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Forschung zum Anfassen. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zählt Wissenschaftskommunikation zu ihren drei politischen Prioritäten. Wissenschaftler sollten gegenüber der Gesellschaft Rechenschaft ablegen. 

© picture alliance / Jens Kalaene/

Zukunft der Wissenschaft: Bundesbildungsministerin Anja Karliczek irritiert die Universitäten

Bildungsministerin Karliczek (CDU) fordert energisch, dass Forschung anwendbar und verständlich sein muss. Finanzielle Hoffnungen dämpft sie. Das kommt nicht überall gut an.

Wissenschaft? Die neue Bundesbildungsministerin begegnet ihr durchaus kritisch. Jedenfalls jenen Zweigen, die Anja Karliczek (CDU) für zu theoretisch, für zu wenig marktgängig und für zu wenig allgemeinverständlich hält. „Ich erwarte, dass Wissenschaft sich besser erklärt. Sie muss raus aus ihrem Kämmerchen“, hat die Ministerin gleich nach ihrem Amtsantritt in der „Zeit“ gesagt. Ausführlicher wurde Karliczek im „Spektrum der Wissenschaft“: „Viele Forscher und Akademiker gebrauchen ständig Begrifflichkeiten, von denen sie sich nicht vorstellen können, dass sie für andere eben nicht Alltag sind“, sagte sie und nannte als Beispiel den Begriff „Algorithmus“: Die Gesellschaft könne erwarten, dass sich die Forscher bemühen, über das, was sie tun, so zu reden, dass Nichtforscher sie verstehen können.

Überhaupt müssten Wissenschaftler „Rechenschaft ablegen“. „Vielen in der Wissenschaft ist gar nicht klar, dass es Leute gibt, für die es eben nicht so selbstverständlich ist, dass wir die Wissenschaft in einem solchen Umfang finanzieren.“ Freundliche Worte findet Karliczek für solche Wissenschaftler, die am „Transfer“ und an „Ausgründungen“ aus Hochschulen beteiligt sind: „Wir brauchen mehr Tüftler, also nicht nur Leute, die die Dinge in der Theorie durchdenken, sondern auch solche, die daraus schneller praktische Ergebnisse generieren“, stellte sie fest. Schließlich sei die „Innovationspipeline“ für die „Volkswirtschaft“ entscheidend.

Entsprechend hält Karliczek den theoretisch orientierten Universitäten die anwendungsorientierten Fachhochschulen als Beispiele vor. Und Karliczeks Bekenntnis zur Innovationsförderung beim Forschungsgipfel im April war so formuliert, dass manche sie als Abwertung der Grundlagenforschung verstanden.

Befürchtet wird, dass Karliczek die Hochschulen "umorientieren" will

In der scientific community wundern sich manche bereits über Karliczeks Bild von der Wissenschaft. „Es ist irritierend“, sagt der Präsident einer großen Universität, „und ich merke die Irritationen auch im Haus.“ Karliczek wiederhole zwar ihre Kritik immer wieder, lasse bisher aber offen, welche Maßnahmen der Wissenschaftskommunikation sie angesichts ungezählter Kinderunis, Langer Nächte der Wissenschaft oder wissenschaftlicher Twitter-Offensiven vermisst. „Außerdem muss es neben angewandter und regionaler Forschung doch auch Platz für Grundlagenforschung geben“, sagt der Präsident. Ein anderer Insider befürchtet bereits „eine Umorientierung der Hochschulen“ und wirft Karliczek „Populismus“ vor.

Auch die Opposition horcht auf: „Die Hochschulen brauchen Anerkennung und eine dynamische Förderung und keine Misstrauenskultur“, sagt Kai Gehring, Sprecher für Wissenschaft der Bundestagsfraktion der Grünen. Die Hochschulen hätten Sorgen, bei Karliczek nicht in guten Händen zu sein. „Die Union ist damit beschäftigt, die Hochschulen schlechtzureden, vermeintlich zugunsten der beruflichen Bildung“, sagt Gehring. „Doch da passiert auch nichts.“

Was hat die Wissenschaft von Karliczek zu erwarten?

