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Zöllner verteidigt Hochschulpolitik: „Die Sparpolitik ist nachweislich zu Ende“

Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) weist die Kritik des scheidenden FU-Präsidenten Dieter Lenzen an seiner Hochschulpolitik zurück.

Herr Zöllner, FU-Präsident Dieter Lenzen wechselt an die Spitze der Universität Hamburg. Müssen Sie sich Sorgen machen, dass er hier keine Entwicklungsperspektive gesehen hat?

Zunächst mal: Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass Herr Lenzen ein sehr durchsetzungsfähiger und zielorientierter Präsident ist. Es ist ihm gelungen, das riesige wissenschaftliche Potenzial der FU nach außen sichtbar und handlungsfähig zu machen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, er hätte häufiger auch mal den gesamten Wissenschaftsstandort im Auge gehabt. Wegen besserer Perspektiven geht er sicher nicht nach Hamburg. Nach meinen Kenntnissen werden die Ausgaben für die Hochschulen in Hamburg im kommenden Jahr um drei Prozent gesenkt.

Herr Lenzen hat sich jahrelang mit der Berliner Sparpolitik herumschlagen müssen. Vielleicht hat er keine Lust mehr dazu gehabt?

Dann müsste ja mein Kommen eine riesige Motivation für ihn sein, hierzubleiben. Denn nachweislich ist die Sparpolitik zu Ende – eindeutig und langfristig über die Hochschulverträge geregelt. Dass Hamburg vergleichbar viel zusätzlich für die Spitzenforschung wie Berlin ausgibt, ist mir auch unbekannt. Ich habe mit Herrn Lenzen nicht über seine Motive gesprochen. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man in diesem Alter durchaus noch einmal eine persönliche Herausforderung sucht.

Der Senat hat in die Hochschulverträge gerade eine Klausel eingefügt, mit der die Unis ihre Planungssicherheit gefährdet sehen. Die Landesmittel sollen in 2010 und 2011 „bis zur Höhe“ von 950 Millionen Euro fließen. Was bedeutet das?

Dies ist überhaupt kein Unsicherheitsfaktor. Die Hochschulen werden im Jahr 2010 53 Millionen und im Jahr 2011 69,7 Millionen mehr bekommen als 2009. Ich bin froh, dass das auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes klargestellt hat. In den Jahren 2012 und 2013 hängt es dann von ihrer Leistung ab, wie viel sie darüber hinaus bekommen. Aber schon, wenn die Hochschulen gleiche Leistungen erbringen, bekommen sie erheblich mehr Geld, nämlich 2012 103,4 Millionen und 2013 107,6 Millionen Euro mehr als 2009, das heißt durchschnittlich jährlich 3,5 Prozent mehr. Steigern sie ihre Leistungen, gibt es noch weit mehr. Diese zusätzlichen Mittel sind natürlich gedeckelt. Nur darum heißt es „bis zur Höhe von“.

Die Parameter dafür, was Leistung ist, stehen ja noch nicht mal fest?

Die Hochschulen haben sich selbst gewünscht, diese Parameter festzulegen, anstatt meinen Vorschlag anzunehmen.

Die alten Hochschulverträge waren ein Erfolgsmodell. Jetzt zwingen Sie die Hochschulen dazu, monatelang Kraft und Zeit in den Streit um die Parameter für die neue leistungsbezogene Mittelvergabe zu stecken. Wem soll damit gedient sein?

Das alte Modell hat zu keinen wirklichen Leistungsanreizen geführt. Mir ist sehr wichtig, dass das neue Modell die Chance bietet, über die Abrechnung pro Student die Lehre entscheidend aufzuwerten.

Den Unis gehen 33 Millionen Euro aus der Einstein-Stiftung verloren, die jetzt an die Kitas gehen. Muss Berlin die zu dünne Gelddecke also zwischen zwei Zukunftsbereichen hin und her zerren?

Berlin gibt mehr als jedes andere Bundesland für die Hochschulen und für den vorschulischen Bereich aus. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir das eine tun, ohne das andere zu lassen. Berlins Spitzenförderung ist überhaupt nicht gefährdet. Das Geld für die Einstein-Stiftung gab es für alle überraschend zusätzlich, und es stehen für sie in den kommenden beiden Jahren jeweils 40 Millionen Euro zur Verfügung.

