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Der Badeort Scharm el Scheich am Roten Meer vor Beginn der UN-Klimakonferenz.

© Foto: Reuters/ Sayed Shaesha

Beinahe alles steht in Klammern: Kaum Fortschritte in den Verhandlungen der COP27

Die Verhandlungen der COP27 verlaufen zäh und ohne Ergebnis – kleine Teams sollen nun möglichst schnell Kompromisse eintreiben.

Aufatmen in Scharm El-Scheich: Das Abschlusscommuniqué der G20 in Bali ist progressiver ausgefallen, als viele befürchtet hatten und bringt neuen Schwung in die Verhandlungen der COP27. „Der Beschluss von Bali wird den Charakter dieser Woche verändern“, sagte der COP-Experte Christopher Bals von Germanwatch am Mittwoch.

Nach Monaten der Stille hatten die USA und China mit dem Treffen ihrer beiden Staatschefs wieder offiziell ihren Klimadialog aufgenommen, nur wenige Minuten später nahmen auch schon ihre Zuständigen auf der COP wieder offizielle Gespräche auf. Zugleich dämpfte der US-Klimabeauftragte John Kerry die Erwartungen. Danach gefragt, wie das Ergebnis der COP27 denn aussehen könne, nun da man wieder mit China spreche, sagte er: „Wir werden sehen müssen, wir haben ja spät begonnen.“

Derweil befinden sich die Verhandlungen in Scharm El Scheich im Endspurt – bis Mittwoch wollte die ägyptische Präsidentschaft eigentlich Ergebnisse sehen und einen Entwurf einer Abschlusserklärung entwerfen, doch laut Insidern hakt es weiterhin gewaltig bei den großen Verhandlungssträngen Finanzen, Schäden und Verluste, Schadensbegrenzung und Anpassung. Bis spät in die Nacht war zuletzt verhandelt worden, aber die Gräben bleiben zu weit.

Verhandlungspaare sollen möglichst schnell Kompromisse eintreiben

Um den Prozess voranzutreiben, sollen nun Verhandlungspaare aus je zwei Ministern zweier Länder, aufgeteilt nach Themen, möglichst schnell Kompromisse eintreiben. Dass die COP wohl über den Freitag hinaus dauern wird, war abzusehen, doch „vieles davon hätte schon letzte Woche geklärt werden können“, kritisiert ein Beobachter.

Wieviel Arbeit noch ansteht, zeigt beispielweise ein am Mittwochmorgen um 7 Uhr veröffentlichter neuer Entwurf zum „Mitigation Work Programme“, dem Arbeitsprogramm zur Beschleunigung der nötigen Treibhausgasreduktion bis 2030. Beinahe alles darin steht in Klammern – es gibt noch immer keine Einigung, wie lange das Arbeitsprogramm dauern und ob es sektorale Vorgaben oder Rechenschaftsklauseln beinhalten soll.

Aus Sicht von Beobachtern enthält die Erklärung von Bali aber einen entscheidend Punkt für die COP: Im Abschlussdokument bekräftigen die G20 explizit ihr Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Sicher war das nicht gewesen, China hatte das Ziel nach den Taiwan-Spannungen im Sommer in Frage gestellt und auch auf der COP wurde erneut darum gerungen. Nun, da es im Abschlusscommuniqué von Bali auftaucht, gilt es aber als so gut wie gesichert für die COP, „auch wenn die G20 keinen Hinweis auf eine Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 geben, die dafür eigentlich nötig wären“, betont Bals.

Überraschend war vor wenigen Tagen eine Ansage Indiens gekommen, die Staatengemeinschaft solle ein Auslaufen sämtlicher fossiler Brennstoffe beschließen. Gerade Indien war es gewesen, das auf der letzten COP noch als Bremser auftrat und einen Beschluss zum Kohleausstieg zur Kohlereduktion zusammendampfte. Woher der Sinneswandel? Strategie, meinen einige. Für Indien ist die Forderung leicht zu erfüllen, da das Land seine Energie größtenteils aus der Kohle zieht. Für die USA oder EU wäre ein Bekenntnis zu einem kompletten Ausstieg aus allen fossilen Stoffen ein viel größeres Bekenntnis, auch wenn sie ohnehin darauf abzielen. Offen bleibt, ob es einen entsprechenden Beschluss in der Abschlusserklärung von Scharm El Scheich geben wird. ###

Noch keinerlei Anzeichen einer Einigung gibt es auch beim unliebsamen Thema Finanzen – vor allem die verletzlichsten Staaten fordern weiter einen eigenen Geldtopf für die Kompensation von Schäden und Verluste in vom Klimawandel gebeutelten Staaten. Die großen Geberparteien USA und EU zeigen sich zwar offen, bleiben aber nebulös zu der Frage, welche Form von Entschädigungsmechanismus ihnen vorschwebt – „mehrere Optionen seien denkbar“", kommentierte ein Sprecher der EU-Kommission. Obwohl das Thema der absolute Knackpunkt der COP27 ist, gilt es als eher unwahrscheinlich, dass sich die Unterzeichnerstaaten schon auf dieser COP auf ein solches Instrument einigen werden.

Brasilien will Regenwald schützen

China und die G77 unterstützen inzwischen zwar offiziell einen eigenen Geldtopf, möchten diesen aber komplex ausgestalten und möglichst spät in Kraft setzen. Die USA und die EU hätten das ganze Thema gern recht tief in der COP-Hierarchie aufgehängt. Die verletzlichsten und die Inselstaaten, die die COP nicht ohne feste Zusagen verlassen wollen, machen Druck – aber konkrete Geldsummen möchte in Scharm El Scheich niemand nennen.

Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sprachen sich erstmals in einer gemeinsamen Erklärung vom Dienstag für ein Zahlungsinstrument aus. Sie erwarten „wesentliche Fortschritte bei der Einrichtung eines Finanzierungsmechanismus für Verluste und Schäden“. Positive Signale sendetet zu dem Brasiliens zukünftiger Präsident Luiz Lula da Silva mit seiner Ankündigung am Mittwoch, den für das Klima so wichtigen Regenwald schützen zu wollen. Zudem wolle Brasilien selber Gastgeber einer Weltklimakonferenz werden – das sind ganz andere Töne als bislang unter Präsident Bolsonaro.

Zugleich bestehen die BRICS aber darauf, in Zukunft mehr emittieren zu dürfen als die Industriestaaten. So solle die COP das Recht aller Staaten auf „Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung“ anerkennen. Sie mahnen vor Doppelmoral: Die Industrieländer hätten „im vergangenen Jahr den Verbrauch und die Produktion fossiler Brennstoffe erheblich gesteigert, während sie die Entwicklungsländer weiterhin drängen, sich von denselben Ressourcen zu trennen“.

Von entscheidender Bedeutung ist das vor allem für China, das inzwischen zum größten Emittenten der Welt geworden ist. Die Volksrepublik wehrt sich nach Kräften danach, als Industriestaat anerkannt zu werden und blockiert daher auch die alternative Aufnahme des Begriffs „großer Emittenten“ im Mitigation Work Programme. Bislang steht der Begriff auch noch nicht drin – wie so vieles nicht.

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