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Kunstraum Potsdam, neue Ausstellung "ZUSTANDSBERICHT".
Arbeiten aus der Sammlung Herrmann und der Contemporary Art Foundation Berlin

© Andreas Klaer

Zustandsbericht : Kunstraum zeigt Werke der Sammlung Herrmann

Die private Kunstsammlung Herrmann und die Contemporary Art Foundation Berlin präsentieren neben Gemälden auch Fotografien, Zeichnungen und skulpturale Kunst.

Von Alicia Rust

Fünf große blaue Lettern zeichnen das Wort „Death“ auf einer über zwei Meter hohen Leinwand, dabei wirkt der Schriftzug seltsam vertraut. Bei näherer Betrachtung erschließt sich der Grund. Der Untertitel „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ bestätigt den ersten Eindruck: Eine Reminiszenz an den bekannten schwedischen Möbelhersteller, der seine Kunden freimütig duzt. Der von Wawrzyniec Tokarski in Acryl gemalte Flur einer Altbauwohnung gleicht aber nicht der Vorzeige-Einrichtung aus dem Katalog. Das Interieur ist unordentlich, leere Flaschen stehen herum, ein Blick hinter die Heile-Welt-Fassade. „Viele der Künstler, von denen wir Kunst sammeln, sind sehr politisch“, sagt Sammlerin Burglind-Christin Schulze-Herrmann. 

Der kritische Blick

Zwei Räume weiter hält ein Despot im Hitler-Look eine Weltkugel in den Händen. Schon auf den ersten Blick erzeugt das überlebensgroße Bildnis Gänsehaut. Der Titel: „Baby de Large V“ (das Wiegenlied gebrochen) spielt auf Charlie Chaplins mutige Parodie Hitlers im Jahr 1940 an, der damals – obgleich auf dem Zenit seiner Macht – innerhalb der Satire „Der große Diktator“ das Antlitz des Bösen verpasst bekam. Als Scheusal, der mit dem Schicksal der gesamten Welt spielt. 

Eine Art Folterinstrument wird in „Lions Tail“ von der amerikanischen Künstlerin Megan Marrin dargestellt. Auf den Umrissen eines menschlichen Körpers ist ein Käfigkorsett platziert. Es lässt erahnen, zu welchen Grausamkeiten Menschen imstande sind. Das Ölgemälde aus dem Jahr 2018 lässt Gedanken an Guantánamo aufkommen, Afghanistan, Syrien und nicht zuletzt an die Barbarei in der Ukraine.

 1984 haben wir die ersten Bilder erworben und sie zunächst in der Steuerkanzlei meines Mannes aufgehängt. Die Klienten und Besucher der Kanzlei haben sich inspiriert gefühlt.

Burglind-Christin Schulze-Herrmann, Kunstsammlerin

Heiterer kommt das Konterfei eines Hawaiianers in „Man Hawaii“ daher, von Rainer Fetting 1986 aquarelliert. Witzig die Geschichte dahinter, wie Sammler Manfred P. Herrmann zu dem farbenfrohen Porträt gekommen ist. „Damals hatte ich einen Citroën DS, den ich Rainer Fetting ausgeliehen habe, damit er nach Sylt fahren konnte“, erzählt der Steuerberater. „Als Fetting das Auto heil zurückbrachte, überreichte er mir das Bild als Geschenk“, sagt der Kunstsammler, der gemeinsam mit seiner Frau die meisten Künstler seit vielen Jahrzehnten persönlich kennt. Freundschaften sind entstanden, auch zu zahlreichen Galeristen.

Ein Leben für die Kunst

Doch wie hat alles begonnen, die Sache mit der Kunst? „1984 haben wir die ersten Bilder erworben und sie in der Steuerkanzlei meines Mannes aufgehängt“, erzählt Sammlerin Herrmann, die zuvor Kunstgeschichte studiert hatte. Die Kunst habe zu Dialogen geführt, Klienten und Besucher der Kanzlei hätten sich inspiriert gefühlt. Die Hermanns sammelten weiter. Daraus wurde ein Lebenswerk. Ihre private Sammlung, die sie niemals verkaufen würden, wie sie sagen, zählt inzwischen 600 Werke. Etliche von namhaften Künstlern. 120 davon werden ab Sonntag bis 16. Juli im Kunstraum in der Ausstellung „Zustandsbericht“ gezeigt.

 Es ist wunderbar, wenn man den Aufstieg von einigen Künstlern über die Jahre miterleben darf.

Manfred P. Herrmann, Kunstsammler

Zunächst habe man sich auf hoffnungsvolle Nachwuchstalente konzentriert, auf junge noch unbekannte Künstler, schließlich galt es das Neue zu fördern. Darunter viele internationale Künstler, die meisten von ihnen haben zumindest zeitweise in Berlin gelebt. Gab es ein Kriterium, nachdem gesammelt wurde? Die Sammler lächeln angesichts der Frage. Zunächst ging es darum, ob ein Werk, das konnte eine Skulptur sein, eine Fotografie oder eine Installation, das Sammlerherz in irgendeiner Weise berührte.

Dass viele der Werke inzwischen einen beachtlichen Wert verkörpern, war kein reines Kalkül, betonen beide Sammler. Natürlich sei es schön, wenn sich der Wert eines Kunstwerks entsprechend nach oben entwickele, doch ebenso wichtig seien auch die persönlichen Begegnungen mit den Kunstschaffenden selbst. „Es ist wunderbar, wenn man den Aufstieg von einigen Künstlern über die Jahre miterleben darf“, sagt Manfred P. Herrmann. Doch ebenso sei es möglich, dass vielversprechende Talente plötzlich nicht mehr in der Kunst tätig sind. Oder gar sterben.

Wie zum Beispiel Herbert Volkmann, von dem die Assemblage „Brown party – white party“ stammt, in der er neben Fotos und einem Paar Schuhe auch sein Drogenbesteck mit einarbeitete. Nicht minder beeindruckend das Gemälde Volkmanns aus dem Jahre 2002 „Angst essen Seele auf“. Eine rauchende Diva reiferen Alters legt genüsslich ihren Kopf in den Nacken, vor ihr der obligatorische Schoßhund. Ganz in sich versunken, scheint sie den Moment zu genießen. Der Genuss, der durch die Auseinandersetzung mit der Kunst entsteht, ist noch so ein Anliegen des Sammlerehepaars. Welches freilich gern mit anderen Menschen geteilt wird.

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