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Für Gaza – und gegen Polizeigewalt: die Pro-Palästina-Demonstration in Tempelhof.

© dpa/Jörg Carstensen

Update

49 Festnahmen in Berlin: Palästina-Demonstranten versuchen, israelische Touristin in die Menge zu ziehen

Am Montag ist das Hamas-Massaker in Israel ein Jahr her. Schon am Wochenende demonstrierten viele Menschen in Berlin – am Samstag leitete die Polizei zahlreiche Strafverfahren ein.

Stand:

Bereits vor dem Jahrestag am 7. Oktober erinnern zahlreiche Menschen in Berlin mit Kundgebungen und Demonstrationen an das Hamas-Massaker in Israel und den Gaza-Krieg. Hunderte von Polizistinnen und Polizisten sind am gesamten Wochenende im Großeinsatz.

Bei Kundgebungen im Laufe des Samstags gab es insgesamt 49 Festnahmen, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Besonders hervor stach ein Zwischenfall gegen 19 Uhr in der Kochstraße. Kurz bevor ein propalästinensischer Protestzug den Checkpoint Charlie erreichte, versuchten Teilnehmer, eine israelische Touristin in die Menge hineinzuziehen.

Sie soll zuvor einen pro-israelischen Ausruf getätigt haben, woraufhin einige Demonstranten sie mit Schlägen und Tritten angriffen. Einsatzkräfte der Polizei schritten daraufhin ein und nahmen vier Tatverdächtige fest.

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Die nach Polizeiangaben etwa 25-jährige Frau war in Begleitung ihres Vaters um die 60 unterwegs. Dieser trug eine gelbe Schleife am Revers, die als Zeichen der Solidarität mit den israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas gilt. Der Vater wurde der Polizei zufolge wie auch seine Tochter bei der Attacke leicht verletzt.

Vor allem bei der Pro-Palästina-Demo, aber auch im Zusammenhang mit einem Protest gegen eine proisraelische Demonstration leitete die Polizei am Samstag 42 Strafverfahren ein. Zu den Vorwürfen zählten Verstöße gegen das Vereinsgesetz, Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Volksverhetzung, Raub, Beleidigung, Nötigung und Sachbeschädigung. In der Nacht zu Sonntag kam es nach Polizeiangaben zu keinen größeren Vorfällen.


So verlief der Samstag: Mehr als 1000 Teilnehmer bei Palästina-Demo

Mehr als 1000 Menschen gingen nach Polizeischätzung am Samstag für die propalästinensische Demonstration auf die Straße. Am Nachmittag hatten sich dafür zunächst rund 500 Menschen am Platz der Luftbrücke in Tempelhof versammelt, unweit des Polizeipräsidiums. Die Versammlung steht unter dem Titel „Ein Jahr Genozid – und die Welt schaut zu. Gegen Polizeigewalt“. Die Polizei ist mit mindestens 20 Mannschaftswagen vor Ort.

Die Kundgebung richtet sich gegen das Vorgehen Israels in Gaza, das die Veranstalter im Demonstrationsaufruf als „Genozid an der palästinensischen Bevölkerung“ bezeichnen. Außerdem protestieren die Demonstranten gegen die laut Veranstaltern „zunehmende Repression und Polizeigewalt gegenüber Pro-Palästina-Aktivisten“.

Der Großteil der Demonstranten trägt Kufiyas, sogenannte Palästinensertücher. Parolen wie „Terrorismus ist keine Staatsräson“, „Stop Israels war crimes“ oder „Israel tötet“ stehen auf den zahlreichen Plakaten, die sie in die Höhe halten. Auch mehrere Flaggen des Libanon werden geschwenkt.

Mit mehr als einer Stunde Verspätung beginnt die Demonstration um kurz nach 16 Uhr. Grund der Verzögerung: Die Lautsprecher funktionierten anfangs nicht, es war nur ein Rauschen zu hören. Zum Start der Kundgebung rufen die Teilnehmer „Free Palestine“, „Viva Viva Palestina“ und „Free Libanon“.

Protest richtet sich auch gegen angebliche Polizeigewalt

Bevor sich der Demonstrationszug in Bewegung setzt, werden Reden gehalten. Ein Redner betont seine Hoffnung auf Frieden in Nahost. Außerdem kritisiert er die Berliner Polizei, die seiner Ansicht nach in der Vergangenheit unverhältnismäßig gewaltsam gegen die Demonstranten vorgegangen sei. Auch die Medien berichteten nicht ausgewogen über die Proteste, sagt er. Journalisten nennt er „Heuchler“.

Eine Rednerin kritisiert ebenfalls angebliche Polizeigewalt, rassistische Verhaltensweisen auf Seiten der Polizei und Deutschlands Unterstützung für Israel. Außerdem erklärt sie, dass die Demonstrationen auch in Zukunft weitergeführt würden: „Wir werden nicht schweigen, bis die Gewalt ein Ende gekommen hat. Für jede Faust, die auf uns niedergeht, wird unser Widerstand stärker sein“, sagt sie.

