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Berlin: 100 000 Radler gegen neun Windstärken

Sternfahrt im Sturm: Viele trotzten dem Wetter – und der Chef des Fahrrad-Clubs hatte einen Platten

Diese Frage wurde gestern bei der Sternfahrt der Radfahrer am häufigsten gestellt: Wie oft seid ihr nass geworden? Wer erst im Stadtgebiet gestartet war, konnte noch fröhlich „drei Mal nur“ antworten. Die, die frühmorgens in Brandenburg aufs Rad gestiegen waren, hatten da schon längst das Zählen eingestellt.

Zum zweiten Mal hintereinander litt die vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) organisierte Massendemonstration unter dem Wetter. Waren es im Vorjahr nur 22 Liter Regen pro Quadratmeter, malträtierte gestern zudem der stürmische Westwind die Beinmuskulatur. Von den 30 Männern, die mit Frankfurt an der Oder den entferntesten der 81 Startpunkte gewählt hatten, mussten 18 aufgeben, nur zwölf Rennradler erreichten nach 91 Kilometern den Britzer Autobahntunnel – und damit den Höhepunkt der Tour.

Denn alle 19 Routen bündelten sich auch in diesem Jahr auf zwei Autobahnteilstücken, dem Südring und der Avus. Viele Familien stoppten auf dem Standstreifen und fotografierten sich vor den Leitplanken. „Das darf man ja sonst nicht“, sagte die jüngste Tochter der Familie Kuhlmann, die fürs Gruppenfoto den Flughafen Tempelhof als Hintergrund wählte. Eine Steigerung des Autobahnerlebnisses könnte die Fahrt durch den neuen Nord-Süd-Tunnel werden, doch das wird erst einmal ein Traum bleiben. „Die Rampen sind zu steil“, sagte ADFC-Chef Benno Koch, das sei nicht mehr kindgerecht. Die Sternfahrt solle alle ansprechen, und nicht die Cracks mit 4000-Euro-Rädern. Alltagsfahrer und Familien waren in der Mehrheit. Wer noch nicht alleine im Sattel sitzen konnte, wurde von Mama oder Papa im Anhänger gezogen. Zehntausende fuhren am frühen Nachmittag über die Avus und den Südring in die Stadt, umrundeten den Großen Stern, dann endete die Tour vor dem Hauptbahnhof mit einem „Europäischen Radfest“. Der ADFC-Chef schätzte die Zahl der Teilnehmer auf 100 000. Koch erreichte etwas verspätet die Avus, auch der höchste Berliner Fahrradfunktionär ist vor Platten nicht gefeit. 2004, als letztmals durchgehend die Sonne schien, waren es 250 000 Teilnehmer gewesen.

„Respekt für Radler“, lautet das Motto der Tour. Angesprochen sollen sich auch Autofahrer fühlen. Doch gestern wünschten sich alle Radfahrer vor allem mehr Respekt vom Wettergott. Eine Sturmwarnung mit Stärke acht bis neun, wie sie am Nachmittag galt, sei mindestens so schlimm wie drängelnde Autos, sagte eine junge Frau, die in Strausberg gestartet war. Mit dem Frankfurter Rennradler war sie sich einig, dass es clever gewesen wäre, in Brandenburg oder Rathenow zu starten – von dort hätte man Rückenwind gehabt.

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