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Wissen: „Pauling statt Haber“

Forscher fordern neuen Namen für Berliner Institut

Wie nah in der deutschen Wissenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts Höhen und Abgründe lagen, kann man gut an der Biografie des Chemikers Fritz Haber sehen. Einerseits erhielt Haber den Nobelpreis, weil er die Synthese von Ammoniak – eine wichtige Voraussetzung für die Herstellung von Düngemitteln – erfand. Andererseits wirkte er maßgeblich am Einsatz von Giftgas im Ersten Weltkrieg mit.

Noch heute trägt ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) seinen Namen: das Fritz-Haber-Institut in Berlin-Dahlem, von dem auch der Chemie-Nobelpreisträger von 2007, Gerhard Ertl, kommt. Eine Umbenennung des Instituts fordern jetzt die Bremer Chemiker Dieter Wöhrle und Wolfram Thiemann sowie das Bremer Friedensforum. Wegen Habers „Missbrauch der Chemie für eines der schrecklichsten Kapitel der Kriegsführung“ sei es „nicht mehr zu rechtfertigen“, ein Institut nach ihm zu benennen, heißt es in einem im Internet veröffentlichten Aufruf. Das Institut feiere in diesem Jahr sein hundertjähriges Jubiläum und könne sich mit einer Umbenennung „einen guten Dienst“ tun.

Haber war der erste und langjährige Direktor der 1911 als Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie gegründeten Einrichtung. Im Ersten Weltkrieg trieb Haber als Leiter der Zentralstelle für Fragen der Chemie im Kriegsministerium die Verwendung von Chlorgas als Angriffsmittel voran. Das führte 1915 zum ersten großen Gasangriff der Militärgeschichte im belgischen Ypern, bei dem über 1000 Menschen starben. Haber begab sich selber an die Front, um sich von der Wirkung des Gases zu überzeugen. Schon die Verleihung des Nobelpreises 1919 an Haber löste Proteste aus, wie Wöhrle und Thiemann in einem Aufsatz schreiben. Noch 1923 verteidigte Haber vor dem Reichstag den Einsatz des Giftgases als „unbestrittenen militärischen Erfolg“.

Nach der Machtergreifung der Nazis musste Haber, der einen jüdischen Hintergrund hatte, 1933 emigrieren. Ein Jahr später starb er im Exil. Als das Institut Anfang der fünfziger Jahre in die MPG eingegliedert wurde, erhielt es Habers Namen. Das Bremer Friedensforum schlägt jetzt als Namenspatron den US-Chemiker Linus Pauling vor, der nicht nur den Chemie-Nobelpreis erhielt, sondern 1963 auch den Friedensnobelpreis für seinen Einsatz gegen Atomwaffen.

Die MPG lehnt eine Umbenennung ab. Eine Sprecherin teilte mit, man sei sich der „problematischen Rolle Habers im Ersten Weltkrieg“ sehr wohl bewusst, es habe schon öfter Forderungen nach einer Umbenennung gegeben. Die Namensgebung sei aber im Hinblick auf Habers Schicksal im Dritten Reich erfolgt, seine wissenschaftlichen Leistungen zudem unbestritten. Der Name erinnere gleichermaßen an Licht und Schatten der deutschen Grundlagenforschung. Derzeit laufe ein Projekt zur Institutsgeschichte. tiw

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