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Kein glühender Ampel-Anhänger: Anton Hofreiter

© dpa/Michael Kappeler

Anton Hofreiter über die Ampel: Der Störer

Anton Hofreiter wollte Minister werden, er wurde Vorsitzender des Europaausschusses. In seiner neuen Rolle fühlt er sich frei und wurde zum Treiber der Regierung. Nun wandelt sich seine Rolle erneut.

Es ist ausgerechnet Anton Hofreiter, der ausspricht, was viele Grüne in diesen Tagen denken. „Die Scholz-SPD ist nicht mehr der natürliche Bündnispartner der Grünen“, sagte er der „Welt am Sonntag“ an diesem Wochenende.

Das ist bemerkenswert, galt Hofreiter doch noch vor wenigen Monaten als Paria der Grünen-Fraktion, der nach der schwersten Niederlage seiner Karriere hauptsächlich austeilen wollte. Anderthalb Jahre ist es her, dass Hofreiter, damals Fraktionschef und vom linken Flügel als Minister gesetzt, in einer Nachtsitzung von den damaligen Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck abgesägt wurde. Hofreiter bekam kein Ministeramt, statt seiner zog Cem Özdemir ins Kabinett ein.

Hofreiter wurde zum Symbol

Viele Monate zog er sich zurück. Er tauchte wieder auf, als Russland die Ukraine überfallen hatte. Hofreiter fand seine neue Rolle als Treiber der Ampel-Regierung. Schon im April des vergangenen Jahres forderte er, schwere Waffen dorthin zu liefern, fuhr mit anderen Parlamentariern in die Ukraine. „Wir wollen maximalen Druck entfalten, damit sich die Politik der Bundesregierung ändert“, sagte er damals in einem Interview mit RTL.

Hofreiter wurde zum Symbol. Einerseits für die Wandlung der Grünen zu einer Partei, die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete unter Umständen befürwortet. Andererseits für den Ärger über die Trägheit der Bundesregierung. Nicht nur er war sauer darüber, aber von den Grünen kritisierte er Scholz am schärfsten.

Vor allem die Fraktionsspitze tat sich schwer damit. Er aber fühlte sich frei. So frei, dass es ihm egal war, wie groß der Streit mit dem Kanzler werden würde. Er brach mit dem Prinzip Harmonie um (beinahe) jeden Preis, das Baerbock und Habeck in der Partei verankert hatten.

Es ist daher schwer zu sagen, was jetzt zuerst kam: Der gewachsene Wille der Grünen den Unmut über den Kanzler offen auszusprechen oder Hofreiters Angriffe auf Scholz. Sicher ist: Die Grünen fühlen sich seit Monaten düpiert vom Kanzler, und enttäuscht von der SPD.

Grüne fühlen sich als Verlierer im Ampel-Bündnis

Ein Mittwoch Mitte März. Die Grünen haben zur Fraktionsklausur nach Weimar geladen, Hofreiter steht auf einem Platz vor der Tagungshalle, umringt von Journalistinnen und Journalisten. Es ist die größte Runde auf dem Platz, stören tut das Hofreiter offenkundig nicht. Er analysiert die Fehler der Ampel-Regierung, am Abend zuvor hat Habeck in den Tagesthemen das verloren gegangene Vertrauen in der Koalition beklagt.

Hofreiter sagt: „Bei vielen Auseinandersetzungen in der Koalition ist die mangelnde Führung und Koordination des Kanzleramtes beziehungsweise des Kanzlers das Hauptproblem.“ Er sagt noch mehr, das aber darf man nicht zitieren. Beobachtet man Hofreiter, muss man konstatieren, dass er die Ampel skeptisch sieht.

Seit dem Marathon-Koalitionsausschuss, bei dem FDP, SPD und Grüne über 30 Stunden miteinander verhandelten, sind diejenigen, die seine Sicht teilen, mehr geworden. Die Grünen fühlen sich als Verlierer im Bündnis. Zum dritten Mal setzten sie durch, dass neue Öl- und Gasheizungen schon bald zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, dafür aber mussten sie hinnehmen, dass 144 Autobahnprojekte beschleunigt gebaut werden. Es war ein hoher Preis.

Es ist nicht mehr nur Hofreiter, der Konflikte offen austrägt. Habeck hatte in Weimar kritisiert, Klimaschutz würde wieder zum „Kulturkampf“ gemacht, um daraus „einen parteitaktischen Vorteil“ zu ziehen. Ausgerechnet Habeck, Hofreiters alter Widersacher, der die Grünen über Jahre so staatstragend führte, dass man in ihnen kaum noch eine Oppositionspartei erkannte.

Ein Paria ist Hofreiter nicht mehr, so sehen es auch viele in der Partei. Doch frei fühlt er sich immer noch. Und offensichtlich ziemlich wohl in seiner Rolle, die Regierung zu triezen.

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