Ein weiterer Redner distanziert sich von „jeder Form von Antisemitismus“. Das Vorgehen der Polizei gegen die pro-palästinensische Szene bezeichnet er als „antimuslimischen Rassismus“.

Banner und Reden richten sich auch gegen polizeiliche Repressionen bei propalästinensischen Demonstrationen.

© dpa/Jörg Carstensen

Ein älterer Mann mit einem Schild mit der Aufschrift „Juden gegen Genozid“ hält ebenfalls eine Rede. Er sei dazu überredet worden, sagt er. Er berichtet, dass sein Vater den Holocaust überlebt habe und er deshalb heute auf der Demonstration sei. Seiner Meinung nach sei Friede mit der aktuellen Regierung in Israel nicht möglich. Er nennt die israelische Regierung faschistisch.

Ein Banner, als wäre es mit Blut beschmiert: Die Demonstration gegen einen angeblichen „Genozid“ in Gaza startete am Platz der Luftbrücke.

© dpa/Jörg Carstensen

Nach einer Dreiviertelstunde setzt sich der Demonstrationszug in Bewegung. Während in den Reden teilweise auch gemäßigte Töne angeschlagen wurden, sind die Sprechchöre der Demonstranten eher aggressiv. Sie rufen beispielsweise, dass Israel ein Terrorstaat sei, Massenmord begehe und Kinder umbringe. Ein Aktivist auf dem vorweg fahrenden Wagen ruft: „Hat es am 7. Oktober angefangen?“ Die Menge antwortet: „Nein!“.

Ein kleiner Gegenprotest – und ein Mittelfinger

Der Protest zieht von Tempelhof aus über den Mehringdamm sowie die Koch- und die Friedrichstraße. An der Ecke zur Obentrautstraße hat sich ein kleiner Gegenprotest versammelt. Von der Polizei geschützt, schwenken circa zehn Personen israelische Fahnen.

Abgeschirmt. Polizisten schützen den proisraelischen Gegenprotest zur Palästina-Demonstration an der Ecke von Mehringdamm und Obentrautstraße in Kreuzberg.

© Christoph Papenhausen

Im Vorbeigehen formt eine Demonstrantin das Hamas-Dreieck mit ihren Händen. Ein anderer Demonstrant zeigt den Mittelfinger in Richtung der kleinen Gruppe. Andere Demonstranten rufen „Shame on you“ oder „Fuck you, Israel“.

Die Polizei begleitet die Demo engmaschig. Links und rechts des Demonstrationszugs gehen Beamte in je einer Reihe neben den Demonstranten. Vereinzelt stellen Einsatzkräfte die Identität von Teilnehmenden fest, die verbotene Symbole gezeigt oder verbotene Parolen gerufen haben. Aus der Menge sind auch einige „Hamas“-Rufe zu hören.

Anders als geplant, zieht die Demonstration nicht bis zum Brandenburger Tor, sondern löst sich um kurz nach 20 Uhr schon am Checkpoint Charlie auf.

„Gegen die antisemitische Internationale“: Israel-Solidarität vor der HU

Vor der Humboldt-Universität in Berlin-Mitte versammeln sich am frühen Nachmittag zahlreiche Menschen zu einer proisraelischen Kundgebung. Die Polizei spricht von schätzungsweise 650 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Einige von ihnen schwenken israelische Fahnen. Auf einem großen Banner ist das Motto der Kundgebung zu lesen: „Gegen die antisemitische Internationale“. 

Eine proisraelische Demonstration fand am Samstag vor der Humboldt-Universität statt.

© REUTERS/Christian Mang

Die Demonstranten zieht über die Straße Unter den Linden in Richtung Norden der Stadt. Auch Mitglieder der linksradikalen Antifa-Bewegung beteiligen sich. Auf einem Plakat ist etwa zu lesen „reclaim antifa. emanzipation statt antisemitismus“. Auf einem anderen Banner steht: „Punks against Antisemitism“.

Die Demonstration erreicht am Nachmittag ihren Endpunkt ohne größere Störungen, wie es von der Polizei heißt. Allerdings soll eine etwa 20-köpfige Gruppe Gegendemonstranten versucht haben, in den Protestzug zu drängen. Polizisten seien eingeschritten, so der Sprecher.

Der kleine Protest: eine Lesung von Texten palästinensischer Schriftsteller auf dem Potsdamer Platz.

© dpa/Jörg Carstensen

Am Potsdamer Platz gibt zudem eine Lesung von Texten palästinensischer Schriftsteller, die einige Passanten verfolgen.

Um Straftaten und eine mögliche Eskalation vor dem am Montag bevorstehenden Jahrestag des Anschlags der Terrororganisation Hamas auf Israel zu verhindern, hatte die Versammlungsbehörde der Polizei mehreren Aktivisten die Teilnahme an propalästinensichen Demonstrationen am Wochenende und am Montag per Bescheid untersagt. (mit dpa)

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