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Prinz Oskar von Preußen.

© promo

900 Jahre Johanniter-Orden: "Es geht nicht, wenn wir altbacken daherkommen"

Prinz Oskar von Preußen, Herrenmeister der Johanniter, im Gespräch über Traditionen und neue Weichenstellungen seiner mehr als 900 Jahre alten Ordensgemeinschaft.

Muss ich Sie eigentlich mit „Königliche Hoheit“ ansprechen?
Herr von Preußen reicht völlig.

Sind Sie als Herrenmeister so etwas wie der „Bundespräsident der Johanniter“?
(lacht) Nein. So wichtig sollte man die Position des Herrenmeisters nicht nehmen. Ich bin eher ein „ehrenamtlicher Aufsichtsratvorsitzender“ der Gesamtorganisation. Dazu gehören die einzelnen Werke und Einrichtungen im Bereich der Krankenhäuser und Altenheime und im Bereich des ambulanten Dienstes. Wir sind als Johanniteroden aufgeteilt in 17 deutsche Genossenschaften und fünf nicht-deutsche. Die Genossenschaften haben vor Ort ihre eigenen Projekte, angepasst an die Bedürfnisse der jeweiligen Bevölkerung. Dazu gibt es noch die Johanniter-Unfallhilfe, die weltweit im Einsatz ist und in Katastrophengebieten hilft. Über all diesen Institutionen schweben der Herrenmeister und das Kapitel, das oberste Entscheidungsgremium des Ordens.

Das Amt zum Herrenmeister wurde Ihnen quasi in die Wiege gelegt. Schon Ihr Vater und Ihr Großvater waren Herrenmeister. Muss man adelig sein, um Aufsichtsratvorsitzender bei den Johannitern zu werden?
Nein, das muss man nicht und das steht auch nirgendwo geschrieben. Wir sind kein reiner Adelsverein. Es hat sich einfach so ergeben, dass seit 1693 immer ein Mitglied der Familie dieses Amt innehatte. Der Herrenmeister wird vom Kapitel gewählt und das Kapitel steht bei einem Wechsel immer vor der Frage: Wie halten wir es mit der Tradition? Welche Vorteile haben Traditionen gegenüber Profession? Brauchen wir jemanden, der wirklich fit ist (lacht) oder reicht es, wenn wir jemanden nehmen, der die Traditionen verkörpert. Tradition ist etwas, was im Orden generell wichtig ist.

Inwiefern?
Dadurch, dass wir eine über 900 Jahre alte Organisation sind, fühlen wir uns sehr der Tradition verpflichtet. Wir müssen nicht jedem Zeitgeist oder jeder Strömung hinterher hecheln, sondern können die Organisation ganz in Ruhe durch mal aufgeregte und mal weniger aufgeregte Zeiten steuern. Wir sorgen dafür, dass dort, wo es Not gibt, effizient geholfen wird – und das auf einer Grundlage, die 900 Jahre alt ist und einen doppelten Ordensauftrag verfolgt: Eintreten für den christlichen Glauben auf der einen Seite und diakonisches Helfen auf der anderen. Wenn dieses Fundament unverändert bleibt, hat das immense Vorteile und man muss sich nicht ständig Gedanken um mögliche Neuerungen und Verbesserungen machen.

Muss man gläubig beziehungsweise evangelisch sein, um Mitglied bei den Johannitern zu werden?
Ja, das ist eine Grundvoraussetzung. Die 4000 Ordensmitglieder müssen alle in einer evangelischen Landeskirche gemeldet sein. Auch die 15 000 haupt- und die 25 000 ehrenamtlichen Mitarbeiter in den einzelnen Werken und Einrichtungen sollten Mitglied in einer Landeskirche sein oder müssen zumindest wissen, dass sie für eine christliche, eine evangelische Organisation arbeiten. Wenn sie sich mit den christlichen Werten der Organisation nicht identifizieren können oder sogar dagegen arbeiten, wird es schwierig. Aber diese Art von Problemen habe ich noch nie erlebt.

Wie wird man Ritter bei den Johannitern – wird man von Ihnen ganz klassisch zum Ritter geschlagen?
Wenn man in den Johanniterorden aufgenommen werden will, muss man von einem Ordensmitglied angesprochen werden. Man kann sich nicht bewerben. Zunächst wird man als Ehrenritter aufgenommen und nach einigen Jahren in der Tat vom Ehrenritter zum Rechtsritter geschlagen – auch ganz physisch mit dem Schwert, allerdings von oben nach unten, nicht von rechts nach links. Das bedeutet aber nur, dass man nochmals in der Kirche vor dem Altar verspricht, sich für die Ziele des Ordens einzusetzen. Das mag etwas anachronistisch aussehen, aber dahinter steht eine Symbolik, die sehr wichtig ist und Teil der Ordenstradition.

Müssen die Ritter eine Art Uniform tragen?
Ja, man trägt einen Ordensmantel und das achtspitzige Kreuz, das Wahrzeichen des Ordens.

Wofür stehen die acht Kreuzspitzen?
Die acht Spitzen stehen für die acht Seligpreisungen der Bergpredigt Jesu im Neuen Testament. Wir tragen das Kreuz auch im Alltag, die christliche Symbolik ist ein offensichtliches Bekenntnis zu dem, was wir machen.

