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Pommes essen

© picture alliance / dpa

Übergewicht und Fettleibigkeit: Kurz-Fasten aktiviert den Stoffwechsel

Dick heißt nicht unbedingt: selbst schuld. Das sagten Experten auf der Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. Auch die Lebenswelt muss sich ändern.

Martin Wabitsch ist Professor für Kinderheilkunde. Notgedrungen muss er sich deshalb für Städtebau interessieren. Und für Sportunterricht. Und für Gesetze, die die Werbung regulieren. Schließlich betreut er seit Jahren Kinder und Jugendliche mit schwerem Übergewicht – also einem Body Mass Index (BMI) von über 30 – und forscht zu den Ursachen dieses Problems. Wer den Heranwachsenden helfen will, muss ihre Lebenswelt verändern, sagt der Endokrinologe von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Ulm und Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG): „Krankhaftes Übergewicht ist nicht das Ergebnis individuellen Fehlverhaltens.“

Die meisten Menschen müssen oder können sich im Alltag wenig bewegen, dafür gibt es an jeder Straßenecke hochkalorische Nahrungsmittel zu kaufen. Anlässlich der Jahrestagung der DAG in Berlin rief Wabitsch deshalb dazu auf, Fuß- und Radwege sowie Grün- und Sportanlagen in den Städten auszubauen und gezielt an Kinder gerichtete Werbung für stark zucker-, fett- und salzhaltige Lebensmittel zu verbieten. Gleichzeitig warnte er davor, sich beim Thema Fettleibigkeit zu sehr auf Heranwachsende zu fixieren und in Aktionismus zu verfallen. „Bei Erwachsenen, die Vorbilder sein sollten, ist die Adipositas dreimal häufiger als bei Kindern und Jugendlichen.“ In Deutschland haben 16 Millionen Menschen einen BMI über 30. Jeder dritte Erwachsene ist also deutlich übergewichtig – und sollte aus medizinischen Gründen abnehmen.

Einer der wichtigsten Gründe ist Diabetes vom Typ 2. Dazu forscht Annette Schürmann, Leiterin der Abteilung Experimentelle Diabetologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke. Auch sie hält es für relativ wirkungslos, nur die Betroffenen anzusprechen. Auch sie würde am liebsten die Städte ändern, in denen es zu jeder Tages- und Nachtzeit Fastfood gibt. Das kontinuierliche Essen sei kontraproduktiv, sagt die Biologin.

Essenspausen können Diabetes verhindern

In Experimenten reagierten übergewichtige Mäuse, die eine Diabetes-Vorstufe hatten, zum Beispiel wieder sensibler auf Insulin, wenn sie nur jeden zweiten Tag fettreich futtern durften und an den Tagen dazwischen nur Wasser tranken, zeigten die DIfE-Forscher. „Dagegen wurden ihre Geschwister, die nach Belieben fressen durften, insulinresistent. Fast die Hälfte von ihnen entwickelte innerhalb kurzer Zeit einen Diabetes“, sagt sie.

Das Kurz-Fasten aktivierte offensichtlich den Stoffwechsel. In der Leber werden vor allem diejenigen Fette und Zwischenprodukte der Fettsäuren abgebaut, die im Verdacht stehen, eine Unempfindlichkeit gegen das Hormon Insulin zu begünstigen. Insulin sorgt dafür, dass die Zellen des Fettgewebes und der Muskeln Zucker aus dem Blut aufnehmen; der Zuckerstoffwechsel bleibt im Gleichgewicht – anders als beim Typ-2-Diabetes.

Dass Übergewicht zu dessen Entstehung beiträgt, ist lange bekannt. „Auch die Gene spielen eine Rolle, aber man ist ihnen nicht machtlos ausgeliefert“, sagt Schürmann. Mit Intervall-Fasten könne man zumindest gegensteuern. Die Diabetes-Forscherin bricht deshalb eine Lanze für regelmäßige Mahlzeiten – und für die Pausen dazwischen. Sie sagt allerdings auch: „Das würde Übergewichtigen helfen, nicht aber stark Fettleibigen.“

Wenn nichts mehr hilft, wird eine Magen-OP erwogen

Bei ihnen setzt sie auf Wirkstoffe, die das Abnehmen erleichtern. So könne man das weibliche Geschlechtshormon Östrogen mit dem Magen-Darm-Hormon GLP-1 kombinieren. Die Substanz greife gezielt im Gehirn an. Sie führe dazu, dass sich übergewichtige Mäuse schneller satt fühlten, seltener am Futternapf säßen und auch seltener einen Diabetes entwickeln, berichteten die Forscher im Fachblatt „Diabetologia“.

Als „Gehstock auf dem Weg des Abnehmens“ kommt für schwer fettleibige Menschen, bei denen andere Methoden versagt haben, auch eine Operation infrage. Dabei wird zum Beispiel der Magen zu einem Schlauch von Bananengröße verkleinert (Schlauchmagen) oder eine Direktverbindung zwischen einem kleinen Teil des Magens und dem unteren Dünndarm angelegt (Magen-Bypass). Das sei nicht nur eine wirksame Therapie, sondern mehre auch das Wissen in der Medizin, meint Jürgen Ordemann, Leiter des Zentrums für Adipositas und Metabolische Chirurgie der Charité. Der Magen kann nicht nur weniger Nahrung fassen und der Körper es schlechter verwerten. Die Operation beeinflusst die Ausschüttung von Darmhormonen – und wirkt sich günstig auf den Zuckerstoffwechsel aus, sagt er. „Das ist keine Lösung für alle, aber für den Einzelnen.“

Für Stadtplanung, Stundenpläne, feste Mahlzeiten und Werbung werden sich die Adipositas-Experten demnach weiter interessieren.

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