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Kostbares Idyll. Kritisiert wird ein neuer schiffbarer Kanal, der zwischen dem Senftenberger See und dem Geierswalder See errichtet wird. Er ist nur 1060 Meter lang. Aber er unterquert in einem 90-Meter-Tunnel die Schwarze Elster und in einem weiteren 58-Meter-Tunnel die Bundesstraße 96, zudem wird eine Schleuse gebaut. Foto: Kai-Uwe Heinrich

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Berlin: 51 Millionen Euro für einen 1050-Meter-Kanal

Der Rechnungshof kritisiert Missmanagement bei einem immer teurer werdenden Tourismusprojekt im Süden Brandenburgs.

Potsdam - In Brandenburg hat die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte Regierung mitten in der BER-Krise neuen Ärger. Und wieder geht es um ein vom Land gefördertes Großprojekt. Der Landesrechnungshof rügt jetzt beim „Lausitzer Seenland“, wo in stillgelegten Braunkohletagebauen bis zum Jahr 2018 Europas größte künstliche Wasserlandschaft entstehen soll, die Vergeudung von Landesmitteln in zweistelliger Millionenhöhe – infolge von Missmanagement aller Beteiligten, aber auch mangelndem Controlling des zuständigen, von Jörg Vogelsänger (SPD) geführten Infrastrukturministeriums (MIL). Das geht aus einem dem Tagesspiegel vorliegenden Prüfbericht der obersten Finanzkontrolleure für den Landtag hervor.

Konkret geprüft hat der Hof den „Überleiter 12“. Das ist ein neuer schiffbarer Kanal, der zwischen dem Senftenberger See und dem Geierswalder See errichtet wird, und zwar für touristische Zwecke. Doch schon für dieses eine Bauwerk gab es eine „dramatische Kostenentwicklung“ – nämlich von 2004 in der Machbarkeitsstudie vor dem Startschuss veranschlagten 6,5 Millionen Euro auf bereits 30 Millionen Euro im Jahr 2011. Am Ende, so heißt es im 33-Seiten-Papier, „werden Brandenburgs Gesamtausgaben voraussichtlich bei 51,4 Millionen Euro“ liegen.

„Die Prüfung offenbarte Versäumnisse und Fehleinschätzungen der am Projekt Beteiligten, die zu einer Kostensteigerung von 622 Prozent führten.“ Selbst die 51 Millionen seien unsicher, da dies einen „weitgehend störungsfreien Bauablauf“ voraussetze. Und da lauern Tücken.

Der für Sportboote und Ausflugsdampfer gebaute Kanal ohne Funktion zur Bergbausanierung ist zwar nur 1050 Meter lang. Aber er unterquert in einem 90-Meter-Tunnel die Schwarze Elster und in einem weiteren 58-Meter-Tunnel die Bundesstraße 96, zudem wird eine Schleuse gebaut.

Den absehbaren Aufwand haben alle Beteiligten unterschätzt, frühe Warnungen in den Wind geschlagen. Die „wesentlichen Ursachen“ für die Kostenexplosion sieht der Hof in der „unkritischen Auseinandersetzung mit den Planungsgrundlagen“, der „Fehleinschätzung“ der Risiken, „unvollständigen Planungsunterlagen“, „unzureichenden Leistungsbeschreibungen“ und dem „mangelhaften Baucontrolling“. Allein der „Ablaufplan“ sei bereits neunmal angepasst worden. Statt der ursprünglich geplanten Eröffnung im Mai 2011 werde der Kanal nicht vor April des kommenden Jahres fertig.

Mit dem Projekt hatte das MIL die Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbauverwertungsgesellschaft (LMBV) beauftragt, die für die reine Grundsanierung und Rekultivierung früherer Tagebaue zuständig ist, gemeinsam finanziert von Bund und Land. Was darüber hinausgeht, etwa für touristische Zwecke, zahlen die Länder selbst – allein Brandenburg seit 2003 rund 112 Millionen Euro. Im Etat sind jährlich rund 15 Millionen. Doch seit 2011 fließt alles in den Bau des Überleiters 12 und eines weiteren Kanals. „Dies führt dazu, dass weitere Projekte der Braunkohlesanierung, die mit positiven wirtschaftlichen Effekten für die Lausitzregion verbunden wären, nicht mehr finanziert werden können“, heißt es.

Ein Grundmanko, dass es so weit kam, liegt für den Rechnungshof schon am Beginn: Für den Überleiter 12 habe es nie eine seriöse Analyse eines wirtschaftlichen „Kosten-Nutzen-Verhältnisses“ gegeben. Den aktuellen Einwand des MIL, das allgemein auf die nötige Anbindung der neuen Seenplatte an den Senftenberger See als traditionellem Erholungsgebiet verweist, lässt der Hof nicht gelten.

Zudem liege ein Konstruktionsfehler darin, dass die LMBV pauschal ein 13-Prozent-Honorar kassiere, egal wie teuer es wird, das Land keine Haftungsregelung bei Mehrkosten vereinbart und auch nicht für ein „strukturiertes und vorausschauendes Risikomanagement“ gesorgt habe. Dabei hatte der Rechnungshof alle diese Missstände bei einer Prüfung 2004/2005 schon einmal dringend angemahnt – ohne dass etwas geschah.

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