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Universitäten: Unprofessionell zum Professor berufen

Endlose Verfahren und Gefälligkeitsgutachten: Die Unis rekrutieren ihr Personal zu oft unprofessionell.

Junge Wissenschaftler, die sich erstmals auf eine Professur bewerben, stoßen häufig auf "erschreckende Unprofessionalität" auf Seiten der Hochschulen. Die Kandidaten seien undurchsichtigen Netzwerken ausgeliefert, hätten kaum Gelegenheit, ihre Eignung unter Beweis zu stellen, und würden schließlich mit einer spröde formulierten Absage abgespeist. Solche Klagen waren am Freitag beim "Werkstattgespräch" der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus zum Thema "Berliner Berufungsverfahren auf dem Prüfstand" zu hören. So berichtete ein Bewerber auf eine Juniorprofessur, er habe ein halbes Jahr nichts über den Stand des Verfahrens erfahren, bis er aufgefordert worden sei, in zwei Wochen seinen Vortrag vor der Berufungskommission zu halten - quasi im Stegreif. Nach diesem Aktionismus fiel die Fakultät wieder in ihre vorherige Starre: Seit anderthalb Jahren wartet der Wissenschaftler auf einen Bescheid.

Unprofessionell organisierte Berufungsverfahren sind nicht nur ein Problem für Wissenschaftler, sondern erst Recht für die Hochschulen. Drei bis vier Semester dauert es in Deutschland durchschnittlich nach der Ausschreibung, bis ein vakanter Lehrstuhl besetzt werden kann. Nicht selten nutzt die Professorenschaft ihr Recht auf Selbstergänzung dazu, "Berufungskartelle" zu bilden, kritisierte Anja Schillhaneck von den Grünen: "Man beruft, wer einem ähnlich ist" - vertraute Gesichter, die aufgrund ihres Habitus und ihrer Denkweise bereits Teil der etablierten Netzwerke geworden sind und dafür mit "Gefälligkeitsgutachten" belohnt werden. Externe Gutachter würden ihren unbefangeneren Blick oft nicht zur Geltung bringen, weil sie "kollegial vereinnahmt" würden. Das könne dazu führen, dass Hochschulen im Mainstream schwimmen, obwohl Wissenschaft von Innovationen lebt, sagte Schillhaneck.

Wichtige Fähigkeiten werden nicht gewertet

Die Qualität von Berufungsverfahren leidet aber auch daran, dass neben der Forschungsleistung der Kandidaten Fähigkeiten im Projektmanagement und in Personalführung kaum eine Rolle spielen, kritisierte Petra Jordan von der Landesvertretung Akademischer Mittelbau. Thomas Jenissen von der Landes-Asten-Konferenz sagte, auch die Fähigkeiten in der Lehre seien entgegen anders lautender Lippenbekenntnisse nachrangig. Der Nachweis von Lehrerfahrung sei jedenfalls kein hinreichender Beweis dafür, dass es sich tatsächlich um einen guten Lehrer handle.

TU-Präsident Kurt Kutzler verteidigte die Verfahren. Die in ihnen berufenen Professoren seien längst nicht so schlechte Lehrer wie behauptet. Die Länge der Berufungsverfahren ergebe sich schon aus der hohen Zahl der Bewerber auf eine Stelle. Oft müssten Berufungskommissionen aus über 100 Kandidaten eine short list von sechs bis acht destillieren. Einen ersten Schritt, Seilschaften auszubremsen, habe die Berliner Verwaltungsgerichtsbarkeit getan. Einem Urteil zufolge müssen Professoren aus einer Berufungskommission ausscheiden, wenn ein Kandidat aussichtsreich wird, den sie vorher bei der Dissertation oder der Habilitation betreut haben. Trotzdem hält Kutzler es für sinnvoll, die Berufungsverfahren weiter zu verbessern. Der Senat könne die Hochschulen zur Qualitätssicherung auch auf diesem Feld mittels der Hochschulverträge anhalten. Welchen internen Leitlinien eine Uni folgt, müsse sie dann aber selbst für sich festlegen.

Anregungen hat der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen im Jahr 2005 gegeben. So sollen die Ausschreibungen nicht auf die fachliche Ausrichtung eines Wissenschaftlers und mithin "ad personam" formuliert werden, um andere Wissenschaftler nicht von einer Bewerbung abzuhalten. Die Gutachter sollen sich an einheitlichen Kriterien orientieren, die ihnen die Berufungskommission vorgibt. Um den reibungslosen Verlauf des Berufungsverfahrens zu sichern, sollten die einzelnen Fakultäten einen Hochschullehrer als Berufungsbeauftragten auswählen. Er hätte auch die Aufgabe, den Bewerbern regelmäßig über den Stand des Verfahrens zu berichten und auf die Einhaltung von Fristen zu achten. Der Wissenschaftsrat kritisierte, dass keine klaren Kriterien vorliegen, die Qualität der Lehre im Berufungsverfahren zu beurteilen.

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