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Den Kopf trainieren. Heimbewohnerinnen an einer riesigen Rechentafel. Foto: p-a/zb

© picture-alliance/ ZB

Studie: Schicksal Alzheimer?

Eine Studie versucht zu beantworten, ob man dem Hirnleiden vorbeugen oder es hinauszögern kann.

Alzheimer ist eine Krankheit, die auch große Geister nicht verschont, wie das Beispiel des Tübinger Publizisten Walter Jens zeigt. Ob es einen erwischt oder nicht, das ist auch heute noch vermutlich weitgehend vom Schicksal bestimmt. Es gibt nur wenig Möglichkeiten, dem mit der Alzheimer-Krankheit einhergehenden geistigen Verfall vorzubeugen oder dessen Fortschreiten zu verlangsamen. Zumindest existieren keine stichhaltigen wissenschaftlichen Belege für einen Schutz vor Alzheimer, sagen amerikanische Experten. Selbst Sport, Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Gehirntraining oder die Einnahme von Medikamenten haben nach heutigem Wissensstand allenfalls eine sehr begrenzte Wirkung.

„Die Alzheimer-Krankheit ist eine gefürchtete Krankheit, die einem das Herz bricht“, sagt Martha Daviglus von der Northwestern University in Chicago. „Ich wünschte, wir könnten den Leuten sagen: Nehmt eine Pille und löst jeden Tag ein Puzzle, und ihr seid vor diesem schrecklichen Leiden geschützt. Aber zurzeit gibt es dafür keine Belege.“

Die Wissenschaftlerin leitete ein Gremium von 15 unabhängigen amerikanischen Experten, die in der letzten Woche in den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA in Bethesda bei Washington zusammenkamen. Dort diskutierten sie einen mehr als 700 Seiten umfassenden Report, in dem 250 wissenschaftliche Einzelstudien und 25 Übersichtsarbeiten (Metastudien) zum Thema geistiger Niedergang und Alzheimer ausgewertet wurden (im Internet unter www.nih.gov). Der Bericht war von den US-Gesundheitsinstituten in Auftrag gegeben worden.

Schwerer geistiger Verfall, Demenz genannt, macht sich am ehesten durch ein Versagen beim Bewältigen des Alltags bemerkbar. Er kann verschiedene Ursachen haben. Die häufigste ist mit 60 bis 80 Prozent Alzheimer. Bei der Krankheit sammeln sich im Gehirn auffällige Eiweißklumpen, Amyloid, und Eiweißfasern, Fibrillen, an. Hauptrisiko ist das Alter.

Die zweithäufigste Ursache ist die vaskuläre Demenz, Durchblutungsstörungen infolge verkalkter Gefäße. Häufig überlagern sich Alzheimer und vaskuläre Demenz. Außerdem gibt es viele Menschen in höherem Lebensalter, die zwar geistig nicht mehr fit, aber noch nicht dement sind. Schleichende Übergänge und Abgrenzungsprobleme zwischen den Demenzformen machen es schwierig, eindeutige Maßstäbe für wissenschaftliche Studien zu finden.

Ein häufiges Problem von Alzheimer-Untersuchungen ist zudem das unklare Verhältnis von Ursache und Wirkung. Martha Daviglus vergleicht die Situation mit dem Henne-Ei-Dilemma: „Sind Menschen im Alter geistig fit, weil sie sich viel bewegen und sozial aktiv sind, oder sind sie sportlich und sozial engagiert, weil sie geistig fit sind? Eine Assoziation weist darauf hin, dass zwei Dinge zusammenhängen – aber nicht darauf, dass das eine das andere bedingt.“

Die Forscher haben Antworten auf folgende Fragen gegeben:

Welche Faktoren könnten das Alzheimer-Risiko verringern? „Gegenwärtig gibt es noch nicht einmal bescheidene Belege für eine Verbindung zwischen bestimmten veränderbaren Einflüssen (Nahrungsergänzungsmittel, Kräuterprodukte, Ernährung, Medikamente, soziale und ökonomische Faktoren, Gesundheitszustand, Gifte, Umwelteinflüsse) und einem verringerten Auftreten von Alzheimer“, sagen die Forscher. Vorbeugung: Fehlanzeige.

Wie kann man Alzheimer verzögern? Zwar gibt es viele Ansätze, um die Krankheit mit Medikamenten, Vitaminen oder Ähnlichem abzumildern. Aber die Belege reichen nicht aus, um auf eine Wirksamkeit zu schließen.

Wie kann man den Intellekt ganz allgemein fit halten? Auch zu dieser Frage bieten die Studien zu wenig eindeutige Hinweise. Einen geringen Schutz durch Gehirntraining (Übungen, die das Gedächtnis und logisches und rasches Denken fördern) glauben die Forscher jedoch ausgemacht zu haben.

Gibt es Faktoren, die sowohl für Alzheimer als auch für allgemeinen geistigen Verfall von Bedeutung sind? Zuckerkrankheit, eine Variante des Gens ApoE, Rauchen und Depression erhöhen das Risiko für beide Störungen. Eine mediterrane Küche, geistige Interessen und viel Bewegung könnten beide günstig beeinflussen, doch eindeutig bewiesen ist das nicht.

Das Ergebnis der Studie ist auf den ersten Blick wenig erfreulich. Allerdings weisen die Forscher darauf hin, dass der eine oder andere Faktor die Alzheimer-Gefahr durchaus senken könnte. Aber Indizien sind noch keine Beweise.

Die Wissenschaftler fordern deshalb, die Krankheit besser als bisher zu erforschen und bei den Studien mit Patienten mehr Gründlichkeit, Klarheit und Qualität anzustreben. Wir wissen, dass wir zu wenig wissen: Zumindest das ist gewiss. Höchste Zeit für frischen Wind in der Alzheimer-Forschung.

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