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Forschende installieren Messstation auf dem Eisschild

© The Geological Survey of Denmark and Greenland, GEUS

Nach uns die Grönland-Flut: Deutlicher Meeresanstieg durch Eisschwund nicht mehr vermeidbar

Modellierungen des grönländischen Eisschilds sind komplex. Messungen zeigen, wie stark er den Meeresspiegel mindestens steigen lassen wird.

Selbst bei einem sofortigen Stopp des Ausstoßes von Treibhausgasen würde der Eisverlust auf Grönland den Meeresspiegel weltweit um gut 27 Zentimeter steigen lassen, den größten Teil davon noch in diesem Jahrhundert.

Die Abschätzung beruht nicht auf Berechnungen mit Computermodellen, sondern auf Messungen aus den Jahren 2000 bis 2019. Eine Gruppe um Jason Box vom Geological Survey of Denmark and Greenland in Kopenhagen hat ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Nature Climate Change“ veröffentlicht.

Mit Modellrechnungen lasse sich nicht genau vorhersagen, was mit dem Grönländischen Eisschild im Zuge der Erderwärmung passiert, erläutern die Forschenden. Sie verfolgten deshalb in Ergänzung einen Ansatz, bei dem durch Messungen vor Ort und per Satellit die Eismenge bestimmt wird, die durch die Erderwärmung instabil geworden ist.

Konkret bestimmten sie eine Schneegrenze des Eisschildes, die zwischen dem höher gelegenen zentralen Bereich des Eises liegt, wo gefallener Schnee auch im Sommer nicht abtaut, sondern bei weiterem Schneefall zu Eis verdichtet wird. Am tiefer gelegenen Rand des Eisschildes schmelzen der im Winter gefallene Schnee und auch das Eis darunter teilweise ab. Dies werde sich fortsetzen, auch wenn sich das regionale Klima nicht weiter erwärmt.

Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass der größte Teil des verursachten Meeresspiegelanstiegs in diesem Jahrhundert stattfinden wird.

Jason Box vom Geological Survey of Denmark and Greenland

Box und Kollegen bestimmten den Anteil dieses Eises auf 3,3 Prozent der gesamten Eismasse. Das entspricht 110 000 Kubikkilometern Eis. „Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass der größte Teil des verursachten Meeresspiegelanstiegs in diesem Jahrhundert stattfinden wird“, erklärt Box.

Weiterhin zeigen die Messungen, dass die Eisverluste im Süden und im Westen der Insel erheblich größer sind als im Osten und im Norden. Computermodelle würden diese Unterschiede nicht gut abbilden, schreiben die Wissenschaftler.

Minimalabschätzung könnte übertroffen werden

Die 27 Zentimeter sind eine Minimalabschätzung. „Realistisch gesehen wird sich diese Zahl in diesem Jahrhundert mehr als verdoppeln“, so Box. Die Forschenden gelangten zu dieser höheren Abschätzung, indem sie der Berechnung die Daten des Jahres 2012 mit der höchsten bisher gemessenen Schmelzrate zugrundelegten. In diesem Fall würde das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes zu einem Meeresspiegelanstieg von mehr als 78 Zentimetern führen.

Als Beispiele für neuere Prozesse, die den Eisschwund vorantreiben, nennen die Forscher unter anderem den Verlust schwimmenden Schelfeises, eine Beschleunigung der inneren Eisbewegungen, mehr Regen auf die Oberfläche und eine biologisch bedingte Verdunklung der Eisoberfläche, die die Aufnahme von Wärme und das Schmelzen verstärkt.

Der Grönländische Eisschild bedeckt gut vier Fünftel der Gesamtfläche der größten Insel der Erde. Seine Fläche ist etwa fünfmal so groß wie die Deutschlands. Nur der Eisschild der Antarktis ist größer. Die Insel ist besonders stark vom Klimawandel betroffen, da sich die Arktis deutlich stärker erwärmt als jede andere Region der Erde.

Der Grönländische Eisschild trägt derzeit hauptsächlich zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Sein Schmelzen hat innerhalb von knapp 20 Jahren bereits rund 1,2 Zentimeter weltweiten Meeresspiegelanstieg verursacht, wie das dänische Polar Portal im Februar mitteilte.

Seit dem Beginn entsprechender Messungen im April 2002 habe die grönländische Eisdecke rund 4700 Gigatonnen verloren - das sei genug, um die gesamten USA einen halben Meter unter Wasser zu setzen. Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen.

Stefan Parsch - dpa

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