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Austausch. Sprache bringt Menschen zusammen.

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Salon Sophie Charlotte: Die Stimmen Europas

24 Amtssprachen und eine Hymne ohne Text: Manchmal tun sich die Europäer etwas schwer mit der Verständigung. Das zeigt der Salon Sophie Charlotte zum Thema "Europa - ein Zukunftsort" an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Was England und die USA trenne, sei ihre gemeinsame Sprache, hat George Bernhard Shaw gesagt. Eine ähnliche Äußerung wird dem Spötter Karl Kraus für Deutschland und Österreich zugeschrieben, und natürlich wurde sie auch auf die Bundesrepublik und die DDR gemünzt. Wenn eine gemeinsame Sprache trennen kann – sind dann 24 Amts- und Arbeitssprachen nicht doch nützlich, wenn sich Länder eines Kontinents zusammenschließen? Oder droht der Europäischen Union eine babylonische Sprachverwirrung? „Braucht Europa so viele Sprachen?“ – das war eine der Fragen, denen sich der „Salon Sophie Charlotte“ in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) unter dem Titel „Europa – ein Zukunftsort“ am Samstag widmete.

Ein früher Europäer, der bereits mit 13 Jahren französisch sprach und die alten Sprachen beherrschte, später auch Englisch, Italienisch, Baskisch, Tschechisch, dazu Chinesisch und Sanskrit lernte, war Wilhelm von Humboldt. Sprache war für ihn „der Odem, die Seele der Nation selbst“. In jungen Jahren sei der Vielgereiste sehr an der Abgrenzung europäischer „Nationaleigenthümlichkeiten“ interessiert gewesen, berichtete Bettina Lindorfer, Leiterin der Wilhelm-von-Humboldt-Arbeitsstelle der BBAW. Doch hätten ihn später die klischeehaften Zuschreibungen immer weniger befriedigt. Einzig die Sprachen blieben.

Der Wechsel in eine andere Sprache bedeute, dass das Leben eine andere Klangfarbe annehme, befand 200 Jahre nach Humboldt auch der Schriftsteller Pascal Mercier, als Akademiemitglied und Philosophieprofessor bekannt unter dem Namen Peter Bieri. Der Schweizer plädierte eindrücklich für das Erlernen fremder Sprachen, in dem immer auch ein „Anerkennen der fremden Lebensform“ stecke. Allenfalls „auf der Ebene des Pragmatismus“ könne man eventuell zu einer europäischen Einheitssprache kommen.

„Weder Flüsse noch Gebirge bilden Landesgrenzen noch“, so lautete ein Vorschlag für eine Europa-Hymne in der Einheitssprache Esperanto, die sich bekanntlich nicht durchsetzte. Vom Weg zur derzeitigen Hymne berichtete Albrecht Riethmüller von der Freien Universität Berlin. „Hymnen sind immer Migranten gewesen, ihre Melodien wanderten von der Monarchie zur Demokratie, vom kirchlichen zum weltlichen Kontext, von Land zu Land.“ 1971 kam bei einem Treffen des Ständigen Ausschusses des Europarats erstmals der Vorschlag, Beethovens „Ode an die Freude“ als Vorlage für die Hymne des vereinten Europa zu wählen, später musikalisch arrangiert von Herbert von Karajan – und vorerst ohne Text.

Über zu viel politische Sprachlosigkeit klagten in einer überzeugenden Talkshow zum Thema „Europa vor der Wahl: Populismus oder Politisierung“ die drei Berliner Politikwissenschaftler Tanja Börzel, Thomas Risse und Michael Zürn. Es werde zu wenig über Europa gesprochen und auch gestritten, sagte Börzel. Sie vermutet, dass am 25. Mai die Wahlbeteiligung erneut niedrig sein wird. Zürn konstatierte eine „Schere zwischen realer Bedeutung der EU und fehlender politischer Auseinandersetzung“.

Der senegalesische Historiker Ibrahima Thioub schaute in seinem Vortrag „Und wenn die Zukunft Afrikas in Europa läge?“ gewissermaßen von außen auf den Kontinent. Demnach sei nicht die Sprachenvielfalt das Problem, sagt er, sondern eher ein eurozentristisch eingeschränkter Blick.

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