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Bin ich schön? Angebliche Problemzonen und nicht altersgerechtes Aussehen sind für manche Frauen ein zunehmend wichtiges Gesprächsthema.

© dpa

Gesundheit: Seh’ ich nicht ziemlich alt aus?

Frauen klagen häufiger über angebliche Problemzonen. Neben diesem „Fat Talk“ gibt es inzwischen ein weiteres Thema: die Angst, nicht mehr jung auszusehen.

Gespräch auf dem Pausenhof: „Hast du eine neue Jeans? Sieht super aus. Mir würde so eine enge gar nicht stehen, dafür bin ich viel zu fett!“ „Übertreib’ nicht. Was soll ich da erst sagen: Guck dir mal meine Oberschenkel an!“ Die Anthropologin Mimi Nichter von der Universität von Arizona prägte für diese Art von Unterhaltungen in ihrer Studie über weibliche Teenager aus dem Jahr 2001 den Begriff „Fat Talk“. Seitdem ist in den USA eine Fülle weiterer Untersuchungen gelaufen, die zeigen: Frauen aller Altersgruppen bezeichnen sich in Gesprächen mit Geschlechtsgenossinnen oft als zu dick, beschwichtigen aber andere Frauen, die das von sich behaupten, und loben das gute Aussehen von Freundinnen oft mit der Bemerkung: „Hast du abgenommen?“

Nichter sieht die Abläufe des Fat Talk eher als soziales Ritual, als Möglichkeit, Frauensolidarität herzustellen und Freundschaften zu stabilisieren. Mit jedem dieser Gespräche werde aber auch das Schlankheitsideal der Medien gefestigt, die Unzufriedenheit von Frauen mit ihrem eigenen Körper verstärkt und Essstörungen Vorschub geleistet, fürchten Kritiker. Fitnessstudios, in deren Umkleiden sie sich oft abspielen, haben deshalb schon Fat-Talk-freie Wochen ausgerufen, in denen keine Bemerkung über die eigene Figur oder die anderer fallen darf.

Doch genau von dort kam eine neue Klage, und ihr widmet sich Carolyn Black Becker von der Trinity University in San Antonio und ihre amerikanisch-englische Arbeitsgruppe nun in einer Studie, die gerade im „Journal of Eating Disorders“ erschienen ist: Eine befreundete Pilates-Trainerin machte die Psychologin darauf aufmerksam, dass immer mehr Teilnehmerinnen ihrer Kurse sich bei anderen Frauen über ihre Falten, ihre Augenringe und ihre welke Haut beklagen.

Haben die Forscher über der allgegenwärtigen Angst, zu dick zu sein, eine wachsende andere Sorge vergessen? Ist auch „Old Talk“ in einer Gesellschaft, die die Kombination von Schlankheit und Jugend zu ihrem Schönheitsideal erklärt hat, eine ernste Bedrohung für die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper?

Um das herauszufinden, hat Carolyn Black Becker zusammen mit ihrer Kollegin Phillippa Diedrichs von der Universität Bristol insgesamt 914 Frauen zwischen 18 und 87 Jahren aus den USA, Großbritannien und Australien einen ausführlichen Online-Fragebogen zu beiden Themen vorgelegt.

Die überwältigende Mehrheit der Frauen gab an, zumindest ab und zu die klassischen Fat Talks zu führen. Allerdings konnten die Forscherinnen feststellen, dass diese Art von Gesprächen mit zunehmendem Alter der Teilnehmerinnen seltener wurde, obwohl mit dem Alter auch deren Gewicht zunahm. Zwischen den Frauen unter 30 und den Frauen über 60 gab es in dieser Hinsicht einen deutlichen Unterschied. In der mittleren Altersgruppe allerdings, die von der Forschung bisher nicht berücksichtigt wurde, schlagen die Frauen sich offensichtlich mit zwei großen Sorgen herum: Sie fühlen sich zu dick und zu alt.

Die überwiegende Mehrheit gab an, zumindest ab und zu ein Gespräch über das „Alt-Aussehen“ mit anderen Frauen zu führen, mit allem Drum und Dran, vom Sich-Beklagen über Fältchen und fahlen Teint über die beruhigenden Worte der Gesprächspartnerin und ihre kleinen Ratschläge bis zum trotzigen Beharren auf dem Lamento. Diese Art von Konversationen nahm mit dem Alter zu. Die Frauen der Altersgruppe 60 plus führten sie häufiger als die klassischen Fat Talks. 97 Prozent aller Frauen waren in der letzten Zeit auch durch die Medien mit solchen Gesprächen konfrontiert gewesen. Welche Folgen es hat, wenn sich in Fernseh- und Kinofilmen Schauspielerinnen darüber unterhalten, dass sie zu alt oder zu dick sind, möchten die Wissenschaftlerinnen nun ergründen.

Die bisherige Forschung liefert zahlreiche Hinweise dafür, dass Unzufriedenheit mit dem eigenen körperlichen Erscheinungsbild die physische und psychische Gesundheit gefährdet. Essstörungen sind sicher das wichtigste Beispiel dafür. Carolyn Black Becker und ihre Mitstreiterinnen finden es aber wichtig, die Aufmerksamkeit von der Unzufriedenheit mit dem Gewicht auf andere Bereiche auszudehnen. „Wir müssen daran denken, dass zum Schlankheitsideal das Ideal der Jugendlichkeit gehört, und das gewinnt für die negative Wahrnehmung des eigenen Körpers an Bedeutung, wenn Frauen älter werden, wie unsere Ergebnisse zeigen.“ Es sei zudem gut möglich, dass die heute noch ganz jungen Frauen im hohen Alter von der „Doppelbelastung“ des Dünn-und-jung-sein-Wollens noch weit mehr betroffen sein werden, als heutige Seniorinnen das schon sind.

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