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Reise ins Innere. Die verschiedenen Zelltypen im Hippokampus - dem Tor zur Erinnerung - färbten die Forscher unterschiedlich an, so dass man ihr Zusammenspiel besser sehen kann.

© Karl Deisseroth, Kwanghun Chung

Karl Deisseroths Schlüssel zum Hirn: Nervenzellen mit Licht steuern

Das Denken sichtbar machen - diesen Traum eines jeden Hirnforschers hat Karl Deisseroth möglich gemacht. Wie er die Mauer zum Hirn überwand, erzählte er am Sonntag auf der Falling Walls Konferenz in Berlin.

Mit seiner wuscheligen, irgendwie gescheitelten Haarpracht ähnelt Karl Deisseroth einem Mitglied der Beach Boys in seinen besten Jahren. Aber mit der Surfband der 60er Jahre hat Deisseroth vermutlich kaum mehr gemein als die Tatsache, dass auch er in Kalifornien lebt.

Jungenhafte Erscheinung und lässiges Auftreten täuschen darüber hinweg, dass der 42-jährige Psychiater und Bioingenieur an der Universität Stanford der vielleicht findigste und gefragteste Kopf der modernen Hirnforschung ist. Gleich zwei bahnbrechende Methoden hat Deisseroth entwickelt, mit denen das Gehirn und sein Denken buchstäblich sichtbar gemacht werden können. Bei der Berliner Falling-Walls-Konferenz gab er einen Einblick in seine Arbeit.

Nerd und Psychiater

Der Wissenschaftler teilt seine Zeit zwischen der Arbeit im Labor und am Krankenbett auf. Deisseroth, Abkömmling deutscher Vorfahren, ist die unwahrscheinliche Kreuzung aus besessenem Technik-Nerd und einfühlsamen Psychiater. Optogenetik heißt die Technik, an deren Entwicklung er maßgeblich beteiligt war. Die Optogenetik soll helfen, eines Tages seelische Leiden wie Depressionen besser zu verstehen, hofft Deisseroth. „Angesichts von mehr als 80 Milliarden Nervenzellen im Gehirn eine ungeheure Herausforderung“, sagt er.

Manche Bakterien und Algen reagieren auf Licht. Deisseroths revolutionäre Idee bestand darin, diese Fähigkeit mit Hilfe der Gentechnik auf Nervenzellen zu übertragen. Werden die Nervenzellen mit Licht einer geeigneten Wellenlänge beleuchtet, reagieren sie mit einem elektrischen Impuls. Sie lassen sich also mit Hilfe von Licht steuern.

Die Technik ermöglicht es, gezielt eine bestimmte Spezies von Nervenzellen zu lenken und die Konsequenzen zu studieren, etwa im Verhalten einer Ratte im Käfig. Und sie funktioniert auch umgekehrt – Nervenzellen lassen sich „bei der Arbeit“ beobachten und geben so Einblicke in die Funktionsweise des gesunden wie kranken Gehirns.

Das Hirn durchsichtig machen

Auch Deisseroths zweite Erfindung hat mit Licht zu tun – und mit seinem Traum, das Gehirn „durchsichtig“ zu machen. „Clarity“ („Klarheit“) heißt die Technik, mit der das fettig- „opake“ Gehirn transparent wird. Deisseroth und sein Kollege Kwanghun Chung entwickelten dazu ein zweistufiges Verfahren.

Zunächst wird das Gerüst des Gehirns, darunter die eiweißhaltigen Nervenzellen, an Ort und Stelle mit einem wässrigen Gel fixiert. Dann werden die Fette herausgelöst, das Gewebe wird tatsächlich durchsichtig. Nun können zum Beispiel die Nervenbahnen angefärbt werden. „Clarity“ ermöglicht so neuartige Einblicke in die Architektur des Gehirns.

Der Hirnforschung wurde in letzter Zeit häufiger der Vorwurf gemacht, viel zu behaupten und wenig zu belegen. Aber mit Persönlichkeiten wie Karl Deisseroth, die ihre Träume in die Tat umsetzen, könnte sich das Blatt wenden.

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