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Unvollendet: Die neue Metrolinie 17 in Sao Paulo hätte schon zur Fußball-WM 2014 fertig sein sollen. 2017 ist sie immer noch im Bau.

© Metro de Sao Paulo (CC BY-NC 2.0)

Forschung am Lateinamerika-Institut: Kreditgeber gesucht!

Alexander-von-Humboldt-Stipendiat Adriano de Marchi Fernandes forscht an der Freien Universität zur Finanzierung großer Infrastrukturprojekte in Brasilien.

Wasserkraftwerke und Windkraftanlagen, Kläranlagen und Krankenhäuser: Große Infrastrukturprojekte kosten viel Geld. In Brasilien ist es für Unternehmen, die solche Projekte umsetzen wollen, schwierig, notwendige Kredite zu bekommen. Wie müsste der Finanzmarkt gestaltet werden, damit die Finanzierung einfacher wird? Dieser Frage geht Adriano de Marchi Fernandes nach: Der Volkswirtschaftler verbringt mit dem Bundeskanzler-Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ein Forschungsjahr am Lateinamerika-Institut der Freien Universität.

Mit der Infrastruktur Brasiliens beschäftigt sich Adriano de Marchi Fernandes schon lange: Nach dem Ende seines Studiums der Volkswirtschaft in São Paulo vor sechs Jahren hat er für eine Bank, die Finanzabteilung von Siemens sowie eine kleine Wirtschaftsberatung gearbeitet. Immer wieder ging es dabei um die Finanzierung von Kraftwerken und Straßen – um Infrastruktur also, die Brasilien, fünftgrößtes Land der Erde und schwächelndes Schwellenland, dringend benötigt. Aufgabe des Brasilianers war es, sogenannte Brückenkredite zu vermitteln: Über sie werden Projekte am Leben gehalten, bis ihre Finanzierung durch einen langfristigen Kredit gesichert werden kann. Doch der kam oft nicht. Und so sah Adriano de Marchi Fernandes, wie vielversprechende Projekte nicht umgesetzt wurden – der Bau einer großen Kläranlage im Süden des Landes etwa. Sie hätte zentraler Bestandteil des Regierungsversprechens sein sollen, bis 2033 für flächendeckenden Zugang zu Trinkwasser und Abwassersystemen zu sorgen. „Unsere Infrastruktur droht, zurückzubleiben“, sagt der 33-jährige Wissenschaftler. „Das hat schwere soziale Folgen. Und es wird sich noch verschlimmern, wenn wir das Finanzierungsproblem nicht lösen.“

Großprojekte dauern oft 20, 25 Jahre - zu lang für Investoren

Langfristige Kredite, wie sie Banken in Deutschland Unternehmen oft gewähren, sind in Brasilien unüblich. Für große Infrastrukturprojekte seien die Hürden besonders hoch, sagt Adriano de Marchi Fernandes: „Bis sie umgesetzt sind, dauert es oft 20, 25 Jahre. So lange wollen die Investoren nicht warten – das Risiko, bis sie ihr Geld zurückbekommen, erscheint ihnen zu groß.“ Für Kapitalanleger gilt Brasilien schon lange als unsicher: Eine lange Rezession hat in den vergangenen Jahren die Inflation in die Höhe getrieben. Das hat dazu geführt, dass die brasilianischen Zinssätze heute zu den höchsten der Welt zählen. Mit der Krise sei auch einer der größten Geldgeber für Infrastrukturprojekte geizig geworden, sagt der Ökonom: Der staatlichen Entwicklungsbank BNDES, verantwortlich für ein Drittel aller Kredite im Infrastrukturbereich, stehe immer weniger Geld zur Verfügung. Unternehmen, die bisher von der BNDES abhängig waren, bräuchten andere Finanzierungsquellen.

Der Schlüssel zu einem erleichterten Zugang zu Geld am Finanzmarkt könnten etwa projektspezifische Wertpapiere sein, sagt Adriano de Marchi Fernandes: Anstatt einen traditionellen Bankkredit zu beantragen, gründet eine Firma für ein Großprojekt ein Subunternehmen, das langfristige Wertpapiere herausgibt. Diese können von den Gläubigern – neben Banken sind das häufig Rentenfonds und Privatpersonen – frei gehandelt werden.

Das Stipendium ermöglicht ein einjähriges Projekt in Deutschland

Diese Form der Projektfinanzierung ist in Brasilien aber noch selten. Woran das liegt und wie sich das ändern lässt, damit beschäftigt sich Adriano de Marchi Fernandes während seines Forschungsaufenthalts am Lateinamerika-Institut (LAI) der Freien Universität. Bei seiner Forschung wird er von Volkswirtschaftsprofessorin Barbara Fritz betreut. „Am LAI gibt es beides“, sagt der Wissenschaftler: „Ein gutes Verständnis von Lateinamerika und Kontakte zu den Ansprechpartnern, mit denen ich Interviews führen möchte“, sagt er. Ein solcher Kontakt sind beispielsweise die Experten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Brasilien finanziert.

Mit dem Bundeskanzler-Stipendium ermöglicht die Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) jungen Führungskräften aus Brasilien, Russland, China, Indien und den USA, ein einjähriges Projekt in Deutschland durchzuführen – bei einem Gastgeber, den die Stipendiaten frei wählen können. Die Freie Universität zählt Rankings der AvH über die Verteilung ihrer Stipendiaten und Preisträger auf die deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zufolge zu den beliebtesten Forschungsstandorten für ausländische AvH-Gastwissenschaftler.

Teil des Bundeskanzler-Stipendiums ist auch eine Studienreise durch Deutschland und ein intensives Spracherwerbsprogramm. Für Adriano de Marchi Fernandes, der bereits während seines Studiums ein Jahr in Tübingen verbracht hat, ist es ein wichtiges Ziel, Deutsch zu beherrschen. „Die Sprache zu können, gehört dazu, wenn man in einem Land lebt“, sagt er.

Jonas Huggins

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