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„Wir fühlen alle gleich“. Die junge Türkin Elif Yagmur Turan geht im armenischen Dilijan zur Schule und will zur Aussöhnung beider Völker beitragen.

© UWC Dilijan

United World Colleges: Verantwortung für die Welt

Am UWC Dilijan lernen Schüler aus 82 Ländern – wie Dialog und Versöhnung gelingen.

„Ich glaube fest daran: Die Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei werden sich nur normalisieren, wenn Armenier und Türken einander begegnen“, sagt Elif Yagmur Turan. Die 18-Jährige aus dem türkischen Usak besucht seit gut einem Jahr das United World College (UWC) Dilijan, eine Schule in Armenien, an der Jugendliche aus 82 Ländern lernen und leben. Hier treffen Armenier auf Türkinnen, Israelis auf Palästinenserinnen, Inderinnen auf Pakistaner – und erfahren oft zum ersten Mal in ihrem Leben von den persönlichen Geschichten hinter den politischen Konflikten dieser Erde.

„Wir möchten, dass unsere Schüler sich dafür interessieren, was auf der Welt vorgeht, und Verantwortung für die Zukunft übernehmen“, sagt Veronika Zonabend, Mitbegründerin des UWC Dilijan, das Teil eines internationalen Netzwerks aus derzeit 17 Schulen ist. „Sie lernen einander kennen, sie lernen die reiche armenische Kultur kennen. Und sie lernen, Risiken einzugehen und keine Angst vor dem Scheitern zu haben.“

Dabei will die Aurora Humanitarian Initiative helfen. 100 Stipendien sollen bis 2023 an junge Menschen aus Nahost vergeben werden, die von Konflikten, Vertreibung oder Armut betroffen sind. 21 Stipendiaten lernen bereits an einem UWC; elf davon in Dilijan. Zahlreiche Spender wollen für das Programm rund sieben Millionen Dollar bereitstellen.

Jüngst kam ein neues Stipendium hinzu: Das „Lamya Haji Bashar Scholarship“ unterstützt junge Jesiden. Als erster Stipendiat startete Aido Khiro Omar aus dem irakischen Mossul in Dilijan. „Den Jesiden ergeht es heute genau wie den Armeniern vor 100 Jahren“, sagt Veronika Zonabend. „In Mossul gab es damals zum Beispiel ein großes Konzentrationslager für Armenier; viele wurden dort getötet. Heute geschieht das Gleiche mit den Jesiden.“ Diesen Jugendlichen, die viel gelitten hätten, wolle man die „Türen zu bestmöglicher Bildung öffnen, damit sie die besten Chancen im Leben haben“.

"Wir wollen die Zukunft besser machen"

Genauso wichtig wie gute Bildung ist den Initiatoren und Lehrkräften das Miteinander der internationalen Schülerschaft, das von Verständnis, Vertrauen und Versöhnung geprägt sein soll. „Obwohl wir alle verschieden sind, sind unsere Gefühle die gleichen“, hat die junge Türkin Elif dort rasch gemerkt. „Und wir erkennen, dass unsere Kulturen viel verbindet.“ Baklava – das in Zuckersirup eingelegte Blätterteiggebäck – gebe es zum Beispiel in Armenien und der Türkei genauso wie in Palästina oder Syrien. „Und auch wenn die Aussprache unterschiedlich ist: Das Glücksgefühl beim Essen ist das gleiche!“

Yahia Al Baghdadi aus Syrien (dritter von links) möchte später Marketing und Psychologie studieren.
Yahia Al Baghdadi aus Syrien (dritter von links) möchte später Marketing und Psychologie studieren.

© UWC Dilijan

Aurora-Stipendiat Yahia Al Baghdadi aus Syrien sieht noch eine Gemeinsamkeit: „Wir wollen die Zukunft besser machen. Nicht nur für uns, sondern für alle Menschen.“ Am liebsten würde Yahia, der schon als Kind gerne Souvenirs in Damaskus verkaufte, dafür später Marketing und Psychologie in den USA studieren. „Dort hätte ich viele Möglichkeiten, aber im Moment dürfte ich ja nicht mal einreisen – nur weil ich Syrer bin.“

Nour Moussa, der ebenfalls ein Aurora-Stipendium hat, entdeckte in Dilijan seine Leidenschaft für französische Literatur. „Ohne ein einziges Dokument kam er vergangenes Jahr aus einem libanesischen Flüchtlingscamp zu uns“, erinnert sich Veronika Zonabend. Heute experimentiert er mit seinem besten Freund aus Äthiopien in den modernen Chemielaboren der Schule, lernt programmieren und probiert sich im Tennis.

Nour Moussa (rechts) experimentiert mit seinem Freund im Chemielabor.
Nour Moussa (rechts) experimentiert mit seinem Freund im Chemielabor.

© UWC Dilijan

Elif möchte – wie bereits zwei türkische Schüler vor ihr – nach ihrem Abschluss ein weiteres Jahr als Praktikantin in Dilijan bleiben, um mehr über Armenien und seine Geschichte zu erfahren. „Ich will weiter Armenisch lernen und im Gegenzug Türkisch unterrichten“, erzählt sie. Die Sprache des anderen zu sprechen ist für die 18-Jährige ein Zeichen des Respekts für ein Land und seine Menschen. „Vor langer Zeit haben unsere Völker aufgehört, miteinander zu reden und einander zu verstehen. Jetzt ist es an meiner Generation, zu handeln.“

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