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Videospiele: Machen „Killerspiele“ friedfertig?

Forscher sieht keinen Beleg für Gewaltpotenzial.

Niko Bellic heißt der neue Held der Videospieler. Als illegaler osteuropäischer Einwanderer muss sich Bellic in dem satirischen Spiel „GTA 4“ in einem fiktiven New York namens Liberty City vom kleinen Halunken zum großen Gangster hocharbeiten. Dazu soll der Spieler Autos klauen, Gegner aus dem Weg räumen, rauben, zerstören und vieles mehr. Was dem Zocker vor dem Bildschirm größtes Vergnügen bereitet, ist für die Kritiker von Videospielen Anlass für Verdruss. Ihre These: Wer aggressive Spiele spielt, wird selber aggressiv. Aber stimmt das wirklich?

Die Beweislage ist eher dünn, ja es gibt sogar Hinweise darauf, dass gewalthaltige digitale Spiele besänftigend wirken. Diese Annahme vertritt der Lernwissenschaftler Patrick Kierkegaard von der Universität von Nottingham im Fachblatt „International Journal of Liability and Scientific Enquiry“. Seine Argumente:

– Erregung. „Killerspiele“ sollen den Gamer gewaltbereiter machen, sagen Spiele-Kritiker wie der amerikanische Psychologe Craig Anderson. In Experimenten wurde ein erhöhter Puls und Blutdruck gemessen. Das kann aber einfach damit zu tun haben, dass Spiele mit Gewalt aufregender sind, sagt Kierkegaard. In keinem der Experimente wurde beobachtet, dass ein Spieler tatsächlich aggressiv wurde.

– Reale Gewalt. Obwohl immer mehr digitale Spiele konsumiert werden, sinkt vielerorts die Kriminalitätsrate. In den USA ist die Rate der Gewaltverbrechen – auch von Jugendlichen – seit den frühen 90erJahren deutlich gesunken, gleichzeitig wurden Videospiele immer populärer. „Millionen von Spielen aus der GTA-Serie wurden verkauft, man hätte eine Gewaltepidemie erwarten müssen“, schreibt Kierkegaard. „Stattdessen ging die Gewalt zurück.“ Japan hat rund 35,5 Millionen Videospieler – und eine der weltweit niedrigsten Verbrechensraten, argumentiert Kierkegaard. Machen „Killerspiele“ vielleicht sogar friedfertig?

– Ursache und Wirkung. Gewalt ist ein komplexes Phänomen. Neben dem Medienkonsum fließen viele andere Faktoren ein, etwa eine angeborene Neigung zu aggressivem Verhalten, die familiäre und soziale Situation, Drogen- und Alkoholkonsum, eine schwierige Lebenssituation. Es könnte sogar sein, dass ein gewaltbereites Kind durch ein „Killerspiel“ nicht aggressiver wird, sondern im Gegenteil „Dampf ablässt“.

– Fiktion und Wirklichkeit. In Ego-Shootern schlüpft der Spieler in die Haut einer häufig gewalttätigen Figur. Trotzdem können bereits junge Menschen klar zwischen Fantasie und Realität unterscheiden, berichtet der Forscher.

Kierkegaards Fazit: Videospiele können, ebenso wie andere Medien, die Gefühlswelt, die Einstellung und das Verhalten eines Menschen beeinflussen. Für einen Zusammenhang von Videospielen mit realer Gewalt gibt es jedoch allenfalls dürftige Hinweise.

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