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Petra Guercke engagiert sich im Verein „Freunde des Mauerparks e. V.“.

© Christian Kielmann

„Be active not alone“: Studium für ältere Semester

Petra Guercke geht nach ihrem Arbeitsleben neue Wege und trifft auf Gleichgesinnte.

Von Barbara Halstenberg

„Be active not alone“, so übersetzen ehemalige Gasthörer:innen den Namen ihres Studiums. „BANA“ steht eigentlich für „Berliner Modell: Ausbildung für nachberufliche Aktivitäten“. Doch „aktiv sein und nicht allein“ trifft es weit besser und ist für Petra Guercke Realität geworden. Als die ehemalige Entwicklungsberaterin nach 35 Berufsjahren aus Lateinamerika zurückkehrte, war ihr klar: Ich will in Berlin leben und etwas Sinnvolles tun. Ab 2015 engagierte sie sich in Unterkünften für Geflüchtete, übte mit ihnen Deutsch sprechen. Als ihr eine Bekannte vom BANA-Gasthörer:innenstudium der TU Berlin erzählte, schrieb sie sich sofort ein.

Hier kommen Menschen nach ihrem Berufsleben mit Altersgenoss:innen in Kontakt und werden an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse herangeführt, die sie anregen, sich weiter aktiv für die Gesellschaft zu engagieren. Ein in Deutschland einmaliges Studienkonzept mit niedrigschwelligen Zugangsvoraussetzungen und genau das richtige für Guercke, die Dinge gern konkret umsetzt. So gehe es auch den meisten ihrer Mitstudent:innen, die ihre neu gewonnene Zeit nutzen, um sich bürgerschaftlich zu engagieren im eigenen Stadtteil, in der Gemeinde, in sozialen Einrichtungen, Ini­tiativen und Projekten.

Neben einem der drei Schwerpunkte „Stadt“, „Umwelt“ oder „Gesundheit und Ernährung“ können Gasthörer:innen zusammen mit den regulären Studierenden an fast allen Kursen aus dem Vorlesungsverzeichnis der TU Berlin teilnehmen.

„Exkursionen mit Landschaftsplanern, da kommt man als Rentnerin sonst kaum ran“, erzählt Petra Guercke, die ihr Studium mit dem Schwerpunkt „Stadt“ schon lange abgeschlossen hat. Sie ist weiter als sogenannte Kontaktstudentin dabei, wie sehr viele Ehemalige. Bereits seit neun Semestern lernt sie Schauspiel in der AG „Wecke deine Sinne“ und beteiligt sich bei Bedarf auch als Statistin an Projekten der Film-AG. Alles Dinge, die Petra Guercke zuvor im Leben noch nicht gemacht hat.

So leitet sie auch seit dreieinhalb Jahren die studentisch organisierte Projektwerkstatt „Stadt auf Augenhöhe, Ideen und Engagement für eine Stadt für alle“. Ihre einzige Bedingung: Wer mitmacht, soll nicht nur zuhören, sondern aktiv ein Projekt mit bürgerschaftlichem Engagement untersuchen und der Gruppe vorstellen, zum Beispiel die ‚Nachhaltige Mierendorff-Insel‘ in Charlottenburg, die ‚Qualifizierung des alten Mauerparks‘ in Pankow oder das Quartiersmanagement der High­deck-Siedlung in Neukölln.

Exkursionen mit Landschaftsplanern, da kommt man als Rentnerin sonst kaum ran.

Petra Guercke, Kontaktstudentin im „Berliner Modell: Ausbildung für nachberufliche Aktivitäten“

Das Konzept der Werkstatt, Engagement für eine lebenswerte Stadt zu fördern, geht auf. Die meisten verfolgen das untersuchte Vorhaben weiter, viele vertiefen ihr Engagement. Eine Teilnehmerin ist inzwischen gewählte Seniorenvertreterin im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg. Guercke hat sich dem Verein „Freunde des Mauerparks e. V.“ angeschlossen.

Mittlerweile liegt eine Dokumentation über zwölf der untersuchten Projekte der zentralen Anlaufstelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (ZAB) vor. Und wann ist eine Bürgerbeteiligung nun erfolgreich? „Sie erscheint umso sinnvoller, je dichter sie am Problem ist“, sagt Guercke. „Und sie muss von der Politik gewollt sein, die Beteiligungsspielräume sollten klar definiert sein.“ Vor allem müsste man aufpassen, dass die Verwaltung die getroffenen Vereinbarungen auch umsetze. Im Falle des Mauerparks war eine Beteiligung unumgänglich. Kurz nach der Wende hatten die Bürger:innen auf dem ehemaligen Todesstreifen Bäume gepflanzt und sich einen Erholungsort geschaffen. Erst später entwickelte der Senat ein Parkkonzept – zusammen mit den Anwohner:innen, deren Engagement maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Parkfläche bei der Erweiterung nahezu verdoppelt wurde.

Erinnert sich Petra Guercke noch an den Anfang ihres Studiums? Ihre erste Aktivität war, sich für eine gemeinsame Reise nach Krakau anzumelden, angeboten vom Projektlabor, dem Verein der BANA-Studierenden, der wöchentliche Treffen im Familiengarten Kreuzberg organisiert. „Krakau bei Traumwetter, großartig organisiert, ein Führer, der uns zu echten Geheimtipps geführt hat“, sagt sie. Durch das Studium ist sie vielen interessanten Menschen begegnet. Zu einigen hat sie noch heute Kontakt. Das hat ihr Leben nachhaltig bereichert.

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