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Universität der Künste: Brodelnder Kessel

Im „Design Reaktor“ entwickeln Studierende zusammen mit Unternehmen neue Produktideen

„Design Reaktor“ – das klingt ein bisschen gefährlich und nach Experiment. Und damit ist man auch schon ganz nah dran. Denn was da seit Februar dieses Jahres an der UdK Berlin „brodelt“, das ist mehr als nur eine Plattform, in der es um die Entwicklung von neuen Produkten geht. Das Besondere an diesem Projekt sind die Mischung der Teilnehmer und die Breite der Produktpalette. Dabei entstehen so ungewöhnliche Dinge wie ein Teebeutel, der angibt, wie lange er schon im Wasser zieht.

Am Design Reaktor beteiligt sind Studierende und Professoren der UdK Berlin aus zehn Fachrichtungen, externe Designer, ein Patentanwalt und 55 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus Berlin: von der Seilerei über einen Graveur bis zum Gummiwarenhersteller, vom Auto-Tuner über die Kofferfabrik bis zum Pastamacher. Die kleinen und mittleren Unternehmen bringen die praktischen Ressourcen und ihr spezielles technisches Knowhow mit: von Low- bis Hightech, jedes Unternehmen kann bestimmte Stoffe auf bestimmte Art und Weise verarbeiten.

Im Februar war der Startschuss, bis April erkundeten die Studierenden die Partnerunternehmen. Gewappnet mit diesem Wissen begannen sie das kreative Spiel um den Erfindungsprozess. „Es geht darum, Synergien zu nutzen und Kurzschlüsse herzustellen“, sagt Professor Axel Kufus. Er hat den Design Reaktor initiiert und bildet mit den externen Designexperten Judith Seng und Joachim Schirrmacher das Leitungsgremium. Gefördert wird der Design Reaktor vom Berliner Senat für Wirtschaft, Technologie und Frauen und durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE).

Aus den Workshops sind hunderte von Ideen entstanden. Jede einzelne wurde einer Machbarkeitsstudie unterzogen und anschließend von einer Jury bewertet. Knapp 60 Projekte wurden ausgewählt und in kleinen Teams in enger Kooperation mit den KMU weiterentwickelt. Vieles war lange geheim, schließlich ist bei jedem neuen Produkt zu prüfen, ob es patentiert werden kann. Zum Rundgang werden die Prototypen ausgestellt. Die Ausstellung geht dann auf Reisen, nach Frankfurt und nach Linz zur Ars Electronica.

Eine Idee aus dem Reaktor ist der „Fragmentstore“. Hier kann sich der „Prosument“ – eine Person, die gleichzeitig Konsument und Hersteller, im Englischen producer, ist – aus verschiedenen Einzelbausteinen eine individuelle Leuchte zusammenstellen.

Eine ganz eigene Projektreihe, die mit dem „Design Reaktor“ assoziiert ist, steht unter dem Schlagwort „Neoanalog“. Neoanalog bringt digitale und analoge Begriffe zueinander: Wörter aus der Welt des Digitalen werden mittels eines Zufallsgenerators auf analoge Gegenstände projiziert. Aus dieser Kombination wird dann ein Produkt entwickelt: Aus „Teebeutel“ und „progress bar“ – jeder Computernutzer kennt den blauen Balken, der den Fortschritt einer Installation oder eines downloads anzeigt – wurde so ein patentierter Teebeutel, der mit einem integrierten Lackmusstreifen als „progress bar“ anzeigt, wie lange er schon in der Kanne hängt.

„Es geht im Design Reaktor nicht um den kurzfristigen Umsatz-Erfolg, sondern um Erfahrungsprozesse und Neupositionierung“, sagt Kufus, „nach dem Motto: rauchende Köpfe statt rauchender Schlote". Und es geht darum, Ideen aus Forschung und Entwicklung dort einzubringen, wo sonst das Alltagsgeschäft dominiert.

Marlene Schaefermeyer ist Studentin im Design Reaktor. Es sei eine gute Lehre nicht nur für sich zu arbeiten, sondern mit Partnern von außen zu kooperieren, sagt sie. Dadurch entstünden andere Dynamiken – und eine andere Verbindlichkeit.

Das Projekt ist in dieser Form auf ein Jahr begrenzt, viele der neu geknüpften Verbindungen bleiben aber sicher bestehen. Und: Die Virulenz, das Lebendige, das Vergnügen an Irritation und Innovation, das werden alle Beteiligten nicht mehr vergessen.

Die Projekte aus dem Design Reaktor sind zu sehen am 20. Juli, 11-20 Uhr, 21. Juli 11-18 Uhr, Straße des 17. Juni 118, 3-D-Haus, Raum 401 (Aula).

Katharina Eulenburg

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