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Mit voller Kraft. Der Semesterstart ist für Studierende und Wissenschaftler immer etwas Besonderes.

© TU Berlin/Dahl

Vorlesungsbeginn in Berlin: Mein Start ins neue Semester

Lust auf die vielen Neuen, auf Marsroboter und auf freundliche Kunden: Worauf die Uni-Menschen sich jetzt freuen. Eine Umfrage an den Hochschulen in Berlin.

Valentina, 22, Studentin der Sozialwissenschaften an der HU im 7. Semester
Ich will in diesem Semester meine Bachelor-Arbeit schreiben. Es soll um eine digitale Agenda der Europäischen Union gehen. Das ist schon ein heißes Thema zur Zeit – und es interessiert mich wirklich. Sonst bin ich ja eher so eine „Last-Minute-Person“ und mache alles auf den letzten Drücker. Ich hoffe, dass es bei der Bachelor-Thesis anders wird, das habe ich mir vorgenommen. Natürlich ist trotzdem die Angst da, dass ich die Arbeit nicht schaffe. Ich möchte nämlich wirklich bald mit dem Bachelor fertigwerden. Ursprünglich komme ich aus Russland und dort ist es üblich, mit 21 das Studium zu beenden.

Valentina, Studentin der Sozialwissenschaften

© fiem

In Deutschland spüren viele keinen Druck, ihre Studienzeit zu begrenzen, sie studieren extrem lange. Mich selbst würde das verunsichern. Ich habe meine Credit Points bis auf die Bachelor-Arbeit alle schon zusammen. Vielleicht gehe ich trotzdem freiwillig in ein paar Seminare, ich habe mich zum Beispiel für Politikmanagement angemeldet. Da bleibe ich aber nur, wenn es mich interessiert. Ansonsten freue ich mich schon auf die nächste Jamsession der HU, da werde ich dann mit meinem Schlagzeug dabei sein. Das macht echt Spaß.

Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität
In diesem Oktober beginnt mein 73. Semester. Das begründet einen gewissen Erfahrungsvorsprung gegenüber Jüngeren. Aber die Stimmung ist immer noch ähnlich wie im Oktober 1979, als ich erstmals als Student nach Dahlem kam. Merkwürdigerweise stellt sich nach so vielen Jahren Universität zum Semesterstart stets dasselbe Gefühl ein: Jetzt fängt etwas Neues an, es geht wieder los, es wird aufregender als in den Monaten zuvor. Ob als Student, Doktorand, Assistent, Professor, Dekan oder jetzt als Präsident: Ich habe es immer so empfunden, dass ein Semesterbeginn etwas Besonderes ist. Dabei bringt der Beginn des Wintersemesters für meine gegenwärtige Arbeit keine wesentlichen Veränderungen. Gewiss, es gibt wieder mehr Gremiensitzungen, mehr Veranstaltungen, die vorzubereiten und zu eröffnen sind.

Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität

© fiem

Aber das meiste ist Kontinuität, Fortschreibung der Projekte, die uns seit Langem beschäftigen: Prozesse der Lehrevaluation, Vorbereitung der neuen Anträge für die nächste Exzellenzrunde, Analyse der Studienplatznachfrage, Organisation internationaler Kooperationen, Vertragsverhandlungen mit Forschungspartnern. Neu hinzu kommt die Suche nach guten Möglichkeiten für eine Integration der Flüchtlinge, unter denen etliche sind, die künftig werden studieren wollen. Hier arbeiten wir unter Hochdruck an hilfreichen Angeboten. Die Freie Universität steht nicht in den Startblöcken, sie läuft ohne Unterbrechung, in einem Marathon der Aufgaben. Den Beginn des neuen Semesters gut zu bewältigen und allen, die jetzt ihr Studium bei uns beginnen, einen erfolgreichen Start zu ermöglichen, ist eine dieser Aufgaben – und eine besonders wichtige.

Dagmar Krefting, Informatik-Professorin im Frauenstudiengang Informatik und Wirtschaft an der HTW

Im Sommersemester habe ich im Schlaflabor der Universität Peking geforscht. Es war eine sehr offene Atmosphäre, privat haben wir auch politische Themen diskutiert. Jetzt bin ich gespannt darauf, wie sich meine HTW-Studentinnen im letzten halben Jahr entwickelt haben. Mit den Drittsemestern hatte ich schon die erste Übung zu Datenschutz und -sicherheit. Sie sind wieder von Anfang an voll dabei, haben mich gleich gelöchert, was wir genau machen, ob sie denn auch von außen auf ihren neuen virtuellen Rechner Zugriff haben.

Dagmar Krefting, Informatik-Professorin.

© promo

Sie sollen ihren „Computer im Computer“ auf ihrem Laptop immer dabei haben und jederzeit ausprobieren können, wie sie ihn gegen fremde Zugriffe sichern können. Bei der Semesteraufgabe, die ich den Studierenden dazu stellen werde, will ich sie unbedingt besser unterstützen als im Vorjahr. Viele hatten Probleme, über einen längeren Zeitraum am Ball zu bleiben. Mir ist es aber weiterhin sehr wichtig, die verschulte Struktur des Studiums hier und da zu durchbrechen. Und ich nehme mir fest vor, mir selber Freiräume offenzuhalten, um die Daten aus China auszuwerten und mich weiter mit den Kollegen in Peking auszutauschen.

