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Schon jetzt zu heiß: Forscher erwarten bis 2100 einen Temperaturanstieg von 2,2 bis 3,4 Grad. Nicht nur Dürren, wie hier bei Kapstadt, sind die Folge.

© Halden Krog/dpa

Neue Studie: Klima könnte sich weniger stark erhitzen

Bisher sagt der Weltklimarat voraus, die Atmosphäre werde sich weiter aufheizen. Eine neue Studie bestätigt das – geht aber von einem geringeren Temperaturanstieg aus.

Durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas sind in den vergangenen 150 Jahren mehr als 1500 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Dort hält sich das Treibhausgas viele Jahrzehnte – und hat bereits dazu geführt, dass sich die Temperatur im weltweiten Durchschnitt um etwa ein Grad erhöhte.

Dieser Zusammenhang ist in der Klimaforschung mit sehr großer Sicherheit bestätigt worden. Doch weniger klar ist, wie es weitergehen wird. Denn Klimaforscher wissen zwar mit Sicherheit, dass Kohlendioxid die Erderwärmung antreibt, konnten aber bisher nur abschätzen, wie stark dieser Effekt ist. Nun hat ein britisches Forscherteam um Peter Cox von der University of Exeter einen Weg gefunden, diese Unsicherheit zu verringern, und berichtet darüber im Wissenschaftsmagazin „Nature“.

Ursprünglich wurde ein Anstieg um bis zu 4,8 Grad erwartet

Das ist ein Fortschritt, denn die Unsicherheit überträgt sich auf die Computersimulationen der Zukunft. Klimaforscher machen Annahmen darüber, wie viele Treibhausgase aus den verschiedenen menschlichen und natürlichen Quellen künftig in die Atmosphäre gelangen werden und berechnen daraus den Temperaturanstieg. Je stärker das Kohlendioxid wirkt, umso stärker steigt die Temperatur. Auf diese Weise berechnen Wissenschaftler im Auftrag der Politik zum Beispiel, wie warm es am Ende dieses Jahrhunderts sein wird, wenn nichts gegen den Klimawandel getan wird und die Emissionen weiter steigen wie zuletzt.

Die Antwort des Weltklimarats IPCC, der den Stand der Forschung zusammenfasst, lautete bisher: Im schlimmsten Fall steigen die Temperatur um weitere 2,6 bis 4,8 Grad. Genauer ging es bisher nicht – nicht zuletzt, weil unklar war, wie stark Kohlendioxid auf den Treibhauseffekt wirkt. Peter Cox und seine Kollegen schließen die hohen Werte nun aus. Das bedeutet, dass die Temperaturen nicht so stark steigen dürften, wie man bisher befürchten musste. Doch das ist nur die halbe Geschichte.

Klimavertrag fordert weniger als zwei Grad Erderwärmung

Die Politik fragt natürlich auch, wie schnell die Emissionen sinken müssen, um die Ziele des Weltklimavertrags von Paris einzuhalten. Vor zwei Jahren hat sich die Staatengemeinschaft dazu verpflichtet, den zusätzlichen Temperaturanstieg auf deutlich unter ein Grad zu begrenzen. Dazu sagte der IPCC bisher: Wenn die Emissionen in den nächsten 50 Jahren praktisch auf null zurückgefahren werden, gibt es eine gute Chance, unter einem Grad zu bleiben.

Peter Cox und seine Kollegen schließen allerdings auch die extrem niedrigen Werte aus, sodass man eben nicht hoffen darf, dass der Temperaturanstieg besonders schwach ausfällt. Damit sinkt die Hoffnung, dass man den zusätzlichen Temperaturanstieg auf ein halbes Grad begrenzen könnte, obwohl der Weltklimavertrag „Anstrengungen“ fordert, auch dieses schärfere Ziel einzuhalten.

2,2 bis 3,4 Grad wahrscheinlicher

Die Wirksamkeit von Kohlendioxid wird in der Klimaforschung als „Klimasensitivität“ bezeichnet. Sie gibt an, wie stark die Temperatur steigen würde, wenn man die Konzentration des Treibhausgases in der Luft verdoppeln und einige Jahrzehnte warten würde, bis sich die Temperaturen auf das höhere Niveau eingependelt hätten. Der Weltklimarat sagte bisher: Die Temperaturen steigen in diesem Gedankenexperiment wahrscheinlich um 1,5 bis 4,5 Grad. Peter Cox und seine Kollegen verkürzen die Spanne auf 2,2 bis 3,4 Grad. Sie senken also die obere Grenze, heben aber auch die untere Grenze an. Weil der Mittelwert ungefähr gleich bleibt – beim IPCC sind es 3,0 Grad, bei Peter Cox 2,8 Grad –, darf man die neue Studie auch als Bestätigung der bisherigen Forschung lesen.

Vorschnell wäre es jedoch, in dieser Studie die letzte, definitive Aussage der Wissenschaft zu sehen, denn sie ergänzt eine Sammlung von mehr als 150 Untersuchungen, die es zu diesem Thema schon gibt. Erst im Dezember kam ein anderes Forscherteam im Magazin „Nature“ zum entgegengesetzten Ergebnis, dass der Temperaturanstieg noch stärker ausfallen könnte, als man bisher für möglich gehalten hat. Die Forschung geht also weiter, und der Weltklimarat wird die neue Arbeit in seinem nächsten Überblick, der 2021 erscheinen soll, berücksichtigen – so wie alle anderen Studien auch.

Auch Überflutungen werden häufiger erwartet.
Auch Überflutungen werden häufiger erwartet.

© picture alliance / dpa

Für die Forschung – und damit für die bestmögliche Beratung der Politik – ist die Arbeit von Peter Cox und seinen Kollegen jedoch sehr wichtig. Denn sie haben einen Weg gefunden, die Klimasensitivität aus den Temperaturdaten der vergangenen Jahrzehnte abzuleiten: Das Team wies nach, dass nur Computersimulationen mit einer mittleren Klimasensitivität die Temperaturschwankungen von Jahr zu Jahr erklären können. Das „Science Media Center“ Deutschland, das Stellungnahmen von Forschern zu aktuellen Themen sammelt, hat eine Reihe von Klimaforschern zu der Arbeit von Cox befragt. Sie loben die Methodik. Doch auf die Frage, was sich nun in den Klimaszenarien ändern werde, lautet ihr Fazit: nicht so viel.

"Information wird nicht zu Erdrutsch in Klimaverhandlungen führen"

Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung fasst es so zusammen: „Die neue Studie stärkt die Folgerungen des IPCC, indem sie mit einer neuen, unabhängigen Methodik ein weiteres Mal bestätigt, dass die Klimasensitivität am wahrscheinlichsten um die drei Grad liegt.“ Und sein Kollege Joeri Rogelj vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Österreich ergänzt, dass sich die Klimapolitik eher an den Mittelwerten als an den Extremen orientiere: „Daher wird diese Information nicht zu einem Erdrutsch in den internationalen Klimaverhandlungen führen.“

Alexander Mäder

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