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Braucht es bald keine Organspendeausweise mehr?

© dpa/Rolf Vennenbernd

Organspende: Bundesrat will Widerspruchslösung

Für eine Organspende ist bislang eine aktive Zustimmung nötig. Diese Regelung sei gescheitert, sagt eine Mehrheit im Bundesrat und fordert die Bundesregierung jetzt zur Umsetzung der Widerspruchslösung auf.

Die Bundesländer dringen angesichts der seit Jahren niedrigen Zahlen von Organspenden auf eine grundlegende Änderung der rechtlichen Regeln hierfür. Anstelle der geltenden erweiterten Zustimmungslösung solle eine Widerspruchslösung treten, heißt es in einer am Freitag angenommenen Entschließung.

Die betroffenen Familien, die auf eine Organspende schon lange warten, haben unseren Mut verdient, neu zu entscheiden.

Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister

Damit wäre für die Organentnahme nicht mehr die Zustimmung des Betroffenen oder eines engen Angehörigen beziehungsweise eines Bevollmächtigten erforderlich. Vielmehr gälte grundsätzlich jeder Mensch als Organspender, es sei denn, er hat dem zu Lebzeiten widersprochen, oder einer der nächsten Angehörigen macht dies nach seinem Tod.

Bundesregierung soll Widerspruchslösung umsetzen

In dem angenommenen Entschließungsantrag wird die Bundesregierung aufgefordert, mit einem Gesetzentwurf dafür zu sorgen, dass diese Widerspruchslösung in das Transplantationsgesetz aufgenommen wird. Die bisherige Regelung habe sich in der Praxis nicht bewährt, heißt es zur Begründung. Trotz intensiver Informationskampagnen habe nach Umfragen nur rund ein Drittel der Bevölkerung eine selbstbestimmte Entscheidung über Organspende getroffen und in einem Ausweis festgehalten. In der Praxis liege bei weniger als 20 Prozent der Fälle möglicher Spender ein schriftlich dokumentierter Wille vor.

Deutschland leistet bei weitem nicht den Beitrag zur Organspende, den es leisten könnte und müsste. Dafür schäme ich mich ehrlich gesagt vor unseren Nachbarn.

Ina Czyborra, Berliner Gesundheitssenatorin (SPD)

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begrüßte die Initiative des Bundesrats und warb erneut für einen neuen Anlauf im Bundestag für eine Widerspruchslösung. „Die betroffenen Familien, die auf eine Organspende schon lange warten, haben unseren Mut verdient, neu zu entscheiden“, sagte der SPD-Politiker dem „Stern“. Ein erster Anlauf im Bundestag war 2020 gescheitert. Beschlossen wurde eine moderatere Regelung, wonach Organspenden nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt bleiben. Stärkere Aufklärung soll aber mehr Bürger dazu bewegen, über eine Spende nach dem Tod zu entscheiden. Ein neues Register als Kernstück der Reform wurde bisher nicht eingerichtet.

Angehörige überfordert

In der Entschließung des Bundesrates heißt es: „In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle müssen die Angehörigen entscheiden, die häufig in der akuten Situation des Todes einer beziehungsweise eines nahen Angehörigen mit der Entscheidungslast überfordert sind und dann ablehnend oder gar nicht entscheiden.“

In ihr wird darauf hingewiesen, dass am 1. Januar 2023 insgesamt 8505 Patientinnen und Patienten auf der aktiven Warteliste gestanden hätten. Im Jahr davor seien nur 2662 Organe gespendet worden. „Deutschland gehört in der Organspende zu den Nehmerländern und leistet bei weitem nicht den Beitrag zur Organspende, den es leisten könnte und müsste“, sagte Berlins Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD). „Dafür schäme ich mich ehrlich gesagt vor unseren Nachbarn.“ (dpa)

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