Zusätzliches Geld? Darum geht es nicht in erster Linie, sagt Karliczek

Mit Karliczek sind die goldenen Jahre mit ständig steigenden Finanzen offenbar vorbei: „Besonders in der Wissenschaft wird es in den kommenden Jahren nicht in erster Linie um zusätzliches Geld gehen, sondern um die Frage, ob die Schwerpunkte noch die richtigen sind“, hat sie im „Spektrum der Wissenschaft“ erklärt. Die Aussage löst unter Wissenschaftspolitikern keine Freude aus: „Natürlich muss man auch als Wissenschaftspolitikerin immer den Gesamthaushalt im Blick haben“, sagt einer. „Aber dass Frau Karliczek überhaupt keine Ambitionen zeigt, die bisherigen Aufwüchse fortzusetzen, ist schade.“ Ein anderer erklärt Karliczeks kategorische Absage an steigende Zuschüsse mit ihrer Schwäche im Kabinett. Karliczek wisse wohl schon, dass sie nicht mehr Geld bekommen werde. Die Zeiten ihrer Vorvorgängerin Annette Schavan, „der besten Geldeintreiberin“, rückten in immer weitere Ferne.

Als ihre drei politischen Prioritäten hat Karliczek genannt: künstliche Intelligenz, berufliche Bildung und Wissenschaftskommunikation. Die Hochschulen gehören nicht dazu – obwohl der Bund sie nach der Grundgesetzänderung im Jahr 2015 dauerhaft fördern darf, er also neue Gestaltungsmöglichkeiten hat.

Der Hochschulpakt - verlässlich steigende Mittel schließt Karliczek aus

Immerhin wird der Hochschulpakt auf Dauer gestellt, so ist es im Koalitionsvertrag beschlossen. Mit dem bisher befristeten Pakt bauen Bund und Länder über die Jahre von 2007 bis 2020 über 760.000 Studienplätze auf. Der Bund beteiligt sich daran mit 20 Milliarden Euro. Erwartet wird, dass die Mittel anschließend auf gleichem Niveau weiterfließen. Jedenfalls hat Karliczek bislang keine Absenkung angekündigt.

Doch die Hoffnung der Hochschulrektorenkonferenz und mancher Wissenschaftspolitiker, dass Karliczek die Chance ergreift und jetzt regelmäßig steigende finanzielle Zuwächse von jährlich etwa drei Prozent für die Hochschulen durchsetzt, scheint sich nicht zu erfüllen. Die Ministerin hat eine solche „Dynamisierung“ der Mittel brüsk abgelehnt. Für eine auskömmliche Grundfinanzierung seien die Länder zuständig. Nach der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen, die die Länder um fast zehn Milliarden Euro jährlich entlastet, seien sie dazu auch in der Lage. Demnach werden die außeruniversitären Institute, für die es solche regelmäßigen Aufwüchse mit dem Pakt für Forschung schon seit dem Jahr 2005 gibt, gegenüber den unterfinanzierten Hochschulen privilegiert bleiben.

Schon im Wissenschaftsrat, der unlängst in einem „Positionspapier“ empfohlen hatte, eine regelmäßige Mittelerhöhung für die Hochschulen zu prüfen, soll es darüber zu „Mord und Totschlag“ gekommen sein. Weder hätten sich die Länder untereinander noch die Länder mit dem Bund einigen können, ist zu hören. Ob Karliczek ihre Meinung ändern würde, wenn die Länder sich ihrerseits an der verbindlichen „Dynamisierung“ beteiligen, wie das Land Berlin hofft, ist also fraglich.