Es hat den Anschein, der Regierende Bürgermeister würde Sie nicht ausreichend unterstützen. Ist das so?

Da muss ich wirklich schmunzeln. Ohne die massive Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters wären Berlins erfolgreiche Anstrengungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich überhaupt nicht möglich.

Zehntausende Studierende haben in den letzten Tagen demonstriert, auch in Berlin. Was hat die Politik falsch gemacht?

Ich habe Verständnis für die Forderung nach Studiengebührenfreiheit, wie es sie in Berlin gibt. Ich verstehe auch, dass die Studierenden eine Weiterentwicklung des Bafögs fordern. Wenn die Bundesregierung jetzt auf eine Forderung SPD-regierter Länder reagiert, freut mich das. Verständnis habe ich auch, wenn die Studierenden mehr Studienplätze fordern. Berlin hat das richtig gemacht und schafft noch einmal 6000 neue Anfänger-Plätze, also 30 Prozent mehr, obwohl wir bundesweit schon die meisten haben. Und es stimmt, dass die Lehre dringend aufgewertet werden muss. Warum spricht man von „Forschungsfreiheit“ aber von „Lehrverpflichtung“? Das ist eine entlarvende Sprache. Leistung in der Lehre muss finanziell belohnt werden.

Die Studierenden kritisieren nicht zuletzt die Umsetzung der Bologna-Reform.

Das sehe ich differenzierter. Ich glaube, dass ein gut organisiertes Studium auch in der Kombination Bachelor und Master den Wünschen der meisten Studierenden entspricht. Die meisten wollen ja nicht Wissenschaftler werden, sondern Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen. Wenn es bei der Reform in Einzelfällen aber zu nicht gut organisierten Studiengängen kommt, muss man das hinterfragen. Darum ist ja schon in den Berliner Hochschulverträgen vereinbart worden, dass die Hochschulen die Reform weiterentwickeln.

Das ist aber eine Gummiformulierung. Warum üben Sie nicht mehr Druck aus? Sie könnten die Unis zum Beispiel dazu zwingen, einen größeren Anteil von längeren Bachelorstudiengängen aufzulegen.

Nein, die Hochschulen sind autonom. Und sie können selbst auch viel besser entscheiden, welcher Studiengang wie viel Zeit braucht. Die Flexibilität haben sie jedenfalls. Aber auch darüber werde ich mit den Hochschulen reden.

Wäre es sinnvoll, die Deckelung der Gesamtstudiendauer über die jetzigen zehn Semester hinaus anzuheben?

Ich sehe noch nicht, dass diese Regelung wirklich eine gute Studienorganisation verhindert. Sie gilt übrigens auch nur dann, wenn ein Masterstudium unmittelbar an ein gleichartiges Bachelorstudium anschließt, also für konsekutive Studiengänge. Nicht jeder Master muss aber in einem solchen konsekutiven Doppelpack laufen. Nach einem achtsemestrigen Bachelor könnte ja auch ein Master in einer etwas anderen Richtung gewählt werden, der vier Semester hat.

Solange der Bachelor aber nun einmal oft nur sechs Semester hat: Würden Sie sich in der Kultusministerkonferenz dafür einsetzen, die Kapazitäten so auszubauen, dass jeder, der will, in den Master weiterdarf und nicht nur die Besten?

Das hängt eben mit der Bereitschaft der Länder zusammen, Kapazitäten an Hochschulen auszubauen. Ich habe ein Interesse, jedem, der möchte, einen Platz im Master anzubieten. Allerdings kann es bei bestimmten Studiengängen Sinn machen, den Zugang von bestimmten Vorkenntnissen der Studierenden abhängig zu machen.

Das Gespräch führte Anja Kühne.

Jürgen Zöllner (64)

ist seit dem 24.

November 2006

Senator für Bildung, Wissenschaft und

Forschung in Berlin. Vorher war er Bildungsminister in Rheinland-Pfalz.

Interview: Anja Kühne

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