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Mikrobiologie: Das kleine Horrorlabor

Enzyme insektenfressender Pflanzen könnten zu neuen antibakteriellen Mitteln führen.

Fleischfressende Pflanzen sind nicht die ersten Organismen, die einem in den Sinn kommen, wenn man nach biomedizinischen Komponenten sucht. Dennoch - auch wenn es wie Science Fiction anmutet - entdecken Wissenschaftler Enzyme in der Verdauungsflüssigkeit der fleischfressenden Kannenpflanze, die sich als nützlich bei der Kontrolle von Infektionen erweisen könnten.

Die meisten Pflanzen fördern ihr Wachstum, indem sie Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium aus dem Boden absorbieren. Für diejenigen, die unglücklicherweise in Regionen leben, in denen dem Boden diese Nährstoffe fehlen, haben sich Alternativen entwickelt - zum Beispiel Pflanzenteile, die Insekten fangen, töten und verdauen können.

Einige dieser Pflanzenteile bilden gewissermaßen spitze Münder aus, die sich um nichtsahnende Insekten schließen, wenn sie auf ihnen landen; andere entwickeln, was wie ganz normale Blätter aussieht, die jedoch mit einer Klebemasse überzogen sind, ungefähr wie Fliegenpapier; wieder andere, wie die Strukturen, die Nepenthes alata zur Schau trägt, sind schlüpfrige Kannenblätter, die wie Fallgruben funktionieren. Nepenthes alata nutzt eine Kombination aus leuchtenden Farben und süßem Duft, um Insekten in ihre Kannenblätter zu locken, wo schlüpfrige Seitenwände und eine Grube gefüllt mit säurehaltiger Flüssigkeit die Opfer fängt und tötet.

Lange Zeit wurde angenommen, die Flüssigkeit auf dem Grund der Falle enthielte Verdauungsenzyme. Frühe Forschungsarbeiten haben dies bestätigt, doch um welche Enzyme es sich genau handelt, blieb unklar. "Die Verdauungsvorgänge in Kannenpflanzen sind seit mehr als 150 Jahren studiert worden, und immer noch wissen wir nicht, wie sie ablaufen, da es sich um einen sehr komplexen Prozess handelt", erklärt Chris Frazier von der University of New Mexico in Albuquerque.

Nun haben Naoya Hatano vom Harima Institut in Riken und Tatsuro Hamada von der Ishikawa Prefectural University in Japan sieben Proteine in der Verdauungsflüssigkeit der fleischfressenden Pflanze identifiziert. Sie züchteten die Pflanze in ihrem Labor und sammelten die Flüssigkeit aus gerade aufgegangenen Kanneblättern, um eine Kontamination mit Insekten zu vermeiden. Anschließend trennten sie die Proteine mittels Gelelektrophorese auf und identifizierten die Enzymarten, denen die Proteine zuzuordnen sind, anhand der Massenspektrometrie. Da einige der gefundenen Enzyme unbekannt waren, suchten sie in Protein-Datenbanken nach Enzymen mit ähnlicher Struktur und entdeckten, dass manche von ihnen möglicherweise gar nichts mit Verdauungsvorgängen zu tun haben.

Schützende Proteine

Hatano und Hamada entdeckten, dass zwar drei der Enzyme der Verdauung von Insekten dienen können, die anderen jedoch möglicherweise eine Rolle bei der Konservierung der Beute spielen, da sie eng verwandt sind mit Enzymen, die bei anderen Pflanzen bakterielle und Pilzinfektionen verhindern. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Journal of Proteome Research. 1

Schützende Enzyme in Verdauungsflüssigkeiten mögen auf Anhieb wenig Sinn ergeben, diese Pflanzen verzehren Insekten jedoch sehr langsam, so dass sie im Wettstreit mit Bakterien stehen, die auf den Insekten wachsen und den Pflanzen die Nährstoffe stehlen, erklärt Hamada. Die Beute mit antibakteriellen Enzymen zu bedecken, lässt mehr Insekten für die Pflanze übrig.

"Diese Enzyme können potenziell hilfreich bei der Verhinderung bakterieller und Pilzinfektionen sein", meint Hamada. Jedoch sind weitere Forschungsarbeiten notwendig, um ihr volles Potenzial für Landwirtschaft und Medizin aufzudecken, fügt er hinzu.

"Ob Bakterien und Pilze nützlich oder nachteilig für die Verdauung sind, ist noch immer nicht ganz klar", merkt Frazier an. Bakterien könnten - wie beim Menschen - den Verdauungsprozess unterstützen. Die neu entdeckten Proteine könnten dazu dienen, die mikrobielle Aktivität einzuschränken, wie Hamada vorschlägt, es ist jedoch ebenso gut möglich, dass sie andere Funktionen erfüllen, die bislang nicht verstanden sind, erklärt er. "Zu wissen, dass sie da sind, ist jedoch schon ein großer Schritt… wir müssen herausfinden, was sie tun", fügt Frazier hinzu.

1 Hatano, N. & Hamada, T. J. Prot. Res. doi:10.1021/pr700566d (2008)

Dieser Artikel wurde erstmals am 28.1.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.546 Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Matt Kaplan

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