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Wissen: Virtuoser Ratgeber

George Turner zum 75. Geburtstag

Wenn sich die Jahre runden, bleibt manches zurück. Im Falle von George Turner ist es, vor allem, eine hoch erfolgreiche Laufbahn als Universitätsprofessor und Bildungspolitiker. Aber es tritt auch hervor, was bisher verborgen geblieben war. In Turners Fall, also in dem eines Wissenschaftlers, bringt es die Liste seiner Veröffentlichungen an den Tag. Zu den bisherigen Titeln, wie sie zum akademischen Marschgepäck gehören – also: „Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit“, „Agrarrecht: Ein Grundriss“ und „Die eingetragene Genossenschaft im System des Gesellschaftsrechts“ –, tritt überraschenderweise eine neues Genre hinzu. „Die Heimat nehmen wir mit“ heißt ein Buch, das Turner vor zwei Jahren publizierte.

Eigentlich ist es eine, seine Familiengeschichte. Aber es erzählt nicht nur von der Kindheit in einem ostpreußischen Dorf mit dem anheimelnden Namen Bilderweitschen, sondern enthält ein Kapitel europäischer Sozial- und Migrationsgeschichte. Denn die Turners gehören zu den Salzburger Protestanten, die 1732 ihre Heimat verlassen mussten, und in Ostpreußen angesiedelt wurden. Dank des Zusammengehörigkeitsgefühl der Emigranten – und einer günstigen Quellenlage – kann man verfolgen, wie sich ihr Zug quer durch Deutschland bewegte.

Mit nicht weniger als 88 Wagen und 142 Pferden machen sie im August 1732 in Berlin Station, ein Paar wird in der Marienkirche getraut, ein Kind begraben. Nach Ende des großen Trecks folgen mehr als zweihundert Jahre Ostpreußen und 1944 die Flucht. Da sieht man die Biografie dieses Politikers und Wissenschaftlers mit neuen Augen. Hinter dem Professor, der stürmisch die Höhen von Karriere und Wissenschaftspolitik erklimmt, wird der Bauernsohn erkennbar, der als Flüchtlingskind auf einem niedersächsischen Dorf aufwächst, mit nichts unter den Füßen.

Man glaubt zu spüren, wie tief die Herkunft in dem Mann steckt, der sich als Wissenschaftspolitiker zwar so umwerfende Ziele wie die Verkürzung der Studienzeiten und der Gymnasialzeit aufs Panier schrieb, aber seine Bodenhaftung immer fühlen ließ. Wozu sein Temperament gehört, das Durchsetzungsfähige und Verbindliche, das Gesellige und das Verschmitzte. Und auch die Berliner Instanz, zu der der Wissenschaftssenator von 1986 und 1989 geworden ist: der Moderator der Tagesspiegel-Treffpunkte, präsent bei so ziemlich allen gesellschaftlichen Anlässen.

Überhaupt ist er ein begnadeter Netzwerker, der alle kennt, die man kennen muss – und noch ein paar mehr – , ein Virtuose des Rat-Gebens und Be-Urteilens. Weil er weiß – und erfahren hat – was Brüche und Umbrüche und was Zusammenhalt im menschlichen Leben bedeuten? Die Freundesgabe, die ihm überreicht wurde, als er 65 Jahre erreichte, versammelte weit über hundert Namen, Minister und Schulkameraden, Berühmtheiten und private Bekanntschaften. An diesem Freitag wird George Turner 75. Rdh.

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