, wenn es um die Bewertung der Quantität und der Qualität von Drittmitteln geht. In der Vergangenheit war es wichtig, viel Geld einzuwerben, egal woher das kam. So haben wir eine Rekordsumme eingeworben, sind aber trotzdem im DFG-Ranking abgestürzt. Ich setze auf die neu berufenen Kollegen, die sicher ein Interesse haben, ihr eigenes Standing zu verbessern und sich mehr für DFG-Mittel zu engagieren. Das nutzt dann auch der TU. Entsprechende Anreize müssen wir bei den Zielvereinbarungen in den Berufungsverhandlungen schaffen.

Sie haben angekündigt, das Profil der TU schärfen zu wollen – aber gleichzeitig haben Sie versprochen, keine Ressourcen zu verschieben. Ist das nicht ein Widerspruch?

Das mag zunächst so aussehen. Aber tatsächlich ist es anders. Zum Beispiel kann keine TU alleine mehr das gesamte Thema Energie abdecken. Hier fokussieren wir uns eben auf bestimmte Teilthemen. Dazu brauchen wir keine Neustrukturierung der Fakultäten, denn die Profilierung der TU hat schon stattgefunden. In den vergangenen zehn Jahren haben wir auf unsere 273 Professuren 250 bis 260 neue Persönlichkeiten berufen und dabei bereits auf Fokussierung geachtet. Wichtig ist mir jedenfalls, dass wir nicht nur auf Verbundforschung setzen, um Drittmittel aus bestehenden Förderlinien zu bekommen, sondern auch Kreativforschung zulassen, also durchaus auch Themen jenseits des aktuellen Mainstreams bearbeiten.

Wird die TU mit einem völlig neuen Zukunftskonzept in den Exzellenzwettbewerb gehen oder wollen Sie sich eng an das bisherige halten?

Wir sind in die letzten zwei Durchgängen des Wettbewerbs mit ähnlichen Konzepten gegangen. Ich glaube, es wäre für die Außendarstellung der TU nicht gut, jetzt wieder nur kleine Änderungen vorzunehmen. Der Zweck des Zukunftskonzeptes muss sein, dass es allen Mitgliedern der Hochschule für ihre Arbeit ein besseres Umfeld eröffnet, damit dann auch die ganze Uni dahinter steht. Wie das zu machen ist, werden wir jetzt mit Repräsentanten aller Gruppen diskutieren.

Sie haben versprochen, dass es keine Zweiklassengesellschaft durch die Exzellenzinitiative an der TU geben darf. Was genau meinen Sie damit?

Teile der Forschung arbeiten zyklisch. Erkenntnisse werden zur Reife gebracht, dann nimmt man ein neues Thema auf, bei dem man aber noch ganz am Anfang steht. Also dürfen wir nicht alle disponiblen Mittel auf die exzellenten Bereiche geben, während die anderen Bereiche verhungern, die doch die Keime für neue Exzellenz darstellen.

Hat denn der TU-Präsident überhaupt noch disponible Mittel bei sich?

Ich fand es sehr solidarisch von Präsident Kurt Kutzler, dass er mit einer Million Euro auf seine Innovationsreserve für ein Jahr verzichtet, um zu helfen, unser Defizit von acht Millionen Euro zu decken. Mehr als einmal geht das aber nicht. Wir müssen Wege finden, um strategische Mittel zur Verfügung zu haben.

Vor der Wahl haben Sie erklärt, mit der Einstein-Stiftung werde den Berliner Universitäten Geld für die Grundfinanzierung entzogen. Wünschen Sie sich also, die Stiftung einzudampfen?

Nein, das würde zu weit gehen. Wir haben ja auch Vorteile durch die Stiftung, zum Beispiel fließen von dort jetzt Mittel für die Vorbereitung der Exzellenzinitiative. Aber man könnte überlegen, in den Jahren 2010 und 2011 ausnahmsweise Mittel von dort für die Grundfinanzierung umzuwidmen. Danach werden wir dieses Tal der Tränen hoffentlich durchschritten haben, wenn das Geld aus dem Hochschulpakt fließt.

Ist das nicht unrealistisch?

Ich nehme an, dass Wissenschaftssenator Zöllner nicht Hurra rufen wird. Ich müsste also erstmal meine Kollegen an der FU und der HU von diesem Gedanken überzeugen. Dass die Zweckbindung des Einstein-Geldes nicht in Stein gemeißelt ist, sieht man ja daran, dass jetzt die Kitas eine große Summe davon bekommen haben.

Auch TU-Studierende sind am Bildungsstreik beteiligt. Gibt es Schwächen in der Lehre, die Sie als langjähriger Vizepräsident für Lehre und Studium übersehen haben und nun anpacken müssen?

Ja, das muss ich selbstkritisch sagen. Wenn eine Lehrveranstaltung nur über 13 Wochen läuft, wir aber eine Workload für ein ganzes Semester, also ein halbes Jahr berechnen, ist das ein Fehler. Was wir unmittelbar korrigieren können, werden wir sofort korrigieren. Wenn es um neue Prüfungsordnungen geht, werden wir die Studiengänge in der Reihenfolge der für sie anstehenden Reakkreditierung überarbeiten. Die erste Welle steht schon im Laufe des Jahres an. Wir müssen schrittweise vorgehen, denn unsere Studiengänge sind oft über die Fakultäten hinweg vernetzt, das macht es kompliziert. Ich bin davon überzeugt, dass der zweite Wurf deutlich besser wird, als der erste, zumal wir in einem überaus konstruktiven Dialog mit den Studierenden stehen.

Warum hat auch die TU auf den nur dreijährigen Bachelor gesetzt?

Für uns ist entscheidend, dass die Forschungsbefähigung im Master nicht unter zwei Jahre dauern darf. Damit bleiben eben nur drei Jahre für den Bachelor übrig. Ich habe mich aber für eine Erprobungsklausel in den neuen Hochschulverträgen stark gemacht. Das erlaubt uns, das sehr intelligente Y-Modell auszuprobieren, wie es in Spanien existiert: Die Studierenden entscheiden sich nach drei Jahren, ob sie noch ein weiteres Jahr im Bachelor machen wollen und dann in den Beruf gehen oder ob sie in den zweijährigen Forschungsmaster gehen. Das ist das beste Modell, das ich kenne.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

Jörg Steinbach (53) wurde am Mittwoch zum neuen Präsidenten der Technischen Universität Berlin gewählt. Der Prozesswissenschaftler tritt sein Amt am 1. April an.

Interview von Anja Kühne

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