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Studiensystem: Guter Bachelor, böser Bachelor

Viele Prüfungen, Anwesenheitspflicht – aber man weiß, wo man steht. Was Berliner Absolventen über das neue Studium sagen.

Ist der Bachelor schlecht? Oder doch gar nicht so übel? Die Skepsis unter Studierenden nimmt zu, wie der Studierendensurvey des Bundesministeriums für Bildung gerade gezeigt hat. Hingegen bekennen sich inzwischen 80 große Unternehmen mit ihrer Initiative „Bachelor welcome!“ zu dem Abschluss. Ziel der Reform in Deutschland ist es, die Abbrecherquoten und die Zahl der Langzeitstudierenden zu senken sowie berufsfeldbezogene Qualifikationen im Studium zu vermitteln. Deutsche Hochschulen bieten meist ein sechssemestriges Bachelorstudium an (bis zu acht Semestern wären möglich), auf das ein zwei- bis viersemestriger Master aufgesetzt werden kann. Um das Studium stärker zu strukturieren, müssen Lehrveranstaltungen in Module zusammengefasst und mit studienbegleitenden Prüfungen versehen werden – was die Wahlfreiheit der Studierenden einschränkt und zu Zeitdruck führt. Wie kommen Berliner Bachelorstudierende damit klar? Hier einige Erfahrungen.

Maren Pussak, 24, studiert im 7. Semester Sportwissenschaft an der Humboldt-Universität (keine Lehramtsoption)

Für die erste Bachelor-Generation war das Studium in meinem Fach ziemlich chaotisch. Während der letzten sieben Semester wurde die Prüfungsordnung fünfmal geändert. Weder Studierende noch Dozenten sehen wirklich noch durch. Hinzu kommt, dass wir zu Beginn jedes Semesters um die Plätze in besonders gefragten Kursen kämpfen mussten. Letztlich wurde dann im Losverfahren entschieden, wer teilnehmen darf. Positiv am Bachelorstudium finde ich die Anwesenheitspflicht, weil man dadurch gezwungen wird, ernsthafter zu studieren. Außerdem gibt die Endnote im Bachelor, in die alle Modulnoten aus dem Studium einfließen, die Leistung besser wieder. Wenn ich nicht auf Anhieb einen Masterplatz bekomme, mache ich nach dem Abschluss ein Praktikum im Sportmanagement oder im Sporttourismus. Während des Studiums habe ich zwar ein Pflichtpraktikum absolviert, aber das reicht nicht unbedingt, um zu entscheiden, in welchen Berufszweig man will. Auch eine größere Reise würde mich reizen.

Claudia Bückner, 22, studiert im 6. Semester Mathematik und Physik an der Humboldt-Universität (BA mit Lehramtsoption)

Bis jetzt bin ich ganz gut durch die sechs Semester gekommen. Sicher, wir Bachelorstudenten haben mehr Stress als die Kommilitonen im Diplomfach. Aber ich sehe das als positiven Stress, bei dem ich regelmäßig Rückmeldungen bekomme, wie mein Leistungsstand ist. Man kann den Bachelor in der Regelstudienzeit von sechs Semestern schaffen, wenn man viel Ehrgeiz und Organisationstalent mitbringt. Am schwierigsten war es, Studium, Job und Privatleben unter einen Hut zu bringen. Im Wintersemester will ich in den Master gehen, ohne den man nicht in den Lehrerberuf kommt. Mit meiner Fächerkombination ist mir ein Platz im Master ziemlich sicher. Von den Studierenden, die vor drei Jahren mit mir zusammen anfingen, haben viele abgebrochen. Von den wenigen, die durchgehalten haben und schon jetzt fertig sind, werden sie keinen zurückweisen.

Anke Hofmann, 22, studiert im 6. Semester Europäische Ethnologie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität

Seit dem Beginn meines Studiums habe ich mit dem Gedanken gespielt, auch im Ausland zu studieren. Das ist ja bei meinen Fächern fast Pflicht. Aber ich habe mich in den letzten sechs Semestern nie getraut, wirklich für ein paar Monate wegzugehen. Der Organisationsaufwand erschien mir sehr groß. Ich hatte Angst, dass es mich aus dem „Semesterrhythmus“ wirft und ich dadurch den Bachelor nicht in der Regelstudienzeit schaffe. Also habe ich mich entschieden, erst einmal alle Scheine zu machen und die Abschlussarbeit zu schreiben. Eigentlich bin ich jetzt mit meinem Studium fertig, aber ich habe eingesehen, dass mir ein Auslandsaufenthalt doch wichtiger ist als die Regelstudienzeit. Deshalb nehme ich nun im siebten Semester am Erasmus-Austausch teil. Ab September werde ich in Budapest studieren ohne Druck und frei nach Interesse. Wenn ich 2009 zurückkomme, mache ich direkt einen Master oder noch Praktika, am liebsten in der Museumsarbeit, bei einer Zeitung oder einer politischen Organisation.

Nadja Wagner, 23, studiert im 4. Semester Physikalische Ingenieurswissenschaft an der TU Berlin

Ich gehöre seit vier Semestern zu den ersten Studenten, die zu Bachelor-Ingenieuren ausgebildet werden. Inzwischen muss ich sagen, dass mir ein Diplomstudium sehr viel lieber gewesen wäre. Im Bachelor ist der Druck und die Arbeitsbelastung extrem hoch. In diesem Sommersemester hatte ich mehr als 40 Semesterwochenstunden; hinzu kamen noch zahlreiche Hausaufgaben, beispielsweise zeitaufwendige Konstruktionszeichnungen. Wenn ich meinen Abschluss habe, werde ich erst einmal ein oder zwei Semester pausieren. Dann will ich Erfahrungen im Job sammeln, Geld verdienen und vielleicht schon ein paar Kontakte zu Unternehmen knüpfen. Als Branchen wären zum Beispiel Schiff- oder Flugzeugbau interessant. Danach soll aber ein Master folgen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass wir mit dem Bachelor als vollwertige Ingenieure angesehen werden. Dazu ist das Studium zu sehr auf Überblickswissen ausgerichtet. Als Masterstudentin möchte ich dann auch ein Praktikum in Kanada machen. Im Bachelor schafft man so einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt kaum.

