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Der Schauspieler Hans-Werner Meyer fordert Sozialversicherungsschutz für seine Kolleginnen und Kollegen.

© Ole Graf

Aufruf zur Umverteilung: Gewerkschaften und Kulturschaffende verbünden sich

Die Pandemie macht es möglich: Ganz unterschiedliche Gruppen fordern gemeinsam mehr Sozialstaat und weniger Kapitalismus.

Der Schauspieler Hans-Werner Meyer trat am Montag gemeinsam mit dem Gewerkschaftschef Frank Werneke in der Verdi-Zentrale auf, um eine Botschaft für den Wahlkampf zu platzieren: „Wir wollen eine ökologisch und sozial gerechte Gesellschaft für alle.“ Meyer führt gemeinsam mit seiner Kollegin Leslie Malton den Bundesverband Schauspiel; als Vertreter der „zweitgrößten Brache“ hierzulande, wie Meyer formulierte, wies er auf die Pandemiebetroffenheit der Kulturschaffenden hin. „Der ganze Bereich ist kollabiert“, sagte der Schauspieler und reklamierte für die zahlreichen befristet Beschäftigten und Soloselbstständigen eine Integration in das Sozialsystem, vorrangig in die Arbeitslosenversicherung.

Die Reichen sollen zahlen

„Die nächste Krise kommt bestimmt“, meinte Meyer und forderte wie auch Verdi-Chef Werneke und Verena Bentele vom Sozialverband mehr Geld für Soziales und für die ökologische Transformation. Wo das Geld herkommt, ist für die Unterzeichner des Aufrufs, die nach Angaben Wernekes rund zehn Millionen Menschen repräsentieren, keine Frage: Von den Reichen und Erben. „Wir müssen den vorhandenen Reichtum gerecht verteilen und Gemeinwohl vor Profit stellen“, heißt es in dem Papier, das unter anderen von den Wohlfahrtsverbänden, dem Mieterbund und dem Kulturrat sowie dem Verband der Schriftstellerinnen unterschrieben ist.
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Für die Umverteilungs- und Ausgabenpläne wird sehr viel Geld gebraucht, allein bei Städten und Gemeinden habe sich ein Investitionsstau über 150 Milliarden Euro gebildet, sagte Werneke. Die Schuldenbremse sollte deshalb abgeschafft oder zumindest ausgesetzt werden. „Wir können mit höheren Schulden leben“, heißt es im Aufruf. Der Staat zahle noch immer keine Zinsen und die Schuldenquote, also der Anteil der Staatsschulden am Sozialprodukt, liege mit 71 Prozent noch niedrig im internationalen Vergleich. Deutlich höher ist die Quote beispielsweise in Japan und in den USA.

Steueroase für Erben

Neben Krediten sollen höhere Steuern zur Finanzierung der Investitionen und der höheren Sozialausgaben beitragen. Das private Nettovermögen sei mit 13 Milliarden Euro so groß wie noch nie. Das reichste Drittel der Bevölkerung besitze zwei Drittel des Vermögens und „die Superreichen – das reichste 0,1 Prozent – ein Fünftel dieses Nettovermögens“. Die Formel der Umverteiler: den privaten Reichtum „stärker in die Pflicht nehmen, um öffentliche Armut zu überwinden“. Bei Vermögen und Erbschaften sei Deutschland eine Steueroase, und zwar auch deshalb weil „zwischen 1998 und 2015 die reichsten 30 Prozent der Bevölkerung steuerlich entlastet wurden, während die unteren 70 Prozent mehr Steuern zahlen mussten“, heißt es in dem Aufruf der Sozialverbände, Gewerkschaften und Kulturschaffenden.

Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke plädiert für höhere Schulden und höhere Steuern.
Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke plädiert für höhere Schulden und höhere Steuern.

© Doris Spiekermann-Klaas

FDP gegen höhere Steuern

Die Steuerpolitik und dazu der Umgang mit der Schuldenbremse ist ein großes Thema im Bundestagswahlkampf und wird auch eine Rolle spielen bei der Zusammensetzung der nächsten Bundesregierung. Grüne, SPD und Linke werben mit höheren Steuern auf Erbschaften und Vermögen für sich, die FDP hat sich gerade auf ihrem Parteitag festgelegt: Es soll keine Steuererhöhungen geben, wenn die FDP an der Regierung beteiligt ist.

Neben öffentlichen Investitionen in Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und Bildung, ÖPNV und Wohnen wird zum Ausbau des Sozialstaats aufgerufen. Die Coronakrise treffe vor allem Menschen, „die ohnehin im Abseits stehen“. Konkret genannt werden Geringverdiener, Minijobberinnen, Soloselbstständige, Projektbeschäftigte, Alleinerziehende, Studierende, Zugewanderte, Erwerbslose und Obdachlose. „Alle müssen von den sozialen Sicherungssystemen geschützt werden“, heißt es im Aufruf, der für eine sozialpolitische Wende wirbt. Die Politik der Privatisierung und Deregulierung, geprägt von Sparmaßnahmen, Steuersenkungen sowie der „Umverteilung von unten nach oben“, müsse ebenso ein Ende haben wie „Bildungsungerechtigkeiten“. Mit einem Wort: Die Unterzeichner des Aufrufs wünschen sich deutlich mehr Staat.

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