Auch abgesehen davon ist offen, mit wie viel Geld aus dem zukünftigen Hochschulpakt die Hochschulen rechnen dürfen. Denn Bund und Länder werden die Kriterien der Verteilung für die Zeit nach 2020 völlig neu verhandeln. Wie viel Geld eine Hochschule aus dem Pakt bekommt, könnte dann viel stärker als bislang von Qualitätskriterien abhängen. Damit sympathisiert im Bund dem Vernehmen nach die SPD, vor allem aber Karliczek: Qualität entstehe nicht, „indem ich den Ländern einfach Festsummen überweise“, hat sie im „Spektrum“ gesagt. Und Albert Rupprecht, der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, teilt dem Tagesspiegel mit: „Für die Nachfolge des Hochschulpakts gilt: Qualität, Qualität, Qualität!“

Den Rektoren schwant Schlechtes

Sollen sich die Hochschulen etwa um einen großen Teil der Mittel im Hochschulpakt bewerben müssen? Der Hochschulrektorenkonferenz schwant nichts Gutes. Sie warnt vor Überlegungen, „Teile der zum Kapazitätserhalt benötigten Mittel wettbewerblich zu vergeben“. Die Hochschulen würden dadurch Planungssicherheit einbüßen, ein „immenser administrativer und finanzieller Aufwand für Kalkulation, Berichterstellung und Monitoring“ wäre die Folge.

Die Staatssekretäre von Bund und Ländern haben mit den Verhandlungen über den neuen Pakt bereits begonnen. Komplizierte Konflikte sind zu überwinden, auch zwischen ost- und westdeutschen Ländern. Vor der politischen Sommerpause des Jahres 2019 soll der neue Pakt von der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten beschlossen werden.

Außeruniversitäre Institute: Der Bund verlangt wieder mehr Engagement von den Ländern

Die außeruniversitären Einrichtungen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft sollen weiterhin jährlich um „mindestens drei Prozent“ wachsende Zuschüsse bekommen. So steht es im Koalitionsvertrag. Dort ist allerdings auch festgehalten, dass Bund und Länder sich die Belastung ab 2021 wieder gemäß dem „bewährten“ Schlüssel teilen werden. Die letzte dreiprozentige Steigerung der Außeruniversitären im Pakt für Forschung und Innovation hat der Bund zwischen 2016 und 2020 allein finanziert. Diese Periode soll vorbei sein.

Sehen sich die Länder wirklich in der Lage, sofort zum bisherigen Schlüssel zurückzukehren? In den vergangenen Jahr haben sie den Pakt mit knapp drei Milliarden Euro bezuschusst. Im Jahr 2021 müssten sie zusätzlich gut 400 Millionen Euro zahlen: nämlich ihren Anteil an dem vom Bund allein finanzierten Aufwuchs im Jahr 2020 plus ihren Anteil an der dreiprozentigen Steigerung in 2021, wie Hans-Gerhard Husung, der frühere Generalsekretär der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz und Staatssekretär a. D. für Wissenschaft in Berlin, vorrechnet. In den folgenden Jahren würde die Summe entsprechend größer.

„Das geht nicht mit einem Schlag“, sagt ein Kenner des Berliner Haushalts. Und Husung hält es sogar für „relativ unwahrscheinlich“, dass die Länder diese Mittel auf Dauer aufbringen können. Erst recht, da sie ihre finanzpolitische Priorität bei den Hochschulen sehen.

Jedoch klingt Bundesbildungsministerin Karliczek bislang keineswegs so, als würde der Bund den Ländern noch einmal unter die Arme greifen oder sogar grundsätzlich etwas an den Finanzierungsschlüsseln ändern. Im Gegenteil, sie bringt eine Rückzahlung der vom Bund geleisteten Mehrausgaben ins Spiel, unterstützt von ihrer Fraktion: Albert Rupprecht fordert von den Ländern einen „Ausgleich für die Mehrausgaben, die der Bund in den letzten Jahren hatte“.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Außeruniversitären mit Einbußen rechnen müssen. Dabei halten sie schon den in Aussicht gestellten dreiprozentigen Aufwuchs angesichts anstehender Tarifsteigerungen für zu gering.

"Innehalten" und "Konsolidieren"

„Wenn Systeme innerhalb kurzer Zeit stark wachsen, kommt der Zeitpunkt zum Innehalten, zum Konsolidieren“, hat Karliczek formuliert. Diese Zeit scheint für die Wissenschaft gekommen. Vom Bund sollte sie nicht zu viel erwarten – Hilfe bei der Wissenschaftskommunikation ausgenommen.

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