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Dürre. La Niña hat in Brasilien zu großer Trockenheit geführt. Dabei sind auch die Pegel großer Flüsse deutlich zurückgegangen. Der Rio Negro, hier nahe Manaus, hat einen historischen Tiefstand bezogen auf die letzten 100 Jahre erreicht.

© AFP

Meteorologie: La Niña: Launisches Mädchen

Zu viel Regen in Indonesien, Dürre in Brasilien und Argentinien: Das Wetterphänomen La Niña ist derzeit besonders deutlich ausgeprägt – mit drastischen Folgen.

Mit Spannung beobachten Meteorologen den tropischen Pazifik, eine Brutstätte des Weltwetters. Anfang des Jahres wärmte das Phänomen El Niño das Wasser. Jetzt ist das kalte Pendant La Niña (deutsch: „das Mädchen“) an der Reihe. Es fällt so kräftig aus wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Meteorologische Dienste registrieren auf mehreren Kontinenten Wetterkapriolen, die vermutlich mit La Niña zusammenhängen – und wirtschaftliche Schäden verursachen.

Als wäre der Ausbruch des Vulkans Merapi nicht genug, leidet Indonesien unter La Niña. Das berichtet der humanitäre Informationsdienst IRIN der Vereinten Nationen. Die Trockenzeit, die von Juni bis Oktober dauert, sei ins Wasser gefallen, und jetzt, in der Regenzeit, schütte es noch mehr als sonst. Das beeinträchtigt den Anbau vieler landwirtschaftlicher Güter, auch in den Nachbarländern. Indonesien wird wohl erstmals seit drei Jahren wieder Reis importieren. Geschädigt ist auch die Ernte von Gemüse, Palmöl und Kautschuk. Die Preise steigen. Das gilt ebenso für Heizkohle, die in Australien unter derzeit zu feuchten Bedingungen abgebaut wird.

Auf der anderen Seite des Pazifiks brachte La Niña den Ländern Argentinien und Brasilien eine Dürre. Glück mit dem Wetter hatten bisher die USA. Die angekündigten Hurrikane zogen an der Küste vorbei. Dabei waren die Bedingungen im Atlantik – durch eine veränderte Luftzirkulation – für tropische Wirbelstürme günstig: 19 Stürme, neun mehr als im Durchschnitt, machten in diesem Jahr den Ozean unsicher. Doch mit Hurrikanen mussten sich vorwiegend die Bewohner der Karibik auseinandersetzen.

Im Winter dürften die Wetterlaunen weitergehen. Die Meteorologen in den USA rechnen mit großer Kälte und ungewöhnlich viel Regen oder Schnee im Nordwesten des Landes und mit Wärme und Trockenheit im Süden. Auch in Europa ist in der Vergangenheit der Einfluss der pazifischen Abkühlung feststellbar gewesen. Laut Stefan Brönnimann, Klimaforscher an der ETH Zürich, kann bei La-Niña-Bedingungen der Spätwinter im Nordosten Europas mild ausfallen. Natürliche Schwankungen der Luftzirkulation auf der Nordhalbkugel seien allerdings weitaus stärker als der entfernte Einfluss des Pazifiks.

„Der Junge“ und „das Mädchen“ kehren jeweils alle zwei bis sieben Jahre wieder. Zusammen bilden sie die wichtigste mehrjährige Schwankung von Meerestemperaturen und Großwetterlagen auf der Erde. Eine entscheidende Rolle spielt, neben dem Ozean, der Wind am Äquator. Er treibt generell das warme Pazifikwasser nahe der Meeresoberfläche gen Westen. Doch die Brise hat Launen: Bei El Niño flaut der Wind ab, wodurch warmes Wasser teilweise nach Osten zurückströmt. Dann steigt vor der Küste Perus die Temperatur. Bei La Niña weht der Ostwind hingegen stärker als sonst. Dadurch sammelt sich im Westen noch mehr warmes Wasser. In den letzten Monaten führte das zu den starken Regenfällen in Südostasien. Vor Peru kühlt sich das Meer bei La Niña stark ab.

Derzeit liegen die Temperaturen in einem ostpazifischen Areal von mehreren tausend Kilometern Länge entlang dem Äquator um ein bis zwei Grad Celsius unter den langjährigen Mittelwerten. Damit ist ein starkes La-Niña-Ereignis eingetreten. Charakteristisch sind auch die atmosphärischen Bedingungen: Der Luftdruck ist im Westpazifik gesunken und im Ostpazifik gestiegen. Gemessen am Luftdruckunterschied zwischen Australien und Tahiti handelt es sich um die stärkste La-Niña-Phase seit dem Winter 1973/1974.

El Niño und La Niña zeigen nicht immer den gleichen Verlauf. Das haben Wissenschaftler erst in jüngster Zeit herausgefunden. Neben der normalen Variante gibt es auch den „Modoki“-Fall. Das japanische Wort Modoki bedeutet „ähnlich, aber verschieden“. Das klingt ominöser, als es wirklich ist. Bei einem El-Niño-Modoki wird die Erwärmung nicht vor der südamerikanischen Küste beobachtet, sondern im zentralen tropischen Pazifik. Bei La-Niña-Modoki ist es entsprechend der zentrale Ozean, der sich am meisten abkühlt.

Gegenwärtig herrscht ein normaler La-Niña-Fall: Am stärksten sank die Temperatur im Ostpazifik. Beobachtungen zufolge ist die Modoki-Variante in den letzten Jahrzehnten aber häufiger geworden. Warum, weiß man noch nicht. Diese Veränderung ist wichtig wegen der Auswirkungen des Phänomens. Normale El-Niño-Verhältnisse bedeuten für die USA ein verringertes Hurrikanrisiko, während El-Niño-Modoki das Sturmrisiko vergrößert. Auch langfristig wirkt sich die Modoki-Variante aus, wie ein Team um Emanuele Lorenzo vom Georgia Institute of Technology unlängst im Fachjournal „Nature Geoscience“ berichtete. Ein Modoki-Ereignis hinterlasse im Nordpazifik eine Temperaturveränderung, also eine Erwärmung oder Abkühlung, die im Ozean über Jahre hinweg gespeichert wird. Das erschwert Prognosen für das Klima im Pazifik. Schon El Niño und La Niña sind schwer vorhersagbar. Ihre Langzeitwirkung erst recht.

Den kurzfristigen Effekt des Pazifikphänomens auf die globale Mitteltemperatur kennen Forscher gut. El Niño lässt sie um ein paar Zehntelgrad steigen, La Niña lässt sie sinken. Seit April wurde eine Abkühlung um circa 0,2 Grad Celsius verzeichnet. Dieser Trend dürfte sich in den nächsten paar Monaten fortsetzen. Er gehört zum natürlichen Auf und Ab der Temperaturen, das langfristige Trends, etwa der globalen Erwärmung, überlagert. Computerprognosen zufolge bleiben die La-Niña-Bedingungen mindestens bis in Jahr 2011 hinein bestehen.

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