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Verglichen mit Stahl oder Beton ist Holz ein sehr klimafreundlicher Baustoff.

© imago/CHROMORANGE

Klimaschutz beim Wohnungsbau: Viel Neubau aus Holz könnte mehr als 100 Gigatonnen CO2 vermeiden

Neue Gebäude aus Holz könnten so viele Treibhausgase einsparen wie die Menschheit in zwei Jahren ausstößt, zeigt eine neue Studie. Doch es gibt Zweifel.

Stahl, Putz, Beton: In den 20er Jahren begründete die Kunstschule Bauhaus in Weimar mit diesen Materialien einen Architekturstil, der bald zum Aushängeschild für modernes Wohnen wurde – in Deutschland und der Welt. Den Baustoff Holz schmähten die Gestalter:innen, störte er den schicken Industrie-Look nur.

Heute, rund 100 Jahre später inmitten der Klimakrise, kommt eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zu folgendem Ergebnis: Vermehrtes Wohnen in neuen Gebäuden aus Holz statt Stahl und Beton könnte mehr als 100 Gigatonnen CO2 bis zum Jahr 2100 vermeiden.

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Dafür müssten 90 Prozent der neuen städtischen Bevölkerung in solchen neu erbauten Holzhäusern untergebracht werden. Die vermiedenen Treibhausgase entsprechen etwa einer Menge, die die Menschheit derzeit in zwei Jahren verursacht. 

Abhijeet Mishra ist Wissenschaftler am PIK und Hauptautor der Studie, die im Fachmagazin „Nature Communications“ erschienen ist. In einer Pressemitteilung vom Dienstag sagt Mishra: „Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt derzeit in Städten, und bis zum Jahr 2100 wird diese Zahl noch erheblich steigen.“

Holz speichert Kohlendioxid

Den Forschenden schweben vier- bis zwölfgeschossige Wohnhäuser aus Holz vor.
Den Forschenden schweben vier- bis zwölfgeschossige Wohnhäuser aus Holz vor.

© IMAGO/Westend61

Das bedeutet dem Forscher zufolge, dass mehr Häuser aus Stahl und Beton gebaut werden, die meist einen großen CO2-Fußabdruck haben. „Aber wir haben eine Alternative: Wir können die neue Stadtbevölkerung in mehrstöckigen Gebäuden unterbringen – wir sprechen hier von vier bis zwölf Etagen – die aus Holz bestehen.“

Für einen ausreichenden Nachschub an Bauholz müssten Baumplantagen bis Ende des Jahrhunderts weltweit um 149 Millionen Hektar wachsen – das entspricht einer Fläche, die viermal größer ist als ganz Deutschland. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Ausweitung von Baumplantagen für Gebäude aus Holz möglich ist ohne größere Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion“, schreiben die Autor:innen in ihrer Analyse.

Misha erklärt: „Bei der Herstellung von Holzbaustoffen wird viel weniger CO2 freigesetzt als bei Stahl und Zement. Zudem speichern Holzbaustoffe Kohlenstoff und machen Holzstädte zu einer einzigartigen langfristigen Kohlenstoffsenke.“

Stahl und Beton sind in der Produktion Klimakiller

Allein im Jahr 2020 war die Produktion von Materialien für neue Gebäude nach konventioneller Bauart für etwa zehn Prozent der jährlichen weltweiten Treibhausgase verantwortlich. So schlug der für den Beton benötigte Zement mit rund 1,5 Gigatonnen CO2 zu Buche, während die Produktion von Eisen und Stahl etwa 3,5 Gigatonnen CO2 verursachten.

Um viel Neubau aus Holz zu ermöglichen, wären größere Flächen mit Holzplantagen notwendig.
Um viel Neubau aus Holz zu ermöglichen, wären größere Flächen mit Holzplantagen notwendig.

© Jan Bitter/PNN

Alexander Popp, ebenfalls Wissenschaftler am PIK und Mitautor der Studie, bemerkte: „In unseren Computersimulationen haben wir eine klare Grenze für die Holzentnahme und die Anlage neuer Baumplantagen gesetzt: In unberührten Wäldern und Schutzgebieten für die biologische Vielfalt darf nichts abgeholzt werden.“ Der ausdrückliche Schutz dieser Gebiete sei extrem wichtig.

Doch gerade was die knappen Flächen angeht, ist Christine Fürst skeptisch. Sie ist Professorin für Nachhaltige Landschaftsentwicklung am Institut für Geowissenschaften und Geographie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und war nicht in der Studie beteiligt.

Würde Bauholz Feldfrüchte verdrängen?

„Generell würden die Szenarien, die sehr stark in Richtung einer Ausweitung von ‚Holzplantagen‘ gehen, sehr stark in Konflikt mit der Nahrungsmittelversorgung gehen“, erklärt Fürst in einer Einschätzung für das Science Media Center (SMC). Völlig durchschaut habe sie nicht, wo die Flächen eigentlich herkommen sollen. Zudem hätten die Autor:innen nicht einbezogen, wie verfügbar, produktiv und nutzbar die Flächen angesichts eines fortschreitenden Klimawandels in Zukunft sein würden.

Die Forscherin verweist auch auf ein Problem in Europa: „Durch die Hitzeperioden sind viele unserer Waldbestände zurückgestorben und durch Schädlinge auch in ihrer Holzqualität beeinträchtigt. Dadurch ergibt sich eine hohe Menge an Schadholz auf dem Markt, das zu extrem geringen Preisen ‚verramscht‘ wird.“ Bis hier neues Holz aus nachwachsenden Beständen zur Verfügung steht, würden mindestens 30 bis 50 Jahre vergehen.

In dieser Zeitspanne ist jedoch mit stark wachsenden Städten und damit auch einem steigenden Bedarf an neuem Wohnraum zu rechnen. Zuversichtlicher zu den knappen Flächen äußert sich Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. 

Zwar erschienen die 149 Millionen Hektar zusätzliche Fläche auf den ersten Blick sehr viel. Auf den zweiten Blick sei das jedoch durchaus realistisch. „Zum Beispiel wurden seit 1990 etwa 420 Millionen Hektar Wald in andere Landnutzungsformen umgewandelt“, sagt Bauhus dem SMC. „Die benötigten Flächen stellen somit eine moderate Rückumwandlung in Waldfläche dar.“ Ein reduzierter Fleischkonsum könne dazu beitragen, landwirtschaftlich genutzte Fläche in Baumplantagen umzuwandeln.

Der Bedarf an neuem Wohnraum und damit auch an Baustoffen wird voraussichtlich groß bleiben: Bis 2050 könnten 6,7 Milliarden Menschen in Städten leben, heißt es in einem Bericht der Vereinten Nationen. Das wären etwa 2,5 Milliarden mehr als noch im Jahr 2018.

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