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Nicht allein. Wer geschnitten wird, dem verhilft die Gegenwart eines Hundes zu einem besseren Selbstwertgefühl. Foto: p-a/dpa

© picture alliance / dpa

Verhaltens-Forschung: Hunde helfen Mobbing-Opfern

Ein Experiment zum Thema Mobbing zeigt: Ist ein Hund in der Nähe des Opfers, sind soziale Kränkungen besser zu ertragen.

Der Bestsellerautor Daniel Kehlmann hat einmal einer Zeitschrift gebeichtet, er sei im Sportunterricht immer als letzter in die Mannschaft gewählt worden. Er scheint diese Demütigungen ohne größere seelische Blessuren überstanden zu haben, auch wenn er, wie er an anderer Stelle verriet, früher gerne ein wenig cooler gewesen wäre.

Kehlmann mag Hunde; sein Mischling „Nuschki“ hat ihn jahrelang brav zu Interviews begleitet. Auch in Kehlmanns Büchern spielen die Vierbeiner eine prominente Rolle (es gebe zu viele Hunde bei ihm, soll einer seiner Lektoren einmal bemängelt haben). Und vielleicht ist es gerade diese besondere Beziehung zur Art Canis familiaris, die Kehlmann dabei geholfen hat, die Ausgrenzung auf dem Sportplatz besser zu ertragen.

Hunde scheinen nämlich in derartigen Situationen ein wirksamer seelischer Puffer zu sein. Das zeigt zumindest ein Experiment der Psychologin Nilüfer Aydin von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Darin setzte die Wissenschaftlerin ihre Versuchspersonen einer ähnlichen Demütigung aus, wie sie Kehlmann beim Schulsport ertragen musste.

Aydin nutzte dazu ein simples Computerspiel namens Cyberball. Es wurde bereits vor mehr als zehn Jahren entwickelt, um die Effekte sozialer Ausgrenzung zu studieren. Cyberball ist ein einfaches Wurfspiel, bei dem die Spieler sich nicht zu Gesicht bekommen. Stattdessen sind sie über das Internet miteinander verbunden. Jeder Teilnehmer sieht auf dem Bildschirm drei Zeichentrickfiguren. Der Spieler in Ballbesitz kann per Mausklick entscheiden, welchem der beiden anderen er den Ball zuwerfen möchte.

Die knapp 70 Versuchsteilnehmer durften nun zunächst ein paar Minuten Cyberball spielen. Was sie dabei nicht wussten: Die gesamte Spielsituation war abgekartet. Einige der Probanden erhielten anfangs zweimal den Ball und dann nie wieder. Sie wurden also systematisch ausgegrenzt. Andere wurden dagegen bis zum Schluss regelmäßig angespielt.

Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass Ausgrenzung selbst bei einem so einfachen Spiel ziemlich auf die Laune drücken kann. Teilnehmer, die von ihren Mitspielern geschnitten wurden, gaben danach in Umfragen beispielsweise oft ein geringeres Selbstwertgefühl zu Protokoll. Auch in dem Münchner Experiment mussten die Probanden nach 30 Ballwechseln diverse Fragebögen zu ihrer Befindlichkeit ausfüllen. Dabei war in manchen Fällen zusätzlich zur Versuchsleiterin die kleine Malteserhündin „Lilli“ im Raum anwesend.

„Wir alle haben ein starkes Bedürfnis danach, dazuzugehören“

Ergebnis: Selbstwertgefühl, Lebenszufriedenheit und das Gefühl, sozial anerkannt zu sein, waren bei den ausgegrenzten Versuchspersonen signifikant geringer ausgeprägt als bei den Studenten in der Kontrollgruppe, berichten Aydin und Kollegen im „Journal of Experimental Social Psychology“. Das galt erstaunlicherweise aber nur, wenn beim Ausfüllen der Fragebögen kein Hund in Sichtweite gewesen war. „Die bloße Anwesenheit eines Hundes reichte in unserem Experiment aus, um den Effekt sozialer Ausgrenzung nicht nur abzuschwächen, sondern sogar völlig zu nivellieren“, betont Aydin. Das traf sogar für Teilnehmer ohne eigene Haustiere zu, also solche, bei denen man zunächst einmal keine allzu ausgeprägte Tierliebe vermuten würde.

Reinhold Bergler von der Forschungsgruppe „Psychologie der Mensch-Tier-Beziehung“ an der Universität Bonn findet zumindest diesen letzten Aspekt überraschend: „Wir wissen zwar, dass Hundebesitzer gegenüber Alltagsstressoren weniger empfindlich sind“, sagt er. So könnten Hunde durch Momente der Freude einen Gegenpol zu den Kränkungen des Alltags schaffen. „Das gilt aber nach unseren Studien nur, wenn die Halter eine gute Beziehung zu ihren Tieren haben.“

Nilüfer Aydin sieht in ihrem Experiment jedoch einen tiefer liegenden psychologischen Mechanismus am Werk. „Wir alle haben ein starkes Bedürfnis danach, dazuzugehören“, sagt sie. „Das ist ein Leitmotiv menschlichen Lebens. Wenn wir uns ausgegrenzt fühlen, schauen wir uns halt um, wo wir soziale Akzeptanz erfahren können.“ Zum Beispiel bei der Malteserdame Lilli. In dieser Situation spiele es auch keine große Rolle, ob derjenige, der sich ausgegrenzt fühlt, Hunde überhaupt mag. Es reicht, wenn er meint, der Hund möge ihn.

Für diese These spricht auch die Beobachtung, dass Lilli nicht allgemein für bessere Laune bei den Studenten sorgte. Nur diejenigen, die zuvor beim Cyberball von ihren Mitspielern links liegen gelassen worden waren, profitierten emotional von der Anwesenheit der Hündin. Psychologen sprechen auch von einem „sozialen Snack“, den sich die nach Akzeptanz hungernden Versuchsteilnehmer zu Gemüte führten.

Möglicherweise eignen sich Hunde dafür besonders gut. Schließlich gelten sie sprichwörtlich als die besten Freunde des Menschen. Selbst Frauen und Männer, die mit den Vierbeinern eigentlich gar nichts am Hut haben, kennen diesen Slogan. Vielleicht ist es ihr Image als Quelle bedingungsloser Akzeptanz, über das Hunde ihre Pufferwirkung gegen soziale Ausgrenzung entfalten, mutmaßt Aydin: „Ich weiß nicht, ob eine Intervention mit einer Katze oder einem Wellensittich dieselben starken Effekte ausgelöst hätte.“

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