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Grüne Bananen an einer Staude. Die Früchte wachsen nach oben, ins Licht. Dabei krümmen sie sich.

© Imago

Sinn des Seins: Warum wir immer nach dem "Warum" fragen

Warum ist die Banane krumm? Und warum sind wir hier? Törichte Fragen, urteilt der Biologe Richard Dawkins. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hartmut Wewetzer

Warum ist die Banane krumm? Ja, warum nur? Auf diese bewegende Menschheitsfrage findet man im Internet sachlich zutreffende Antworten. Kurz gesagt: Die Banane ist gekrümmt, weil sie seitlich aus der Staude herauswächst und sich dann nach oben krümmt, in Richtung des Lichts. Rein biologisch gesehen ist das eine hinreichende Antwort, aber leider auch ernüchternd. Es klingt netter, was der neuseeländische Kreationist Ray Comfort allen Ernstes behauptet: Seiner Meinung nach ist die Banane gekrümmt, damit wir Menschen besser von ihr abbeißen können. Sie biegt sich unserem Mund entgegen, weil sie verspeist werden möchte. Danke, Banane!

Die Comfort-Version der Banane ist unfreiwillig komisch, weil sie zwei verschiedene Arten des Zwecks durcheinanderbringt, den „alten“ und den „neuen“. Oder, wie der Evolutionsbiologe Richard Dawkins sagt, den Archi-Zweck und den Neo-Zweck. Die Krümmung der Banane ist ein Archi- Zweck. Ihre Ursache ist die Anpassung der Frucht an ihre Umgebung. Gekrümmte Bananen bekommen mehr Licht und reifen besser. Was die Banane tut, mag nach Absicht aussehen, ist aber lediglich ein evolutionär bestimmter Prozess. Gekrümmte Bananen sind reifer, und deshalb haben ihre Samen bessere Überlebenschancen, setzen sich also besser durch. Die Idee, leichter verspeist zu werden, hatte die Banane dabei nicht im Sinn.

Der Neo-Zweck ist dagegen wirklich Absicht. Unser Gehirn (und vermutlich das einiger anderer Tiere) ist in der Lage, sich Ziele zu setzen und zu planen. Wir treiben Gedankenspiele, blicken in die Zukunft, verfolgen Neo-Zwecke. Eine Banane kann das nicht, sie folgt lediglich ihrem evolutionären Programm, dem Archi-Zweck. Von dieser Art von Fernsteuerung kann der Mensch sich befreien, weil er einen Kopf zum Denken hat. Er hat Sex und vermeidet dessen Zweck, die Vermehrung. Neo-Zwecke können auch Archi-Zwecke ausbeuten. Etwa indem wir größere und süßere Bananen züchten. Oder Hütehunde einsetzen, deren wölfische Instinkte (Archi-Zwecke) beim Zusammenhalten der Schafsherde sehr nützlich sind.

Die Frage müsste "Wie" lauten, nicht "Warum"

Folgt man diesem Gedankengang, dann sieht man Warum-Fragen in einem kritischeren Licht, auch wenn sie die meisten Wissenschaftler aus guten Gründen für unverzichtbar halten. Für Dawkins und manche seiner Kollegen haben sie in der freien Wildbahn dennoch nichts verloren. Das Warum fragt nach Absicht und Ziel, in der Sphäre der „bewusstlosen“ Natur ist das unangebracht. Statt „Warum ist die Banane krumm?“ müsste es korrekt heißen: „Wie kommt es, dass die Banane gekrümmt ist?“

Geht es nach Dawkins, könnte das „Wie“ das „Warum“ weitgehend ersetzen. Früher hätte man die Ursache eines Erdbebens oder einer Sonnenfinsternis einer höheren Macht zugeschrieben, ihnen einen tieferen Sinn zugeordnet. Etwa: Warum bebt die Erde? Antwort: Weil Gott die Menschen strafen will. Heute lautet die Frage: Wie entsteht ein Erdbeben? Und bekäme als Erklärung eine geologisch korrekte Begründung. Der „Zweck“ eines Erdbebens, eines Felsbrockens oder einer Sonnenfinsternis dagegen existiert nicht.

Das Universum - blind, gleichgültig, erbarmungslos

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Dawkins die Frage „Warum existieren wir?“ für töricht hält. Der Mensch ist einfach ein Naturprodukt, er hat keinen eingebauten Zweck, anders als ein Auto oder ein Thermometer. „Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, mit denen man rechnet, wenn dahinter kein Plan, keine Absicht, kein Gut oder Böse steht, nichts außer blinder, erbarmungsloser Gleichgültigkeit“, schreibt Dawkins in seinem Buch „Und es entsprang ein Fluss in Eden“.

Die Frage „Warum bin ich da?“ verhallt Dawkins zufolge ungehört im Weltall. Nicht zufällig ist der britische Biologe im Nebenberuf Atheist. Trotzdem ist die Suche nach dem Sinn unseres Seins legitim. Sie lässt uns nicht los. Als Menschen sind wir so frei, selbst eine Antwort zu finden.

Noch einen Schritt weiter ging der Wiener Arzt und Therapeut Viktor Frankl (1905–1997). Er drehte den Spieß um und behauptete, dass es das Leben ist, das dem Menschen Fragen stellt. Wir müssen uns vor dem Leben verantworten, meinte Frankl. Die Banane, ob gekrümmt oder nicht, mag lebendig sein wie wir. Aber dieses Problem hat sie nicht.

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