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Schwere Jungs. Die Mitglieder der Roboterband Compressorhead bringen immerhin zweieinhalb Tonnen auf die Waage.

©  Kolb

Roboterpunk: Rage Around the Machines

Die Berliner Punkband Compressorhead besteht ausschließlich aus Robotern – ein Besuch im Proberaum.

Schon als Teenager träumte Markus Kolb von einer Roboterband. Zwanzig Jahre später ist aus dem Traum eine Lebensaufgabe geworden. Heute arbeitet er mit seinen Kollegen in einer Industriehalle in Spandau, umringt von seinen mannshohen Kreaturen, die sie gemeinsam erschaffen haben. Stumm und stählern stehen sie da und lassen ihre Köpfe hängen. Manchen wurde das Instrument zu Wartungszwecken abgenommen. Etwas jämmerlich wirken sie mit ihren ausgestreckten Armen.

Doch sobald Strom durch ihre Adern fließt, wird Compressorhead zu einem futuristischen Spektakel. In der Qualität, da ist sich Markus Kolb sicher, sind seine Geschöpfe weltweit einzigartig. In jedem Roboter stecken Jahre der Entwicklung, tausende Arbeitsstunden und zehntausende Euro an Materialkosten.

78 Finger und drei Arme

Das neueste Mitglied heißt „Mega-Wattson“. Er ist der lang ersehnte Sänger und beherrscht nicht nur zahlreiche der gängigen Rockstarposen, sondern bringt eine eigens für ihn entwickelte T-Shirt-Kanone mit, die Merchandise im Publikum verteilt.

Begleitet wird „Mega-Wattson“ von einem Gitarrenroboter mit 78 Hydraulik-Fingern, einem Schlagzeugroboter mit drei Armen und einem Bassisten, der mit seiner feinmotorischen Programmierung auf die Millisekunde genau seine Saiten anschlägt. Bei so viel technischer Präzision können selbst Studiomusiker einpacken. „Die größte Herausforderung ist es für uns, dass die Musik nicht zu mechanisch klingt“, sagt Kolb.

Um die technische Verfeinerung des Spielgefühls kümmert sich ein sechsköpfiges menschliches Team. Die meisten Fertigkeiten für das Projekt Compressorhead haben sie sich autodidaktisch erschlossen, auch Platinen und Software entwickelten sie selbst.

Eigenes Album eingespielt

Nur der Kreativposten war vakant. Jahrelang spielte die Band Coversongs von ACDC, Nirvana oder den Ramones. Bis bei Compressorhead der Wunsch reifte, eigene Kompositionen zu erschaffen. Als Anhänger der legendären kanadischen Punk-Band Nomeansno schrieb Kolb kurzerhand deren Schlagzeuger John Wright an. Dieser musste nicht lange nachdenken und landete kurz darauf mit ersten fertigen Songs im Gepäck in Berlin.

Wrights Begeisterung war so groß, dass er nicht nur eine Platte für Compressorhead schrieb, sondern „Mega-Wattson“ auch seine Stimme lieh. Der Rest des Albums wurde hingegen komplett von den Robotern eingespielt. Ende November wird „Party Machine“ veröffentlicht. Einige Lieder davon präsentiert die Band vorab am 16.September im Futurium in Berlin.

Keine Angst vor Robotern

Mittlerweile erhält Compressorhead Anfragen aus der ganzen Welt. Oft stehen der enorme Aufwand und die immensen Transportkosten im Weg – immerhin wiegt die komplette Band zweieinhalb Tonnen. Trotzdem flog sie bereits nach New York, Moskau und Sidney.

Roboter sind den Menschen in vielen Belangen überlegen – vielleicht bald auch in der Musikkomposition? „Angst vor Robotern sollte niemand haben“, sagt Kolb, „sie sollten den Menschen in erster Linie Spaß machen." Auch wenn die Sex Pistols mit "No future" einst den Slogan der englischen Punk-Bewegung prägten: Nie war eine Punkband zukunftsweisender als Compressorhead.

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