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Aufmerksam. Auch volle Vorlesungen und Seminare lassen sich spannend gestalten. Doch viele Dozenten tun dafür zu wenig, denn Anstrengungen in der Lehre bringen kaum Vorteile für die wissenschaftliche Karriere. Lehrpreise sollen das ändern.

© dpa

Was ein guter Professor können muss: Leidenschaft lehrt am besten

Sie lassen Hausarbeiten bloggen und machen aus dem Fleischkunde-Seminar ein Gedicht: Wie guter Unterricht an Hochschulen gelingt, zeigen die Beispiele von Professorinnen und Dozenten, die Lehrpreise gewonnen haben.

„Es gibt Momente, da bist du völlig offen. Wenn dich der Pfarrer mitreißt, studierst du Theologie. Wenn dich der Bodenkundler begeistert, betreibst du Bodenkunde.“

Jutta Zeitz hat sich von einem Bodenkundler begeistern lassen. Sie promovierte und habilitierte sich. Nachdem sie jahrelang als Dozentin gearbeitet hat, wird sie 2003 Professorin an der Berliner Humboldt-Universität (HU). Bis heute will die 63-Jährige ihrerseits für Bodenkunde begeistern. Glaubt man den Studierenden, schafft sie das. Die Fachschaft der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät hat Zeitz für den Humboldt-Preis Gute Lehre vorgeschlagen. Es ist die höchste Auszeichnung der HU für Dozenten, dotiert mit 10 000 Euro. Zeitz hat gewonnen.

„Gute Lehre ist eine Frage der Haltung. Es ist unfair, Seminare schlecht vorzubereiten“, sagt sie. Studierende wollten lernen. Lehren müssten die Universitäten: „Unsere Aufgabe ist es, Studenten gut auszubilden.“

Doch das System setzt andere Anreize: Nobelpreise feiern Forscher im Blitzlichtgewitter der Weltpresse. Wer einen Lehrpreis gewinnt, ist schon an der Nachbaruni oft unbekannt. Lehre an Hochschulen? Sie gilt als problematisch: überfüllte Hörsäle und Seminare, überlastete Dozenten. Wer Professor werden will, muss forschen. „Mit Blick auf die eigene Karriere ist es für Nachwuchswissenschaftler heute unvernünftig, sich in der Lehre zu engagieren“, beklagt Bettina Jorzik vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. Sicher, der Ruf des engagierten Lehrers locke Studenten ins Seminar. „Mehr Teilnehmer bedeuten aber auch, dass Betreuungs- und Prüfungslasten steigen“, sagt Jorzik. Ihr Verband will den Stellenwert der Lehre verbessern, vergibt mit dem Ars Legendi Deutschlands bedeutendsten Lehrpreis.

Exkursion in die Bieselheide, Nachbereiten im Hörsaal

Für Jutta Zeitz war die Lehre schon vor der Preisverleihung am Montag dieser Woche keine Gleichung des Schreckens. „Zu wenig Geld!“, „zu wenig Zeit!“, Klagen, die Zeitz nicht mehr hören kann. Sie denkt zurück: 2003, Übernahme der Professur, erste Vorlesung, voller Hörsaal, „so viele Studenten!“ Ihr erster Gedanke: „Wie kriegst du die alle auf Exkursion?“ Zeitz fragt ihren Vorgänger, der winkt ab. „Aussichtslos ohne sechs Assistenten.“ Einen einzigen hat sie, Zeitz grübelt und handelt. „Ich habe meine Doktoranden fit gemacht“, sagt sie. Seither: Jedes Jahr Bieselheide, Bodenkunde, ein Event, samstagmorgens um acht. Arbeiten in der Natur, Nachbereiten im Hörsaal, Zeitz schwärmt, sie will weiter in die Heide fahren „bis sie mich in Pension schicken“.

Kollegen raten dem Nachwuchswissenschaftler: Nicht zu viel in die Lehre stecken

Gute Lehre macht Spaß, den Studenten und selbst den Dozenten. Diese Erfahrung hat auch Alexander Knoth gerade gemacht: Den Lehrpreis des Landes Brandenburg hat der Potsdamer Soziologe gewonnen, als Doktorand mit 29 Jahren. Seine Studenten schreiben Beiträge für ein Lerntagebuch im Internet: Kommentieren können alle, Anerkennung für die Besten gibt es nicht nur vom Dozenten. Alle gemeinsam, statt jeder für sich. Knoth hat vereinzelte Hausarbeitsschreiber zu einer Bloggergemeinschaft gemacht. Gelernt hat Knoth in Didaktikkursen, die Idee stammt aus Schweden, wo er ein Erasmusjahr verbracht hat. In Potsdam gibt er inzwischen selbst Schulungen – und erlebt Erstaunliches. Professoren, die sich selbst für moderne Didaktiker halten, entpuppen sich im Test als Anhänger des Frontalunterrichts. Für Alexander Knoth ist das „kein Problem – solange ich weiß, warum dieses Instrument und kein anderes?“ Auch Notendruck will der Lehrpreisträger nicht missen, „eine wunderbare didaktische Methode“, meint er. Doch schlechte Noten für schlechte Leistungen zu geben „macht Arbeit – und das nicht zu knapp.“ Knoth weiß: Wer eine Drei schreibt, verlangt Verbesserungsvorschläge vom Dozenten. Wer eine Eins kriegt, kommt nicht in die Sprechstunde.

