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Auf Nummer sicher. Ärzte wollen risikoreiche Tests durch Ultraschall ersetzen.

© dpa

Ultraschall: Untersuchung bei Schwangeren: Früh im Bild

Ultraschallbilder und Laborwerte sollen helfen, Schwangeren riskante Untersuchungen zu ersparen.

Fast 170 000 Schwangere und ihre Partner stehen jedes Jahr in Deutschland vor der schweren Entscheidung, ob sie Fruchtwasser oder Gewebe aus dem Mutterkuchen auf genetische Auffälligkeiten untersuchen lassen sollen. Sie gehören zu jenem Viertel der werdenden Mütter, die über 35 Jahre alt sind und denen ihre Krankenkasse diese Untersuchungen anbietet, weil mit dem Alter der Mutter das Risiko für Chromosomenveränderungen wie die Trisomie 21 steigt. Liegt es mit 20 noch bei 0,2 Prozent, so ist es für 45-Jährige schon auf fünf Prozent geklettert.

Die Frage, ob man sich wünscht, die Diagnose so früh zu kennen und was das für die eigene Entscheidung bedeutet, ist schwer genug zu beantworten. Aber die Untersuchung birgt auch Risiken: Es kann zu einem Sprung der Fruchtblase oder zu einer Blutung aus dem Mutterkuchen kommen. In ungefähr jedem hundertsten Fall wird eine Fehlgeburt ausgelöst.

Dieses Risiko möchten die Frauenärzte, Ultraschall-Spezialisten und Labormediziner, die sich 2002 nach britischem Vorbild in der Fetal Medicine Foundation Deutschland (FMF) zusammengeschlossen haben, weniger Frauen zumuten. Sie wollen bald allen Schwangeren eine ungefährliche Methode anbieten, mit der sich das Risiko für eine Chromosomenveränderung, aber auch für einen schweren Herzfehler, die Fehlbildung eines großen Blutgefäßes, für Auffälligkeiten in Gehirn, Harnblase und Gliedmaßen des Ungeborenen abschätzen lässt. Dafür macht ein von der FMF geschulter und geprüfter Arzt in der elften bis 14. Schwangerschaftswoche eine Ultraschall-Untersuchung, bei der dem kindlichen Nacken besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ist die sogenannte „Nackentransparenz“ erhöht, so weist das auf eine Trisomie 21 hin. Dabei sammelt sich typischerweise viel Flüssigkeit in der Nackenhaut des Ungeborenen an, die für den Schall besonders gut durchlässig ist.

Für ihr „Ersttrimester-Screening“ verlässt sich die FMF nicht allein auf die Vermessung der Nackenhaut. Denn bei einem Drittel der Feten mit einer Trisomie 21 ist sie im Ultraschall überhaupt nicht auffällig. Untersucht wird deshalb auch das Blut der werdenden Mutter, und zwar auf zwei biochemische Marker namens Beta-HCG und PAPP-A. Ist der erste erhöht oder der zweite erniedrigt, so ist das ebenfalls ein Hinweis auf Chromosomen-Veränderungen oder Fehlbildungen.

Alter der Schwangeren, Ergebnisse des Ultraschalls und Blutwerte, all das wird mittels eines von der FMF entwickelten Computerprogramms in die Risikokalkulation einbezogen. „Wenn die Werte der Schwangeren in der von uns entwickelten Ampel-Grafik im roten Bereich liegen, empfehlen wir eine Chromosomen-Abklärung“, sagt Eberhard Merz, Direktor der Frauenklinik am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main und Erster Vorsitzender der FMF. Mit der Kombi-Untersuchung werden über 85 Prozent der Trisomien 21, 18 und 13 richtig erkannt, wie eine Auswertung der Daten von 70 000 Schwangerschaften gezeigt hat. „Trotzdem ersetzt das Ersttrimester-Screening die Fruchtwasser-Untersuchung nicht, denn wir können mit ihm nur Risiken abschätzen, aber keine Diagnosen stellen“, betont Christian Thode vom Medizinischen Versorgungszentrum Wagnerstibbe in Göttingen. Die eingreifenden Methoden der vorgeburtlichen Diagnostik müssten nach den Vorstellungen der FMF aber nur etwa 35 000 statt bisher 170 000 Schwangeren über 35 angeboten werden, dazu auch all den jüngeren Schwangeren, bei denen die Risiko-„Ampel“ auf Rot steht.

Die Untersuchung muss allerdings aus eigener Tasche bezahlt werden. Hinzu kommt, dass das neue Gendiagnostikgesetz für solche Untersuchungen ab 2012 eine genetische Beratung verlangt, für die eine spezielle Ausbildung nötig ist. Regelungen dafür zu treffen ist Aufgabe der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) am Robert-Koch-Institut. Bei der FMF Deutschland befürchtet man eine Versorgungslücke, falls die Anforderungen zeitaufwändig ausfallen.

Klaus Vetter, Leiter der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes-Klinikum Neukölln und Mitglied der GEKO, betrachtet eine solche Ausbildung andererseits als „Chance für uns Ärzte, uns das für viele bisher weitgehend fremde Gebiet der modernen Molekulargenetik zu erarbeiten“. Die Ärzte müssen den Eltern schließlich den Weg zur eigenen Entscheidung frei machen, sie müssen sich deren medizinischen, aber auch psychologischen und sozialen Fragen stellen können. Zwar beinhalten Ultraschall und Blutuntersuchungen keine Gefahr für das Kind. Doch Sinn haben sie nur, wenn die Eltern sich vorher Gedanken gemacht haben, was sie mit dem Ergebnis anfangen wollen. In diesem Punkt unterscheiden sie sich nicht von Tests an Fruchtwasser und Mutterkuchengewebe.

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