Cem Avsar, Lehrassistent am Institut für Luft- und Raumfahrt an der TU Berlin

Etwa 30 Studierende aus aller Welt werden jetzt in unserem neuen englischsprachigen Masterstudiengang Master of Space Engineering starten. Für sie geht es gleich los mit dem von mir konzipierten Praxisprojekt, in dem sie einen Marsroboter oder einen kleinen Satelliten bauen. Ich freue mich vor allem darauf zu erleben, wie die Studierenden sich untereinander helfen. Wir nehmen zum zweiten Mal am SpaceBot Cup des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt teil. Jetzt wird die Gruppe aus dem Sommersemester ihr Wissen an die Neuen weitergeben, etwa, wie man einen Roboter so programmiert, dass er Objekte erkennt.

Cem Avsar, Lehrassisten am Institut für Luft- und Raumfahrt.

© promo

Dafür haben sie eigens Lernvideos vorbereitet. Es ist unglaublich, wie engagiert die Studierenden sind. Geht es um Praxisprojekte, arbeiten sie drei- bis viermal so viel wie verlangt. Was mich am Unibetrieb manchmal stört, sind diese wahnsinnig langen, bürokratischen Wege. Stelle ich fest, dass mir akut eine studentische Hilfskraft fehlt, braucht es schon mal drei Monate, bis alle Instanzen das abgesegnet haben. In einem Unternehmen ginge das von heute auf morgen.

Sandra Scheeres Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft
Ich freue mich natürlich auf die neuen Studierenden, denn sie werden diese Stadt weiter bereichern. Berlin ist einer der beliebtesten Plätze in Europa, sowohl zum Leben als auch zum Studieren. Die Berliner Hochschulen ziehen. Und ich freue mich, dass wir mit der Sanierung der Hochschulen vorankommen. Wenn der neue Doppelhaushalt wie vom Senat vorgelegt beschlossen wird, dann haben wir einen verlässlichen Weg für den Abbau des Sanierungsstaus und für notwendige Investitionen – den Investitionspakt Hochschulbau.

Sandra Scheeres, Berlins Wissenschaftssenatorin.

© dpa/p-a

Eine neue Aufgabe sind in jedem Fall die steigenden Flüchtlingszahlen, auch im Hochschulbereich. Es muss uns gelingen, diese Menschen erfolgreich in unsere Gesellschaft zu integrieren und ihnen den Weg in ein besseres Leben zu ermöglichen. Wir haben bereits viel getan, müssen aber noch weitere Verbesserungen erreichen und Hürden beim Hochschulzugang abbauen. Dafür setze ich mich auch auf Bundesebene ein. Als Wissenschaftssenatorin bin ich oft an den Hochschulen unterwegs, aber es hat bisher nie geklappt, eine Absolventenvorstellung, zum Beispiel an der Ernst Busch oder an einer anderen künstlerischen Hochschule, zu besuchen. Hoffentlich schaffe ich das im neuen Semester.

Lea-Katharina Sabol, 23, Mitarbeiterin im Humboldt-Store
Seit einem Monat arbeite ich im Shop der Humboldt-Universität und bin nach wie vor jeden Tag ein wenig aufgeregt. Man weiß ja nie, was einen erwartet. Als ich anfing, war der große Sommerandrang der Touristen schon abgeebbt. Trotzdem fand ich es verblüffend, wie viele Besucher wir hier haben, die gar nichts mit der Uni zu tun haben. Jetzt zum Semesterstart kommen natürlich vor allem Studierende. Die kaufen eher preiswerte Dinge wie Kugelschreiber oder Baumwollbeutel.

Lea-Katharina Sabol, Mitarbeiterin im Humboldt-Store.

© fiem

Bestseller ist unter den Studis gerade die Hülle fürs Semesterticket. Touristen geben da schon mehr Geld aus und greifen zu den Fleece-Jacken oder bestickten Teilen. Aber ich schätze, dass diese Woche auch einige Studenten einen der dicken Kapuzenpullis kaufen, wir haben nämlich eine 15-Prozent-Rabattaktion auf alles. Es ist toll, wenn viele diese Sachen tragen. Ich finde, das erzeugt so eine Art Gemeinschaftsgefühl. In den USA, wo ich eine Weile studiert habe, ist es auch gang und gäbe, sich über die Kleidung mit seiner Uni zu identifizieren. Deshalb hoffe ich jetzt, dass ich dieses Semester viele überzeugen kann und wir einiges verkaufen. Aber es gibt natürlich trotzdem Studierende, die den Humboldt-Store belächeln. Manchmal ist es ganz lustig, wie sie erst ganz skeptisch reinkommen, aber dann doch etwas kaufen.

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