Knoth kennt Kollegen, die lieber Einsen geben. Und ihm raten: „Stecken Sie nicht zu viel Zeit in die Lehre. Da kriegen Sie nichts zurück!“

In der DDR mussten alle Dozenten in die Didaktikprüfung

Knoth bestreitet das: „Die Studenten geben mir Anregungen für meine Forschung.“ Sie halfen ihm, seine didaktischen Fähigkeiten auszubauen. In einer idealen Welt würde Knoth damit auch seine Chancen auf eine Professur verbessern. Tatsächlich wird allenthalben gefordert, dass die Lehre ein größeres Gewicht in Berufungsverhandlungen bekommen soll. Doch in der Realität ist bislang wenig davon angekommen.

Für Jutta Zeitz ist das unbegreiflich. Wer wie sie in der DDR Hochschullehrer werden wollte, musste durch die Didaktikprüfung: „Wir wurden wie Lehrer behandelt“, erinnert sich Zeitz: „Ich habe da viel gelernt und viel weitergegeben.“

Die Hilfe didaktisch geschulter Mitarbeiter weiß auch Manfred Hampe zu schätzen. Der Maschinenbau-Professor von der TU Darmstadt hat in diesem Jahr den Lehrpreis des Stifterverbands gewonnen. Germanisten und Physiker, Psychologen und Maschinenbauer arbeiten nach einem Konzept seines Fachbereichs an gemeinsamen Projekten, etwa einer Strategie gegen Wüstenbildung in Marokko: Hirse-, Linsen- und Senfpflanzen auf unfruchtbare Böden. „Industrielle Projektarbeit“ im zweiten Semester.

Nach dem interdisziplinären Praxisprojekt sinkt die Abbrecherquote

Hampe gesteht: „Anfangs war ich dagegen. Ich dachte: Die können das noch nicht!“ Er ließ sich überzeugen, seine Studenten profitieren. Die Abbrecherquote der Darmstädter Maschinenbauer zählt zu den niedrigsten in Deutschland und Unternehmer suchen dringend Maschinenbauer.

Doch die Prämie für einen Lehrpreisträger wie Hampe beträgt nur 50 000 Euro. 2,5 Millionen zahlt die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Leibniz-Preisträgern. „Von Nachwuchsforschern ist gelegentlich zu hören, ein Lehrpreis würde ihren wissenschaftlichen Ruf untergraben“, sagt Bettina Jorzik vom Stifterverband. Die Konsequenz: „Wir zeichnen nur profilierte Wissenschaftler wie Herrn Hampe aus, weil wir diesem Argument keine Nahrung geben wollen.“

Ein neuer Lehrpreis an der FU: Spitzenforschung kommt ins Seminar

Die Freie Universität Berlin (FU) will jetzt mit einem eigenen Lehrpreis neue Maßstäbe setzen. „Gute Lehre soll sich für die akademische Karriere lohnen. Dafür setzen wir Anreize“, sagt FU-Präsident Peter-André Alt. Er lockt engagierte Lehrer und Forscher seit diesem Semester mit einem Entwicklungspreis: 10 000 Euro kann man mit einem Lehrkonzept gewinnen, das „Ergebnisse der internationalen Spitzenforschung“ aufgreift. Als eine der ersten deutschen Hochschulen bricht die FU mit dem Brauch, bereits erbrachte Leistungen auszuzeichnen. Geld gegen ein Versprechen: Innovation.

Die Beuth-Professorin mischt Gedichte mit Beispielen aus der Praxis

An der Berliner Beuth Hochschule für Technik bleibt Lehre hingegen Handwerk. Wo besonders viele Erstakademiker studieren, stehen Dozenten wie die Lehrpreisträgerin Diana Graubaum vor besonderen Herausforderungen. Der eine Student kommen frisch von der Schule, sein Sitznachbar als Meister aus dem Beruf. Beide bringen weniger Wissen aus dem Elternhaus mit als Akademikerkinder, beide brauchen besonders gute Lehrer, die ihnen die neue Materie anschaulich nahebringen. Graubaum ist darin nach dem Urteil ihrer Studierenden richtig gut. Sie haben die Veterinärmedizinerin unter allen Professoren am besten bewertet.

Graubaum hat Fleischkunde an ihrer Hochschule zu einem beliebten Fach gemacht. Seminare gestaltet sie wie Kollagen, mischt Gedichte mit Beispielen aus der Praxis. Wenn jemand fehlt, fragt sie nach ihm: „Ich kenne alle meine Studenten mit Namen“, sagt Graubaum. Spricht jemand leise, wiederholt sie den Beitrag, „damit das alle verstehen“.

Etwas Ähnliches wünscht sich Bettina Jorzik vom Stifterverband auch im Umgang mit Lehrpreisträgern: „Lehrinnovationen sollten systematisch verbreitet und in ihren Wirkungen erforscht werden“, fordert sie. „So könnten auch andere von den Ausgezeichneten lernen!“

Jonas Krumbein

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