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Lastwagenfahrer werden durch Abbiegeassistenzsysteme gewarnt.

© Daimler/promo

Abbiegeassistenten bei Lkw: Bundesrat übernimmt Berliner Initiative für Verkehrssicherheit

Wasserbetriebe kaufen Lastwagen mit Abbiegeassistenzsystem. Berlin fordert, die Geräte europaweit verpflichtend einzuführen.

Die tödliche Gefahr beim Rechtsabbiegen von Lastwagen kann jetzt verringert werden: Die Berliner Wasserbetriebe schaffen in diesem Jahr die ersten vier Lastwagen mit einem Abbiegeassistenten an. Die Geräte sollen Fahrer warnen oder gar stoppen, wenn sich eine Person im „toten Winkel“ des Außenspiegels befindet.

Und der Bundesrat hat sich am Freitag mit großer Mehrheit der Initiative Berlins angeschlossen, solche Abbiegeassistenzsysteme europaweit verpflichtend einzuführen. Bereits Anfang des Jahres hatten die Koalitionsfraktionen den Senat aufgefordert, bei Neuanschaffungen von schweren Lastwagen für den landeseigenen Fuhrpark nur noch Fahrzeuge mit Assistenzsystemen zu bestellen.

Fehler beim Abbiegen gehören zu den häufigsten Ursachen von oft tödlichen Unfällen. Gefährdet sind vor allem Radfahrer, die von den Fahrern nicht gesehen werden. Nach Berechnungen der Unfallforschung der Versicherer (UDV) könnten Assistenzsysteme fast die Hälfte dieser Abbiegeunfälle mit Fußgängern und Radfahrern vermeiden.

Kaum ein Unternehmen ist bereit zu bezahlen

Bei einem solchen System überwachen Sensoren die Bereiche vor und neben einem Lastwagen. Der Fahrer wird gewarnt, wenn sich beim Anfahren oder Abbiegen ein Fußgänger oder Radfahrer nähert. Das System kann den Fahrer optisch oder akustisch alarmieren und gegebenenfalls sogar das Anfahren verhindern.

Hersteller haben solche Systeme bereits entwickelt; eine Vorschrift, sie einzubauen, gibt es aber noch nicht. Und freiwillig ist kaum ein Unternehmen bereit, die Kosten für den Einbau aufzubringen. Nun muss sich zeigen, ob der Vorstoß Berlins erfolgreicher sein wird.

Nach dem Votum des Bundesrates muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der Einbau auf europäischer Ebene für Nutzfahrzeuge über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht vorgeschrieben wird. Neue Fahrzeuge müssten damit ausgestattet sein; alte sollen nachgerüstet werden. Zudem solle der Bund den Einbau solcher Systeme verstärkt fördern und sich bei den Versicherern dafür einsetzen, nach einem Einbau Rabatte bei den Prämien zu gewähren.

Ob eine Nachrüstung möglich ist, prüften die Wasserbetriebe derzeit, sagte deren Sprecher Stephan Natz am Freitag. Der Kauf von vier schweren Lastwagen mit dem System sei aber beschlossen.

Auch die Stadtreinigung BSR testet derzeit nach Angaben von Sprecherin Sabine Thümler einige dieser Systeme, die es in verschiedenen Standards auf dem Markt gebe. Wo es sinnvoll sei, sollten solche Systeme dann eingesetzt werden. Beim Kauf von schweren Lastwagen, zu denen die Müllfahrzeuge gehören, werde man voraussichtlich bei ausgewählten Fahrzeuggruppen die angebotenen „Tote-Winkel-Assistenten“ berücksichtigen.

Die Systeme können Leben retten

Die elektronischen Hilfen sind nach Ansicht von Siegfried Brockmann, dem Leiter der UVA, viel wirkungsvoller als besondere Spiegel zum Überbrücken des „toten Winkels“. Der Fahrer müsse nämlich dabei nicht nur zur rechten Zeit in den richtigen Spiegel sehen, erklärte Brockmann bereits 2013, er müsse auch multitaskingfähig sein und in einer Art „Split-Screen-Blick“ verschiedene Bewegungsabläufe zu einem richtigen Ganzen zusammensetzen. Dabei würden Weitwinkelspiegel Objekte auch noch stark verkleinern und verzerrt wiedergeben, schrieb Brockmann schon damals.

Abbiegeassistenzsysteme könnten Leben retten, erklärte am Freitag auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Nach der Entscheidung des Bundesrates liege es jetzt an der Bundesregierung, die Forderung zügig umzusetzen. Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) teilte mit, es könne nicht sein, dass lebensrettende Technik kaum eingebaut werde.

In die Lastwagen müsse alles rein, was schwere Unfälle verhindern und Menschenleben retten könne. Der infrastrukturpolitische Sprecher der FDP, Henner Schmidt, verwies darauf, dass der Berliner Vorstoß von allen Fraktionen des Abgeordnetenhauses mitgetragen worden sei. Dies zeige, wie wichtig hier eine Verbesserung sei.

Auch die Deutsche Verkehrswacht (DVW) forderte die Bundesregierung auf, nun schnell zu handeln und die Forderungen auf EU-Ebene umzusetzen. Dies sei die konsequente Antwort auf die steigende Zahl von getöteten Radfahrern bei Abbiegeunfällen, sagte DVW-Präsident Kurt Bodewig, der frühere Bundesverkehrsminister.

Kein Thema sind solche Systeme bei der BVG. Die Busfahrer säßen tiefer als in Lastwagen und Reisebussen und hätten zudem durch die Scheiben in den Türen einen besseren Blick auf den Außenbereich, sagte Sprecher Jannes Schwentu. Neuere Fahrzeuge hätten zudem eine Rechtsabbiegekamera, die sich mit dem Blinken einschalte und so den „toten Winkel“ überbrücke.

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