Lars Schulenburg, 24, studiert im 6. Semester Geschichte und Deutsche Philologie an der FU Berlin

Meine Bachelorarbeit über mittelalterliche Ordensheilige ist fertig. Bewerbungen für einen Masterplatz habe ich losgeschickt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man nur mit einem Bachelorabschluss in meinen Fächern große Berufsaussichten hat. Außerdem kann ich mir vorstellen, in die Wissenschaft zu gehen und dafür ist der Master der nächste logische Schritt. In Münster und Konstanz gibt es Masterstudiengänge, in denen man sich auf mittelalterliche Geschichte konzentrieren kann. Das ist nicht so ein überlaufenes Thema, also denke ich, dass meine Chancen auf einen Masterplatz ganz gut sind. Dass es an diesen Hochschulen auch Studiengebühren gibt, ist für mich zweitrangig. Wenn es dafür eine umfangreiche Betreuung und fachlich gute Dozenten gibt, nehme ich das in Kauf. Falls es mit dem Masterstudium doch nicht gleich klappt, werde ich versuchen, ein Jahr ins Ausland zu gehen, am liebsten nach Italien oder Frankreich. Dann würde ich von Kloster zu Kloster reisen und dabei meine Sprachkenntnisse verbessern.

Matthias Petzel, 28, studiert im 8. Semester Geographie und Geschichte an der Humboldt-Universität (BA mit Lehramtsoption)

Wahrscheinlich habe ich Glück, dass ich zu den ersten Bachelorabsolventen gehöre, die in den Lehrerberuf wollen. Im Moment werden noch alle in den Master durchgewunken. Ich glaube, wer in den nächsten Jahren einen zweiten Abschluss aufsatteln will, wird es, gerade in meinen Fächern, schwerer haben. Selbst wenn ich doch nicht sofort einen Platz bekomme, würde ich bei meiner Entscheidung für das Lehramt bleiben. Mein Orientierungspraktikum, das ich in einer Kreuzberger Gesamtschule gemacht habe, hat mich darin bestärkt. Auf den Masterplatz würde ich auch mehrere Semester warten und zwischendurch jobben gehen. Allerdings habe ich das Gefühl, ich werde an der Uni vor allem als Wissenschaftler ausgebildet. Hoffentlich werden also die Lehramts-Bachelor noch weiter reformiert, damit künftige Pädagogen besser auf die Realität vorbereitet sind. Damit die ganze Modularisierung und das verschulte Studium Sinn ergeben, braucht es außerdem dringend mehr Dozenten an den Unis. Ich habe sehr häufig in überfüllten Veranstaltungen gesessen; zudem gibt es wenig Auswahlmöglichkeiten für den Stundenplan.

Anja Hoffmann, 23, studiert im 8. Semester Publizistik an der FU Berlin

Die ersten drei Semester meines Studiums hat mir der Bachelor nicht gerade Spaß gemacht. Es war kaum möglich, in einem Semester die geforderten Leistungspunkte zu erreichen, weil sich die Macher des Studiengangs mit dem Arbeitsaufwand gehörig verschätzt hatten. Das hat sich erst nach einigen Semestern verbessert. Die hohen Anforderungen sowie zwei Praktika, die ich in den Ferien eingeschoben habe, sind der Grund, warum ich bis zum Bachelorabschluss nun acht Semester brauche. Unter meinen Kommilitonen geht es etwa 80 Prozent genauso, schätze ich. Im September gebe ich meine Bachelorarbeit ab. Im Winter werde ich erst einmal jobben und außerdem intensiv Russisch lernen. Denn im März will ich ein Praktikum in Usbekistan beginnen. Wenn ich später ein Masterstudium aufnehme, dann will ich auf jeden Fall die Fachrichtung wechseln und eher etwas Politik- oder Wirtschaftswissenschaftliches machen, beispielsweise würde mich Umweltmanagement interessieren. Dass man sich nach dem ersten Abschluss noch einmal neu orientieren kann, ist für mich der größte Vorteil der neuen Studiengänge.

Max Grenz, 22, studiert im 6. Semester Economics an der TU Berlin

Meine Erfahrungen mit dem reformierten Studium sind positiv. In meinem Fach hat ein Umdenken stattgefunden; man hat nicht versucht, einfach das Diplomstudium ins Bachelor-Master-System zu pressen. Aus dem Diplomfach wurden einige Inhalte aussortiert, für den Master neue Module zusammengestellt. Wenn ich im September meine Bachelorarbeit abgebe, werde ich nicht das Gefühl haben, dass ich einen minderwertigen Abschluss mache. Auch mit einem Economics-Bachelor dürften die Berufsaussichten gut sein. Trotzdem möchte ich gleich danach einen Master anschließen, vor allem, um mich in meinem breit aufgestellten Fach zu spezialisieren. Ich bewerbe mich für den Master „Industrial and Network Economics“. Da es derzeit noch nicht so viele Bachelorabsolventen gibt, wird wohl kein Numerus clausus erforderlich sein. Allerdings könnte sich das in den nächsten Jahren ändern. Ich arbeite nebenbei in der Studienberatung und habe bemerkt, dass immer mehr Diplomabsolventen und Studierende aus dem Ausland sich für die Masterangebote interessieren.

Aufgezeichnet von Tina Rohowski

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