Sind so ein Ritterorden und die Traditionen, die dazu gehören, heutzutage nicht veraltet?
Ich glaube, dass unser Orden nach wie vor interessant ist – auch für junge Menschen. Auf der einen Seite vertreten wir jahrhundertealte Standpunkte, auf der anderen Seite sind wir durch unsere Werke und Einrichtungen sehr modern. Wir versuchen unsere Krankenhäuser und Altenheime nach den neusten Richtlinien zu führen und sie so modern wie möglich auszustatten. Auch die ambulanten Dienste, die man an jeder Ecke sieht, müssen sich im Wettbewerb behaupten können und das geht nicht, wenn sie altbacken daherkommen.

Der Herrenmeister über Möglichkeiten des ehrenamtlichen Engagements

Die Altersheime des Johanniterordens gelten sogar als besonders innovativ. Was unterscheidet Ihre Pflegeeinrichtungen noch von anderen?
Wir unterscheiden uns vor allem durch das christliche Fundament in der Pflege. Wir versuchen Pastorenstellen und Andachtsräume in unseren Krankenhäusern und Altenheimen bereitzustellen, so dass jeder, der zu uns kommt, weiß, dass wir auf ein christliches Fundament bauen.

In Berlin leben immer mehr ältere Menschen. Inwiefern stellen sich die Johanniter mit ihren Altenheimen darauf ein?
In der Altenpflege sind wir mit 93 Altenheimen bundesweit sehr aktiv. In der Region Berlin-Brandenburg gibt es zwei Heime, gerade wurde ein weiteres Stift in Tegel eröffnet. Der Zulauf ist immens, denn gerade in dieser Gegend scheint es wenige Heime zu geben, die auf die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet sind. Allerdings haben wir in den letzten Jahren gemerkt, dass alte Menschen immer länger zu Hause wohnen bleiben und dort gepflegt werden wollen. Für uns heißt das, dass wir unsere stationären Einrichtungen enger mit ambulanter Pflege vernetzen müssen. Wir müssen unsere Altenheime so konzipieren, dass die Menschen nicht mehr so lange bleiben wie früher, aber dafür dort intensiver gepflegt werden.

Stichwort Fachkräftemangel: Fehlen Ihnen Mitarbeiter im Pflegebereich?
Ja, Pflegenotstand ist auch bei uns ein riesiges Problem. Bis zum Jahr 2030 sollen 340 000 Pflegekräfte fehlen. Wir versuchen dem entgegen zu wirken, indem wir jungen Leuten einen attraktiven Ausbildungsplatz zum Beispiel zum Altenpfleger, zum Erzieher oder zum Rettungssanitäter bieten. Darüber hinaus haben wir gerade die Johanniter-Akademie, eine Art Pflege-Universität in Berlin, eröffnet. Die Akademie kooperiert mit einer Bildungseinrichtung in Spanien, das heißt, wir sprechen auch spanische Pflegekräfte an. Im Oktober werden die ersten Spanier nach Berlin kommen. Die Akademie setzt sich vor allem für ihre Integration hier in Deutschland ein. Dafür ist es wichtig, dass die Spanier Deutsch lernen.

Ein paar Worte zum Ehrenamt: Wie viele Ehrenamtliche arbeiten bundesweit bei den Johannitern? Wie wichtig sind die Ehrenamtlichen für den Johanniterorden?
Die Ehrenamtlichen sind für uns wahnsinnig wichtig! Bundesweit gibt es rund 40 000 ehrenamtliche Johanniter. Man kann aber generell für fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens sagen, dass ohne das Ehrenamt, unser Sozialsystem zusammenbrechen würde. Die ganze Vereinsarbeit, die freiwillige Feuerwehr, das alles wäre gar nicht möglich und nicht zu finanzieren ohne ehrenamtliche Helfer.

Wie kann man sich als Jugendlicher bei den Johannitern engagieren?
Auch hier gibt es sehr viele verschiedene Angebote. Man kann als Jugendlicher bei der Johanniter-Jugend oder im Schulsanitätsdienst aktiv werden oder einen Freiwilligendienst in Form eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder eines Bundesfreiwilligendiensts absolvieren. Mein Sohn hat gerade bei einem Behindertenzeltlager als Helfer mitgemacht und war ganz begeistert. Jeweils vier Jugendliche kümmern sich dabei zehn Tage lang um einen Schwerstbehinderten – das ist für beide Seiten wirklich ein Erlebnis! Mittlerweile finden diese Zeltlager nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern statt, da kommen junge Leute aus aller Welt zusammen.

Johanniter helfen auch im Katastrophenschutz im Ausland. Sind Sie momentan auch in Syrien im Einsatz?
Die Johanniter-Unfallhilfe reist vor ihren Einsätzen mit einem Expertenteam, bestehend aus einem Arzt und zwei Logistikern, in die Katastrophengebiete. Man schaut sich die Situation vor Ort an und überlegt, wie wir am schnellsten und effizientesten helfen können. Momentan sind wir nicht direkt in Syrien aktiv, das wäre zu gefährlich für unsere Helfer. Aber in den Flüchtlingslagern drum herum sind immer wieder Leute von uns. Wichtig ist, dass man nicht unkoordiniert und ungeplant in solche schwierigen Gebiete reist.

Zum Abschluss: Wie stehen Sie als Prinz zum Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin?
Es wird Berlins Mitte sicher gut tun – optisch.

- Das Gespräch führte Nora Tschepe-Wiesinger.

 

 

 

Nora Tschepe-Wiesinger

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