zum Hauptinhalt
Die überlegte Wortwahl beim Überbringen einer Diagnose kann die Kommunikation verbessern. 

© picture alliance/Westend61/Xavier Lorenzo

Richtiger Umgang mit Befunden: Wie sag ich’s meinem Patienten?

Eine leicht veränderte Wortwahl lässt Menschen medizinische Befunde besser verstehen, wie eine neue Studie zeigt. Für die Therapie ist das entscheidend.

Wer im Alltag das Wort „positiv“ benutzt, meint damit in der Regel etwas Gutes, etwas, das vorteilhaft oder wünschenswert ist. Kommt der Begriff jedoch in einem medizinischen Befund vor, ist oft das Gegenteil der Fall. Ein positiver Corona-Test ist beispielsweise für den Betroffenen alles andere als erfreulich. Diese Diskrepanz zwischen Alltags- und Fachsprache kann ein Grund dafür sein, dass manche Patientinnen und Patienten ihre Laborergebnisse falsch deuten. Eine einfache Veränderung der Wortwahl kann hier Abhilfe schaffen, wie eine neue Studie unter Beteiligung der Freien Universität Berlin zeigt.

Ein Experiment soll die Kommunikation verbessern

„Beim Arzt findet eine Kommunikation zwischen Experte und Laie statt. Die Patientinnen und Patienten haben nicht immer das Vorwissen, um alle medizinischen Begriffe zu verstehen“, sagt Carolin Auschra, promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin, die vor ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre als Physiotherapeutin gearbeitet hat. Gemeinsam mit Jana Möller, Juniorprofessorin im Marketing-Department des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin, konzipierte sie ein Experiment, um herauszufinden, ob sich die Arzt-Patienten-Kommunikation durch eine leicht veränderte Sprache verbessern lässt.

„Positiv“ durch „auffällig“ ersetzen

Im Rahmen einer Online-Befragung sollten sich Probandinnen und Probanden zunächst vorstellen, dass sie wegen wochenlang andauernder Bauchschmerzen zum Hausarzt gegangen waren und anschließend bei einem Spezialisten einen Atemtest auf Lebensmittelunverträglichkeit – nämlich Fruktose und Laktose – gemacht hatten. Nun erhielten sie ihre Testergebnisse. Per Zufall wurde bei der Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Ergebnis des Laktose-Tests mit „positiv“ und des Fruktose-Tests mit „negativ“ beschrieben. Bei der anderen Hälfte wurden diese Begriffe durch die alltagsnäheren Adjektive „auffällig“ und „unauffällig“ ersetzt. Der Rest des Textes blieb genau gleich.

Die Idee für die Studie, die von der Wagener-Stiftung für Sozialpädiatrie im Rahmen eines Drittmittelprojektes an der Jacobs University Bremen gefördert wurde, kam ursprünglich von dem Bremer Kinderarzt Professor Dr. Peter Borusiak, der sich in seinem Berufsalltag häufig die Frage stellte, wie er seinen Patientinnen und Patienten medizinische Befunde möglichst verständlich und schnell erklären konnte, wenn ihm aufgrund des engen Budget-Systems nicht viel Zeit dafür blieb. Er stellte fest, dass dies besser funktionierte, wenn er die Laborergebnisse in lebensnahe Sprache übersetzte.

Elf Prozent mehr Menschen verstanden die Testergebnisse

Diese berufliche Erfahrung konnte durch die folgende gemeinsame Studie bestätigt werden. Die Versuchspersonen beantworteten einige Fragen, die zeigten, ob sie ihre fiktiven Testergebnisse korrekt verstanden hatten. Wenn die Worte „positiv“ und „negativ“ benutzt wurden, erfassten 54 Prozent das Ergebnis faktisch richtig. Wurden diese durch „auffällig“ oder „unauffällig“ ersetzt, waren es mehr, nämlich 65 Prozent.

Insgesamt nahmen an der Befragung 1.131 Männer und Frauen teil, die die Bevölkerung Deutschlands im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Bildungsstand repräsentieren. „Einen noch deutlicheren Zugewinn an Verständlichkeit konnten wir in der Gruppe der Probandinnen und Probanden mit niedrigem Bildungsstand feststellen“, sagt Jana Möller. Nur 25 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ohne Schulabschluss interpretierten den Befund richtig, wenn er durch die Begriffe „positiv“ und „negativ“ übermittelt wurde. 62 Prozent verstanden ihn dagegen, wenn die alltagsnahe Sprache genutzt wurde.

Auch bei anderen medizinischen Untersuchungen kann die Wortwahl des Arztes auf diese Weise eine Rolle spielen – beispielweise bei der Übermittlung von Testergebnissen auf Malaria oder HIV, bei Antikörper-Untersuchungen oder zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, sogenannten HPV-Tests.

Verständnis ist wichtig für die Mitwirkung

„Nur, wenn der Patient den Befund richtig versteht, kann er an der eigenen Therapie mitwirken oder präventiv tätig werden“, sagt Carolin Auschra. Hat er eine Lebensmittel-Unverträglichkeit, könne es ihm nur besser gehen, wenn er die betreffenden Inhaltsstoffe meidet. Im Fall eines positiven Corona- oder HIV-Tests könne er andere anstecken, wenn er sein Ergebnis falsch interpretiert. Ein besonderer Fall ist auch der Schwangerschaftstest, denn ob eine Frau das Ergebnis im alltäglichen Sprachgebrauch als „positiv“ oder „negativ“ empfindet, kann sehr unterschiedlich sein.

„Ärztinnen und Ärzte könnten es sich zur Gewohnheit machen, einen medizinischen Befund in einem Nachsatz zusätzlich in einfachere Sprache zu übersetzen“, sagt Jana Möller. „Die Studie sollte aber auch ermutigen nachzufragen, wenn man unsicher ist, ob man alles verstanden hat.“ Häufig trauten sich die Menschen nicht, weil sie großen Respekt vor Medizinerinnen und Medizinern haben. Eine verbesserte Kommunikation könne das Vertrauensverhältnisverhältnis zwischen Arzt und Patient festigen. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine gute medizinische Betreuung.

Amely Schneider

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false