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Berlin: Abfuhr für Anklage

Brennende Autos: Ermittler erleiden neue Schlappe Landgericht bestätigte Freispruch für 22-Jährige

Die nächste Schlappe für die Ermittler in einem Prozess um politisch motivierte Autobrandstiftung überraschte kaum noch jemand: Alexandra R., die als mutmaßliche Zündlerin fünf Monate in Untersuchungshaft saß, wurde auch in der zweiten Instanz freigesprochen. „Die Frau wurde Opfer einer Verwechslung“, sagte Richter Harald Jung am Dienstag.

Alexandra R. nickte und streckte die Beine weit von sich. Mit ihrer Festnahme in der Nacht zum 18. Mai 2009 konnten die Ermittler einen ersten Erfolg im Kampf gegen die nicht abreißende Serie von Brandanschlägen auf den Straßen präsentieren. In der Liebigstraße in Friedrichshain habe sie drei Grillanzünder auf den Vorderreifen eines geparkten Mazda gelegt und angezündet, warf man ihr vor. Ein Polizist will sie in der Nähe des Tatortes gesehen haben. Wenig später wurde R. aus einem Spätkauf geführt.

Die 22-Jährige habe damals zumindest mit der linksradikalen Szene sympathisiert, stand für das Landgericht fest. Bilder von angezündeten Autos fand man auf ihrem Computer. „Das aber reicht nicht, um den Schluss zu ziehen, dass sie in jener Nacht den Mazda in Brand stecken wollte“, erklärte der Richter. Objektive Beweise wie Spuren von Grillanzünder an ihren Händen oder ihrer Kleidung gab es nicht. Der 28-jährige Polizist, der mit einer Kollegin im Streifenwagen saß und einen Feuerschein entdeckt hatte, war die Stütze der Anklage.

Im Vorbeifahren entdeckte er eine schwarz gekleidete Person in der Nähe des Fahrzeugs. „Er sieht die Person nur ganz kurz, die Beleuchtung ist schlecht“, beschrieb der Richter. „Die Grillanzünder werden vom Vorderreifen geschlagen, dann macht man sich an die Verfolgung des mutmaßlichen Täters.“ Am Frankfurter Tor ging eine Frau über die Straße. Das Gesicht war nicht zu erkennen. Dennoch habe der Beamte erklärt: „Das ist die Person aus der Liebigstraße.“

Vom Tatort aus gab es sieben Fluchtmöglichkeiten. Zu schnell habe man sich auf die Angeklagte fixiert, kritisierte das Gericht. Auch vor dem Spätkauf hätten noch weitere Personen gestanden. Und schwarze Kleidung sei in jenen Straßen wahrlich keine Seltenheit. Das Gericht habe „ganz, ganz erhebliche Zweifel“ an einer Täterschaft der Angeklagten. So hatte es auch das Amtsgericht im ersten Urteil im November 2009 gesehen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten beantragt. Ob sie Revision einlegt, werde geprüft, sagte ein Sprecher. Bei einem 23-Jährigen, der im März in einem anderen Verfahren um politisch motivierte Brandstiftung freigesprochen wurde, hatte die Behörde auf Rechtsmittel verzichtet. Ein weiteres Verfahren wurde eingestellt. Ein Prozess gegen einen Niederländer steht noch aus.

Seit 2007 werden immer wieder Autos abgefackelt. Allein 2009 brannten in Berlin etwa 250 Fahrzeuge. Am letzten Wochenende standen drei Fahrzeuge in Flammen. Bei einem weiteren Auto in Friedrichshain konnte eine Polizeistreife größeren Schaden verhindern. In der Nacht zu Dienstag wurde in Friedenau ein 25-Jähriger festgenommen, der kurz zuvor einen Pkw angezündet haben soll. Bei dem Beschuldigten, der unter psychologischer Betreuung steht, sei kein politisches Motiv feststellbar. Kerstin Gehrke

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