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Die Alice-Salomon-Hochschule Berlin

© ASH Berlin

Nach Polizeieinsatz an Alice-Salomon-Hochschule: Auch in Hellersdorf agiert Henkel wie in der Rigaer

Während einer rechten Demo stürmt die Polizei die Hochschule und beschlagnahmt ein Transparent. Der Rektor findet das überzogen und will reden. Doch die Innenverwaltung will nicht. Ein Kommentar.

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Wenn Sie Humor haben, richten Sie mal eine Anfrage an Innenstaatssekretär Krömer. Bernd, nicht Kurt. Sie werden so schnell niemanden in der Berliner Verwaltung finden, der ähnlich trocken antwortet wie Henkels rechte Hand. “Im Ergebnis teile ich Ihre Verwunderung darüber, dass ein rechtlich erforderliches und verhältnismäßiges Vorgehen zu einer öffentlichen Äußerung des Rektors geführt hat”, schrieb der CDU-Mann jetzt seinem SPD-Kollegen von der Bildungsverwaltung, Steffen Krach.

Der war allerdings alles andere als einer Meinung mit Krömer, sondern vielmehr dem Leiter der Alice-Salomon-Hochschule beigesprungen, wie die “taz” berichtet. Uwe Bettig hatte sich in einem offenen Brief an Michael Müller über einen Polizeieinsatz in der ASH beschwert.

Was war passiert?

Das war passiert: Am 2. April fand vor der ASH in Hellersdorf eine Nazi-Kundgebung statt. Konflikte waren absehbar, steht die Hochschule doch für Liberalität ein, ganz in der Tradition ihrer Namensgeberin. Rektor Bettig hatte deshalb der Polizei vorsorglich seine Handynummer gegeben, um moderieren zu können, sollte es Ärger mit Studierenden geben. Und so kam es. “RassistInnen und Nazis? Blockieren! Angreifen!”, stand auf einem Banner an der ASH-Fassade. Die Polizei wertete das als Aufruf zu einer Straftat, stürmte das Gebäude, kassierte den Aushang ein und setzte zahlreiche Menschen fest, um Personalien aufzunehmen - auch Leute, die nur zu Lehrveranstaltungen in der Hochschule waren. Bettigs Telefon blieb stumm.

Völlig überzogen findet der Rektor die Maßnahme. “Von einem Plakat geht keine akute Gefahr aus”, sagt er. Die Parole sei keineswegs eindeutig, auch Verbalattacken könnten gemeint sein. Hingegen habe die Polizei ein Banner geduldet, mit dem Nazis Gegendemonstranten bedroht hätten. Bettig pocht auf den besonderen Schutz des akademischen Raums und verweist auch auf fortlaufende Einschüchterungsversuche durch Rechtsradikale, die in der ASH ein Feindbild sehen. Vieles spielt sich unterhalb der polizeilichen Wahrnehmungsschwelle ab. Immer wieder würden ausländische Studierende auf dem Weg zur U-Bahn bedrängt. Erst vergangene Woche, erzählt Bettig, sei ein Ausstellungsplakat vor der Hochschule mit brauner Farbe beschmiert worden, das eine Frau mit Kopftuch zeigte.

Innenressort schaltet auf stur

Bettig würde deshalb gern mit der Politik über den Polizeieinsatz reden. Dumm nur, dass er ein Wahljahr erwischt hat. Der Senat ist längst im Rigaer-Modus. Während die SPD-geführte Bildungsverwaltung an seiner Seite steht, schalten Henkels Mannen im Innenressort auf stur und ziehen sich auf eine zweifelhafte Rechtsposition zurück.

Dass es politisch wie polizeilich geboten wäre, zum Zwecke der Deeskalation das Gespräch mit lokalen Institutionen zu suchen, gerät dabei völlig außer acht. Die CDU hat offenbar ihren Kompass dafür verloren, von welcher Seite die größte Gefahr für eine offene Gesellschaft ausgeht. Und das ist leider kein schlechter Scherz.

Ingo Salmen ist Online-Redakteur beim Tagesspiegel. Marzahn-Hellersdorf ist für ihn genauso neu wie ganz Berlin, denn er ist erst kürzlich in die Stadt gekommen. Im Gepäck: eine große Leidenschaft fürs Lokale. Und bei Twitter ist er auch zu finden. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an leute-i.salmen@tagesspiegel.de.

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